Medien

Gefährliche Konzentration

Hinweis: Die Bilder sind aus den archivierten Hintergrund-Texten vor 2022 automatisch entfernt worden.

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Springer und Funke wälzen die Medienlandschaft um –

Von SUSANN WITT-STAHL, 26. Juli 2013 –

Großer Ausverkauf bei der Axel Springer AG. Regionalzeitungen, TV- und Frauenzeitschriften – alles muss raus, hat die Konzernspitze offenbar entschieden. Auf ihrer Abschussliste stehen die Berliner Morgenpost, das Hamburger Abendblatt sowie der Magazin-Saurier Hörzu, die 1946 gegründete, älteste Programmzeitschrift Deutschlands. Neuer Besitzer der alten Zugpferde der Printmedien-Branche ist die Essener Funke Mediengruppe, der WAZ, Gong, Bild + Funk, Das goldene Blatt und viele andere Titel gehören.

Für den Deal lässt Funke eine stolze Summe springen: „920 Millionen ist für den deutschen Medienmarkt im Printbereich ein außergewöhnlich hoher Preis. Auch, wenn es nicht vergleichbar mit dem ist, was inzwischen für Internetunternehmen bezahlt wird“, kommentierte gestern der Medienforscher Horst Röper gegenüber tagesschau.de. Zu diesem Schritt hat Springer sich nicht etwa entschieden, weil der Konzern unter Konkurrenzdruck geraten wäre oder gar rote Zahlen zu befürchten hätte (die von ihm verkauften Blätter erwirtschafteten im vergangen Jahr bei 512 Millionen Euro Umsatz eine mehr als stattliche Rendite von 95 Millionen Euro). Es handelt sich vielmehr um eine strategische Grundsatzentscheidung der beiden Konzerne. Es geht ihnen offenbar um die Konzentration auf ein Kerngeschäft – aber auch um die Erweiterung ökonomischer und politischer Macht. Zu ihrem Geschäft gehört nämlich auch, dass Springer und Funke gemeinsam ein Unternehmen gründen, um bei Vertrieb und Vermarktung von gedruckten und digitalen Medien zusammenzuarbeiten.

Auf zu neuen Ufern

Zwar behält Springer mit Bild und Welt seine Flaggschiffe. Aber Vorstandschef Mathias Döpfner verfolgt damit weitaus ehrgeizigere Pläne, als die Oberhoheit auf dem Print-Medien-Markt zu verteidigen: Er will das Internet-Geschäft weiter beleben. Mit dem kostenpflichtigen Online-Zusatzangebot Bildplus hat er bereits erste Duftmarken gesetzt. Nicht das Bedrucken von Papier sei sein Geschäft, sondern Journalismus, machte Döpfner schon vor einigen Monaten deutlich, dass Springer auf den Weg zu neuen Ufern ist. Tatsächlich erwirtschaftet der Konzern bereits jeden dritten Euro im Internet – allerdings auch durch Immobilien- und Autoanzeigen und der Vermarktung von Online-Werbung.

Döpfners Abschiedsworte an seine Mitarbeiter, die er per Email versenden ließ, klingen sentimental: „Wir tun das mit schwerem Herzen.“ Auf die Regionalzeitungen und Zeitschriften rolle eine Konsolidierungswelle zu, heißt es weiter, allerdings weniger gefühlvoll als bedrohlich mit dem neoliberal-sozialdarwinistischem Gestus. „Nur große Gruppen und Einheiten können es schaffen, dauerhaft zu überleben“, lobpreiste Döpfner den Konzentrationsprozess in der Print-Branche.

Das führe nun einmal dazu, dass einige Verlage Titel verkauften, andere welche hinzukauften. „Wenn wir jetzt nicht handeln, müssten wir uns um die Zukunft von Hamburger Abendblatt, Berliner Morgenpost und der Zeitschriften und deren dauerhafte Überlebenschancen ernsthaft Sorgen machen.“

Das Komplementärstück zu dieser Argumentation haben die Funke-Bosse im Ruhrgebiet parat. Dort gaben sie den Beschäftigten, ebenfalls in einer Mail versendet, Folgendes zu lesen: „Vielleicht fragen Sie sich, ob es klug ist, Print-Titel in einer sich mehr und mehr digitalisierenden Welt zu erwerben.“ Bevor die Belegschaft aber ins Grübeln geraten konnte, lieferte die Geschäftsführung lieber gleich selbst die Antwort: „Wir glauben an Print – in enger Verbindung mit Digital!“

Und worin genau besteht eigentlich die große Veränderung bei Springer und Funke und der entscheidende Unterschied zwischen ihnen? Sie machen weiterhin beides, Print und Digital. Aber Springer wird sich fortan auf die großen überregionalen Medien konzentrieren und den Schwerpunkt auf Digital legen, während Funke sein Kerngeschäft mit Regionalzeitungen und Zeitschriften, mit Print und Online, machen wird.

Eine „besonders perfide Politik“

Die vorwiegend von dem Big Deal Betroffenen reagieren verärgert und äußerst besorgt. Auf einer Springer-Betriebsversammlung sollen die Emotionen nach Aussage von Teilnehmern hochgekocht sein. Die Betriebsratsvorsitzende Petra Pulver hat sogar von einem „Skandal“ gesprochen. Die Beteuerungen vom Vorstandschef Döpfner sowie eine übermittelte Botschaft der Mehrheitsaktionärin dürfte die Belegschaft weder sonderlich trösten noch beruhigen: „Ich möchte Ihnen von Friede Springer ausrichten, solange sie die Mehrheit bei Axel Springer hat, werden Bild und Welt dauerhaft Kern des Unternehmens bleiben – und das gilt auch, solange ich etwas in diesem Haus zu sagen habe.“

Olaf Scholz (SPD), Bürgermeister der Stadt, in der der Konzern neben Berlin sein zweites Standbein hat, eilt bereitwillig zur Hilfe, wenn’s ums Beschwichtigen der Warner und Mahner geht:

Die Entscheidung sei zwar bedauerlich, räumte Scholz ein. „Ungeachtet dessen gehe ich heute davon aus, dass der Axel Springer Verlag mit seinem veränderten – und hoffentlich gerade im Online-Bereich weiter wachsenden – Portfolio auch künftig ein wichtiges Medienunternehmen in der Stadt bleiben wird.“ In den Reihen der Opposition in der Hamburgischen Bürgerschaft wird diese Entwicklung weniger entspannt gesehen. Die Fraktion der Linken erinnert daran, dass erst 2012 die Redaktionen von Welt und Abendblatt zusammengelegt worden waren und nun „das Herzstück der Redaktion“ verkauft werden soll – eine „besonders perfide Politik“. Für die Beschäftigten „bedeutet das eine große Verunsicherung. Sie machen sich nicht ohne Grund Sorgen um ihre Arbeitsplätze, wenn der Funke-Konzern die Titel in seine Unternehmensstruktur integriert. Denn diese Mediengruppe ist berüchtigt für enormen Arbeitsdruck und harte Einsparungen zulasten des Qualitätsjournalismus“, meint Kersten Artus, medienpolitische Sprecherin der Linken.  

Sorgen machen dürfen sich nicht nur die – ab Anfang 2014 ehemaligen – 900 Springer-Mitarbeiter, sondern auch die derzeit noch 6.000 Köpfe zählende Funke-Belegschaft: Der Großeinkauf und der Anstieg der Betriebskosten wird ziemlich sicher nicht zuletzt durch einige Sparrunden bei Löhnen und Gehältern finanziert werden. Steffen Grimberg, NDR-Redakteur von dem Magazin Zapp, geht zudem, wie viele Medienfachleute, von „Zusammenlegungen“ diverser Titel und „Stellenabbau“ aus.

Die Befürchtungen sind alles andere als Schwarzmalerei. Denn Funke geht äußerst rabiat mit seinen Beschäftigten um. Im Januar hat das Unternehmen die komplette Redaktion ihrer Westfälischen Rundschau an die Luft gesetzt. Die Zeitung selbst ist allerdings weiter auf dem Markt. Mit Artikeln wird sie nun von den anderen Funke-Unternehmen in Nordrhein-Westfalen versorgt. Sogar bei der Konkurrenz kauft Funke lieber lokale Inhalte hinzu, als eine eigene Redaktion zu unterhalten.

Dieses Vorgehen brachte dem Verlag heftige Kritik ein. Arbeitsplätze und Meinungsvielfalt gingen verloren, so der Hauptvorwurf. Der Verlag konterte und drehte bizarrerweise die Argumentation einfach um: Ziel sei es, die Medienvielfalt zu erhalten, und wenn durch ein Absinken der Auflage die Produktionskosten einer Zeitung nicht mehr gedeckt werden, dann sei die Kooperation mit anderen Blättern nun einmal der einzige Weg, um das Medium und damit auch seine Abonnenten halten zu können.

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Ein schlechtes, wenn nicht gar alarmierendes Zeichen: Auf unangenehme Fragen, beispielsweise ob sich der Kauf der Springer-Blätter nur durch ihre Vereinheitlichung ihrer Angebote und Einsparungen von redaktionellen Kapazitäten und Arbeitsverdichtung rentiert, ob nun auch Berliner Morgenpost und Hamburger Abendblatt mit der WAZ und ihren Schwestern Inhalte teilen und Stellen abgebaut werden, gab Funke bislang keine Antwort. Der Konzern wird seine Gründe haben.

Sicher ist, dass die immensen Umwälzungen auf dem Zeitungs- und Zeitschriftenmarkt, die Springer und Funke Hand in Hand vornehmen und zumindest langfristig unweigerlich Fusionen und die Reduzierungen von Titeln zeitigen werden, den schon seit Jahrzehnten sukzessive voranschreitenden Eindimensionalisierungsprozess in der Medienlandschaft rapide beschleunigen. Die ohnehin schon durch Qualitätsabfall bei Recherche und Informationswert sowie Mangel an Meinungsvielfalt gebeutelte Vierte Gewalt wirkt dem Aufklärungsbedürfnis der Bevölkerung mit Monopolisierung und Kommerzialisierung immer mehr entgegen. Es wächst eine Monokultur, die von oben gut kontrollier- und beherrschbar ist und die Menschen ihrem großen Albtraum Stück für Stück näher bringt – einer Gesellschaft ohne Opposition.

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