Medien

Keiner kennt Quelle der Al Qaida-Drohungen

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Von MARKUS JANSOHN, 14. Mai 2008:

Wenn das Institut für Friedensforschung SIPRI oder ein renommiertes Max-Planck-Institut eine Mitteilung an die Nachrichtenagenturen senden, ist davon in Presse und Funk kaum etwas zu finden. Ganz anders verhält es sich, wenn die als „US-Institut SITE“ bezeichnete Quelle wieder einmal eine angebliche Al Qaida-Drohung im Internet gefunden hat. DPA, AP, AFP, Reuters und Kollegen leiten diese Meldung gerne an alle Medien weiter. Und die drucken und senden die Nachricht zeitnah. Unverändert, unkommentiert, selten hinterfragt. Inklusive der vom „Institut“ gleich mitgelieferten Übersetzung ausgewählter Textpassagen. Ohne Nachprüfung. Die vom SITE-Partner IntelCenter zeitgleich verfasste Echtheitserkläung rundet die so genannte „Berichterstattung“ ab.

Und so haben die regelmäßigen angeblichen Drohungen mittlerweile eine gewisse Popularität erfahren. Wer kennt sie heute nicht, die Überschriften wie „Bin Laden droht Europa“ und die nachfolgenden Einschätzungen von Politikern, so genannten „Experten“, „Sicherheitsorganen“ und „Behörden“, die aus den überbrachten Botschaften ein Erstarken des „Internationalen Terrorismus“ herauslesen und vor dem nächsten Anschlag in Deutschland warnen. Nicht ohne auf die „leider notwendige“ Einschränkung der Bürgerrechte hinzuweisen.

Aber wer kennt die Quelle „SITE"?

HINTERGRUND wollte wissen, ob sich Nachrichtenagenturen, Zeitungen, Magazine, Politiker und Ministerien die Mühe gemacht haben, Hintergrundinformationen über die oft zitierte Quelle zu beschaffen, um diese einschätzen zu können.

Das Resultat ist erschütternd. Nachfolgend nur einige Beispiele:

HINTERGRUND fragte in der Bundespressekonferenz den Sprecher des Bundesministeriums des Innern nach der Quelle SITE: „Herr Paris, können Sie uns sagen, was von der Organisation SITE aus den USA zu halten ist, auf die die Drohungen von Bin Laden zurückgehen? Kennen Sie das? Ist das der Bundesregierung ein Begriff? Ist das eine Quelle für eigene Erkenntnisse? Antwort: „Damit bin ich derzeit leider persönlich überfragt. Dazu müsste ich mich schlau machen.“(1) Danach folgte die Frage des BMI-Sprechers, wie man SITE buchstabiert. Das wurde allerdings nicht ins Protokoll aufgenommen. Zwei Tage später: „ Zu Ihrer Nachfrage vom Montag/Mail an Herrn Paris darf ich Ihnen mitteilen, dass es sich beim SITE-Institut (Search for International Terrorist Entities) um eine Einrichtung handelt, die Internetaktivitäten terroristischer Organisationen im Internet verfolgt (vgl. www.siteintelgroup.org, hier bietet das Institut auch Arbeitsproben zum Download an). Über die genaue Art und Weise der Finanzierung der Einrichtung kann das BMI keine Aussage treffen. Die Sicherheitsbehörden des Bundes nehmen Arbeitsergebnisse des SITE zur Kenntnis.“ (2)

Nicht selten ergab sich bei unseren Nachfragen, wie hier beim BMI, daß es sich bei der Quelle eigentlich um die SITE Intelligence Group handelt – eine Firma. Die Nachrichtenagentur AFP antwortete HINTERGRUND sogar “In der Regel heißt es bei uns: "das in den USA ansässige SITE-Institut", wobei Sie Recht haben, dass der Begriff "Institut" nicht treffend ist. Insofern bedanken wir uns für Ihren Hinweis.“ (3)

Aus der Redaktion der Tageszeitung „DIE WELT“ kam die Antwort, der Kenntnisstand sei leider nicht aktuell. (4)

„DER SPIEGEL“ teilte HINTERGRUND mit: „Site ist eine kommerzielle Organisation in Washington, die sich auf das Beobachten und Auswerten islamistischer Internetseiten spezialisiert hat. Detailliertere Informationen über die Organisation waren bisher nicht Gegenstand einer Recherche.“ (5)

Die DPA sendete als Antwort zunächst einfach den Link zur Webseite. Dieser führte ebenfalls zur SITE Intelligence Group in Maryland. Auf die Nachfrage „Ich gehe davon aus, daß sich dpa näher mit der Quelle beschäftigt hat und Sie mir genauere Auskünfte über das oft zitierte Institut geben können.“ kam die Antwort „Sorry, andere Informationen haben wir nicht“. (6)

 

1) Protokoll der Bundespressekonferenz vom 31. März 2008

2) EMAIL des BMI vom 2. April 2008

3) EMAIL von AFP an HINTERGRUND vom 28. März 2008

4) EMAIL von DIE WELT an HINTERGRUND vom 15. April 2008

5) EMAIL von DER SPIEGEL an HINTERGRUND vom 16. April

6) EMAIL von dpa an HINTERGRUND vom 3. April 2008

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