Wikileaks steht vor dem Aus

(25.10.2011/dpa)

Aufgrund finanzieller Schwierigkeiten kündigte Wikileaks an, die Veröffentlichung von Dokumenten vorerst einzustellen. In einer Videobotschaft erklärte Wikileaks-Chef Julian Assange den finanziellen Engpass der Enthüllungsplattform und forderte verstärkt zu Spenden auf, um die „finanzielle Blockade“ durch amerikanische Zahlungsdienstleister zu durchbrechen.(1) Wenn sich bis zum Jahreswechsel nichts ändere, werde die Organisation nicht weitermachen können.

„Wir sind gezwungen, vorübergehend unsere Veröffentlichungen einzustellen, während wir unser wirtschaftliches Überleben sichern. Schon fast ein Jahr lang kämpft WikiLeaks gegen ein unrechtmäßiges Finanzembargo. Eine Handvoll US-Finanzkonzerne darf nicht darüber bestimmen können, wie die ganze Welt mit ihrem Geldbeutel abzustimmen hat,“ heißt es auf der Webseite der Organisation, wo die aktuellen Möglichkeiten aufgelistet sind, wie man der Plattform Spenden zukommen lassen kann. (2)

Auf Druck der US-Regierung hatten im Dezember vergangenen Jahres verschiedene Banken und Online-Bezahldienste die Weiterleitung von Spenden an Wikileaks eingestellt. Paypal machte den Anfang, darauf folgten MasterCard, Visa, die Bank of America und Western Union. Laut Assange seien so 95 Prozent der Spendengelder verloren gegangen. Ein Verlust in Millionenhöhe. Wikileaks will gerichtlich gegen die Blockade vorgehen. Der Boykott durch die Finanzdienstleister sei unrechtmäßig und politisch motiviert. Im Jahr 2010 hätten Sympathisanten im Schnitt um die 100.000 Euro pro Monat gespendet, inzwischen seien es nur noch um die 6.000 bis 7.000 Euro, sagte Assange. Dabei koste der laufende Betrieb circa 50.000 Euro wöchentlich. In den vergangenen Monaten habe man nur noch von den Reserven leben können.

Faktisch läuft die Arbeit von Wikileaks allerdings schon seit langem auf Sparflamme. Die Aktivisten veröffentlichten in den vergangenen Monaten ausschließlich geheime Depeschen von US-Diplomaten aus dem Fundus, der ihnen in die Hände gefallen war. Spätestens nachdem die gesamte unverschlüsselte Datei mit der Korrespondenz in Umlauf gekommen war, erübrigten sich weitere Publikationen dieser Art. Assange sitzt seit Monaten unter Aufsicht in Großbritannien fest, während über seine Auslieferung nach Schweden entschieden wird. Dort wird ihm sexueller Missbrauch vorgeworfen.

Assange bestreitet die Vorwürfe der schwedischen Justizbehörden und sieht darin eine Kampagne der US-Regierung, um ihn mundtot zu machen. Er wurde auch zur Zielscheibe einer Verleumdungskampagne, in der ihm antisemitische Äußerungen vorgeworfen wurden, welche aber nicht belegt und von ihm abgestritten worden sind.(3)

In seiner jüngsten Videoansprache wies Assange darauf hin, dass durch die Veröffentlichung brisanter Materialien, wie z.B. über den Einsatz von Todesschwadronen gegen Widerständler in Afghanistan, die Enthüllungsplattform zur Zielscheibe militärischer und geheimdienstlicher Organisationen geworden sei.

Neben finanzieller Austrocknung macht die US-Regierung auch durch das Mittel der Abschreckung der Plattform das Leben schwer. Der 23-jährige US-Soldat Bradley Manning sitzt seit eineinhalb Jahren im Gefängnis und steht im Verdacht, Dokumente an Wikileaks weitergegeben zu haben. Darunter das Video „Collateral Murder“, welches den willkürlichen Mord an mehreren Menschen in Bagdad durch die Besatzung eines Apache-Kampfhubschraubers zeigt.(4) Nachdem er in Kuwait inhaftiert wurde, wurde Manning im Juli 2010 in ein Gefängnis auf einer Basis der Marine Corps gesteckt. Dort saß er bis zu seiner Verlegung im April 2011 in strikter Isolationshaft und hatte auch keinen Zugang zu aktuellen Informationen. Als zusätzliche Schikane musste er nackt vor der Zelle antreten.  Manning droht eine jahrzehntelange Haftstrafe. Von seinem Schicksal dürften sich viele „Whistleblower“ abgeschreckt fühlen – worin auch der Zweck seiner laut Amnesty International „unmenschlichen Behandlung“ liegen dürfte. (5)

Anmerkungen

(1) www.youtube.com/watch?v=kbOibFK2ZpU&

(2) http://wikileaks.org/

(3) Siehe: http://www.hintergrund.de/201103021416/hintergrund/medien/inszenierter-antisemitismus-skandal-julian-assange-in-der-zange-der-boulevardmedien.html

(4) http://www.collateralmurder.com/

(5) http://www.amnesty.de/2011/1/24/usa-unmenschliche-haftbedingungen-fuer-bradley-manning

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