Wegen Fukushima: Misstrauensvotum gegen Japans Premier Naoto Kan
(01.06.2011/dpa)
Japans Ministerpräsident Naoto Kan muss sich nach der Atomkatastrophe in Fukushima einem Misstrauensvotum stellen. Die größte Oppositionspartei, die Liberaldemokratische Partei (LDP), sowie die zwei kleineren Oppositionsparteien Komeito und Tachiagare Nippon reichten das Misstrauensvotum am Mittwoch im Unterhaus des Parlaments ein.
Zur Abstimmung dürfte es nach japanischen Medienberichten noch an diesem Donnerstag kommen. Es wird spekuliert, dass auch Abgeordnete aus Kans eigener Demokratischer Partei (DPJ) für den Oppositionsantrag stimmen könnten. Laut Medienberichten sind rund 40 Anhänger von Kans größtem innerparteilichen Widersacher Ichiro Ozawa dazu bereit. Das würde zwar nicht ausreichen, könnte jedoch zum Bruch in der DPJ führen. Sollten dagegen 80 Abweichler aus den eigenen Reihen mit der Opposition stimmen, könnte Kan seinen erst vor rund einem Jahr angetretenen Posten des Ministerpräsidenten verlieren.
Denn sollte das Misstrauensvotum Erfolg haben, müsste Kan das Parlament auflösen und Neuwahlen ansetzen oder mit seinem Kabinett zurücktreten, was er bisher abgelehnt hat.
Momentan hat die von ihm geführte DPJ die Mehrheit der 480 Sitze im maßgeblichen Unterhaus des Parlaments.
Unterdessen hat die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) verlauten lassen, dass Japan die Tsunami-Gefahr für das Küstengebiet am Atomkraftwerk Fukushima unterschätzt habe. Das geht aus dem Entwurf eines Berichts der IAEA zur Atomkrise hervor, den ein IAEA-Team am Mittwoch der japanischen Regierung in Tokio überreichte. Der 14 Meter hohe Tsunami nach dem Erdbeben vom 11. März sei ganz offensichtlich die direkte Ursache für die Katastrophe im AKW Fukushima, erklärte der Chef des IAEA-Teams, Michael Weightman. Sein 18-köpfiges Expertenteam hatte rund eine Woche in Japan die schlimmste Atomkatastrophe seit Tschernobyl untersucht.
Die IAEA mahnte außerdem die Unabhängigkeit der Atomaufsicht an. Japans Atomaufsichtsbehörde untersteht dem Industrieministerium, das sich für Atomenergie stark macht. Das nukleare Regulierungssystem müsse strukturell unabhängig sein, schreibt die IAEA.
Der Abschlussbericht des Experten-Teams soll bei der Ministerkonferenz zur Atomsicherheit am IAEA-Sitz in Wien vom 20. bis 24. Juni vorgelegt werden.
Scharfe Kritik an dem vorläufigen Bericht der IAEA übte wiederum Greenpeace: „Dass die IAEA Kommission jetzt behauptet, der Tsunami sei an der Atomreaktorkatastrophe von Fukushima schuld, ist lange widerlegt und hat nur einen Grund: die wahren Ursachen, wie schlampige Wartung, unzulänglichen Katastrophenschutz und die fehlende Erdbebensicherheit der Atommeiler zu verschleiern“, sagte Greenpeace-Atomexperte Christoph von Lieven. Keines der weltweiten Atomkraftwerke sei für ein Erdbeben der Stärke 9 ausgelegt.
Zumindest in seismisch aktiven Gebieten müsse dies das sofortige Aus für Atomkraftwerke bedeuten. „Die IAEA macht sich mit ihrem Statement nicht nur unglaubwürdig, sondern zeigt, dass sie ungeeignet und nicht gewillt ist, die Sicherheit von AKWs realistisch zu beurteilen“, sagt von Lieven.
In Folge des Megabebens und Jahrhundert-Tsunamis wurden die Reaktoren des AKW in Fukushima schwer beschädigt. Seither tritt noch immer radioaktive Strahlung aus der Atomruine aus. Wann die Anlage unter Kontrolle gebracht werden kann, ist derzeit noch nicht absehbar. Ein immer größeres Problem für die Arbeiter stellen die enormen Wassermengen dar, mit denen die Reaktoren gekühlt werden. Die Arbeiter wissen kaum mehr, wohin mit der verstrahlten Brühe. Und das zum Beginn der Regenzeit.