Elitäre Märchenstunde: Der Focus stellt die Demokratie infrage
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Von THOMAS WAGNER, 29. August 2012 –
Woher stammt das Eigentum? Hans-Hermann Hoppe hat dazu eine eigenwillige Theorie. „Eigentum an einer Sache wird der Person zugesprochen, die diese Sache erstmals (vor allen anderen) angeeignet und unter ihre Kontrolle gebracht, im Weiteren hergestellt oder sie im freiwilligen Austausch von ihrem früheren Eigentümer erworben hat“, schreibt er im Focus (Heft 35/2012, S. 35). So habe die Menschheit seit Urzeiten gewirtschaftet und ihren Wohlstand erreicht.
Für den Fall von Regelverstößen erfand man den Richtermonarchen und als dieser sich am privaten Eigentum der anderen bereicherte schließlich die Demokratie. Doch damit kam erst recht das Unglück über die Menschen, denn anstatt nur eines Monarchen waren es nun ganz viele demokratische Politiker, die das Eigentumsrecht ihrer Mitbürger zu ihrem eigenen Vorteil brachen. So schlicht kann das Weltbild eines Professors der Wirtschaftswissenschaften sein.
Nicht nur schlicht, sondern gefährlich ist das Mittel, mit dem er dem Übel zu Leibe rücken will. Da die Demokratie „ein zum Scheitern verurteiltes System sozialer Organisation“ sei, heißt Hoppes Antwort ganz einfach: Schafft sie doch einfach ab! Ersatzweise will er ein System absolut freier Konkurrenz etablieren, das sich bis hinein ins Rechtswesen erstreckt. „Neben dem Staat müssen auch andere Personen oder Institutionen Eigentums- und Rechtsschutzleistungen anbieten dürfen. (…) Der Staat kann folglich keinerlei Steuern mehr erheben oder neue Gesetze erlassen, und er bzw. seine Bediensteten müssen sich nunmehr genauso finanzieren wie alle übrigen: indem sie etwas von freiwilligen Kunden als preiswert Erachtetes herstellen und anbieten.“ (ebd.)
Bei dieser Schreckensvision einer Gesellschaft, in der das kapitalistische Recht des Stärkeren den demokratischen Rechtsstaat ablösen soll, handelt es sich nicht um eine Satire auf einen vollkommen entfesselten Neoliberalismus, sondern um einen ernstgemeinten politischen Vorschlag.
Der eigentliche Skandal liegt aber nicht in der Abwegigkeit des asozialen Gedankenexperiments, sondern darin, dass sich kein obskures Sektenblatt der sogenannten Anarchokapitalisten, sondern ausgerechnet das auflagenstarke Münchner Nachrichtenmagazin Focus zum Abdruck des antidemokratischen Machwerks hergegeben hat. Statt die vom ehemaligen Chefredakteur und Herausgeber Helmut Markwort beschworenen Fakten, Fakten, Fakten ist dort heute eine elitäre Märchenstunde für Erwachsene angesagt.
Hoppe, der als Fellow des Ludwig von Mises Instituts in Auburn/Alabama (1) und als Gründer der Property and Freedom Society (2) vor allem in den USA auf professionelle Weise sein Geschäft der demokratiefeindlichen Volksverdummung betreibt, ist in Deutschland übrigens ein gern gesehener Gast der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung. (3) Jetzt weiß man auch, woher die Partei der Besserverdienenden die Inspiration für ihre nicht selten abenteuerlichen Politikvorschläge bezieht.
(1) http://mises.org/
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(2) http://propertyandfreedom.org/
(3) http://www.freiheit.org/Aktuelles-Inland/616c8069i1p/index.html