Völkermord-Gedenken: Herero fordern Entschädigung von Deutschland
(05.10.2015/dpa)
Hunderte Frauen und Männer vom Stamm der Herero reisten am Wochenende aus allen Landesteilen Namibias an, um des Völkermords an ihren Vorfahren zu gedenken. Vor 111 Jahren, am 2. Oktober 1904, gab der damalige Generalleutnant Lothar von Trotha hier in Ozumbo Zovindimba am Rande der Omaheke-Wüste den Befehl, alle Herero zu töten.
Die Deutschen Soldaten machten die Sache gründlich. Experten gehen davon aus, dass rund 65 000 von 80 000 Herero und mindestens 10 000 von 20 000 Menschen vom Volk der Nama getötet wurden. Die kaiserliche „Schutztruppe“ trieb die Herero in die Omaheke-Wüste nordöstlich der Hauptstadt Windhuk, schnitt die Fluchtwege ab und ließ Zehntausende verdursten. Historiker sehen darin den ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts.
Das Stammesoberhaupt der Herero, Paramount Chief Vekuii Rukoro, kniet vor einem Massengrab nieder. Es ist ein Moment der Stille für die Opfer. Dann folgt seine Ansprache. „Wir fordern von Deutschland eine Entschuldigung von höchster Stelle“», sagt Rukoro. „Wir fordern auch Wiedergutmachung für den Schaden, der unserem Volk zugefügt wurde.“ Umringt von örtlichen Stammesführern, warnt er, die Geduld seines Volkes sei aufgebraucht.
Die Herero starteten eine internationale Kampagne gegen Deutschland, um bei den Vereinten Nationen, der Afrikanischen Union und anderen Foren Druck zu machen.
Jahrzehntelang vermied es die Bundesregierung, das Schicksal der Herero als „Völkermord“ zu bezeichnen, wohl vor allem aus Angst vor möglichen Reparationsforderungen. Erst in diesem Sommer rang sich das Auswärtige Amt zu einer neuen Haltung durch: „Der Vernichtungskrieg in Namibia von 1904 bis 1908 war ein Kriegsverbrechen und Völkermord“, heißt es nunmehr. Seit längerem schon gibt es Verhandlungen mit der namibischen Regierung, um eine Lösung zur Aufarbeitung der brutalen deutschen Kolonialherrschaft zu finden. Doch selbst wenn sich Windhuk und Berlin in den kommenden Monaten einigen sollten, werden die Herero nicht zufrieden sein.
„Es kann nicht ohne uns über uns verhandelt werden“, sagt Mike Nguvenjengua. Der Konflikt könne nur beigelegt werden, wenn die Herero als dritte Partei mit am Verhandlungstisch säßen. Der 40-Jährige hat einen besonderen Blick auf die komplizierte deutsch-namibische Vergangenheit: Seine Urgroßmutter gebar das Kind eines deutschen Soldaten, die Familie geht von einer Vergewaltigung aus. Wegen des deutschen Blutes in seiner Familie habe er auch eine etwas hellere Hautfarbe, sagt Nguvenjengua.
„Die Menschen unseres Volkes wurden vergewaltigt, eingesperrt und getötet. Deutschland muss sich jetzt zu seiner Verantwortung bekennen“, fordert Nguvenjengua. Es gehe nicht um Zahlungen an Einzelpersonen, betont er. „Was wir wollen für unser Volk, sind eine bessere Infrastruktur, bessere Bildung und höhere Lebensstandards.“
Die Bundesregierung vertritt den Standpunkt, dass sie nur mit der namibischen Regierung und nicht direkt mit einer Volksgruppe verhandeln kann. Die Herero misstrauen jedoch der Regierung in Windhuk, da sie von der rivalisierenden Volksgruppe der Ovambo dominiert wird. Stammesoberhaupt Rukoro argumentiert, Deutschland habe zur Entschädigung der Holocaust-Opfer auch mit der nicht-staatlichen Jewish Claims Conference Zahlungen ausgehandelt. Rukoro will keine genaue finanzielle Forderung nennen. All dies müsse in direkten Gesprächen mit dem Auswärtigen Amt geklärt werden.
Es gibt heute schätzungsweise etwa 300 000 Herero und Nama in Namibia. Deutschlands koloniale Herrschaft im damaligen Deutsch-Südwestafrika währte rund drei Jahrzehnte, bis 1915. Die dort im Namen des Kaiserreichs verübten Gräueltaten gerieten vor allem nach den Schrecken des Holocausts und des Zweiten Weltkriegs in Deutschland in Vergessenheit. Doch für die Herero gibt es kein Vergessen. „Für uns bleibt es immer schmerzhaft. Selbst wenn es Reparationen geben sollte“, sagte eine Vertreterin der Volksgruppe. „Menschenleben kann man nicht mit Geld aufwiegen.“