Wissenschaftliche Dienste des Bundestages warnen vor hybridem Krieg Russlands
Von Nord-Stream-Sprengung bis Rumänien-Wahl: „Deutlicher Anstieg von Zwischenfällen“ / Wissenschaftlicher Dienst beruft sich auf westliche Nachrichtendienste / Propagandaforscher kritisiert Ausblendung hybrider Kriegführung anderer Akteure
(Diese Meldung ist eine Übernahme von multipolar.)
Die „Wissenschaftlichen Dienste“ des Bundestages warnen in einer aktuellen Stellungnahme vor Russlands „hybrider Kriegführung“ gegen westliche Staaten. Demnach habe es seit dem russischen Einmarsch in der Ukraine einen „deutlichen Anstieg von Zwischenfällen“ gegeben, die „nach Auffassung westlicher Nachrichtendienste“ mehrheitlich Russland zur Last gelegt werden. Autor des zweiseitigen Papiers ist der Fregattenkapitän und Diplomingenieur Wolfgang Müller-Seedorf. Er fordert, nun die „erforderlichen Finanzmittel“ für eine „glaubwürdige“ Verteidigung dauerhaft bereitzustellen und wirksame Gegenmaßnahmen zu entwickeln. Die Veröffentlichung fällt zusammen mit Forderungen unter anderem von CDU, SPD und Grünen nach einer deutlichen Steigerung deutscher Militärausgaben.
Der Text beginnt mit der Sprengung der Nord-Stream-Pipelines und führt eine Reihe weiterer „Sabotageakte gegen maritime Infrastruktur“, „Cyberangriffe auf deutsche Ziele“, Anschlagsversuche auf ein Logistikzentrum der DHL und den Vorstandsvorsitzenden von Rheinmetall an. Die Fälle sind einer Auflistung der Universität Leiden entnommen. Dazu gehören auch „massive Desinformationskampagnen“ zur Wahlbeeinflussung – als Beispiel genannt wird Rumänien. Unter Bezug auf Generalinspekteur Carsten Breuer heißt es, die Regierung in Moskau habe „den Krieg gegen den Westen bereits begonnen“. Ziel der russischen hybriden Kriegführung sei es, „in den Bevölkerungen der westlichen Demokratien Unsicherheit und Misstrauen zu schüren“. Die „mutmaßliche Intention dahinter“ sei, nach der Ukraine „auch NATO-Staaten anzugreifen“. Das Innenministerium sei der Auffassung, es müsse „faktenbasiert und transparent“ über die „Absichten des Kreml“ sowie seine „Desinformationskampagnen“ aufgeklärt werden.
Propagandaforscher Dr. Jonas Tögel teilt auf Multipolar-Anfrage mit, zutreffend an der aktuellen Veröffentlichung der Wissenschaftlichen Dienste sei, dass die Regierung in Moskau den „Krieg als Kontinuum“ denke und am Beginn „Konfliktmittel- und methoden“ „unterhalb der Schwelle bewaffneter Gewalt“ anwende. „Was in dieser Analyse jedoch fehlt“, erläutert Tögel, „ist die Tatsache, dass die hybride Kriegsführung spiegelgleich auch in Washington, Berlin, Peking, Paris betrieben wird. Es fehlt daher der Blick auf die eigene psychologische sowie hybride Kriegsführung, beispielsweise die von der NATO betriebene Kognitive Kriegsführung, die ein Teil der hybriden Kriegsführung ist.“
Der Journalist und UNO-Korrespondent Andreas Zumach stellte bei der Friedenskonferenz in München den Russland unterstellten Expansionsdrang in Frage. Die russischen Streitkräfte seien zur Eroberung und Kontrolle der gesamten Ukraine dauerhaft nicht in der Lage. Ebenso sei ein längeres Fortführen der Kriegswirtschaft schwierig. Die „Bedrohungsbehauptung“ diene vor allem dazu „bei uns massiv militärisch aufzurüsten“.
Belege, dass Russland für die Taten verantwortlich ist, werden im Papier der Wissenschaftlichen Dienste nicht aufgeführt. Im Zusammenhang mit der Nord-Stream-Sprengung ermittelt der Generalbundesanwalt gegen ukrainische Tatverdächtige. Der frühere Chef des Bundesnachrichtendienstes August Hanning hatte im August 2024 erklärt, dass die polnische und ukrainische Staatsführung bei dem Anschlag zusammengearbeitet hätten. Die US-Zeitung „Wall Street Journal“ hatte im selben Monat berichtet, das deutsche Stellen vorab über die Sprengung informiert gewesen seien. Nach Recherchen des Investigativjournalisten Seymour Hersh war die Sprengung der Pipelines vom damaligen US-Präsidenten Joe Biden angeordnet und von US-Spezialkräften durchgeführt worden.
Mehrere „Sabotageakte“ maritimer Infrastruktur in der Ostsee werden von Anrainerstaaten inzwischen als Unfälle in Zusammenhang mit chinesischen Schiffen betrachtet. Die Russland angelastete Tik-Tok-Kampagne im rumänischen Präsidentschaftswahlkampf war vom rumänischen Präsidenten in Auftrag gegeben und „mit öffentlichen Geldern finanziert“ worden. Multipolar hatte in einer Analyse hervorgehoben, dass Narrative wie Expansionsdrang und Destabilisierung europäischer Gesellschaften seit Jahrhunderten Teil des westlichen Russlandbildes sind.