Viel Staat für die „Eiserne Lady“ – Großes Begräbnis für Thatcher
(16.04.2013/dpa)
Eine Geschützlafette mit dem Union-Jack-Banner, 700 Soldaten in Gardeuniform, Salutschüsse im Tower of London, der Big Ben wird schweigen – Margaret Thatcher wird an diesem Mittwoch eine Trauerfeier erhalten, die einem Staatsbegräbnis sehr nahe kommt, aber offiziell keines sein darf. Nicht seit Winston Churchill 1965 zu Grabe getragen wurde, ist für einen Premierminister bei seinem Ableben so viel Staat gemacht worden wie ausgerechnet für den Privatisierungsfan Margaret Thatcher.
Nicht bei Clement Attlee, der nach dem Krieg das britische Sozialsystem aufbaute, nicht bei Harold Wilson, der die Todesstrafe abschaffte und auch nicht für Edward Heath, der Anfang der 1970er-Jahre den Weg Großbritanniens nach Europa geebnet hatte. Warum also für die Reizfigur Margaret Thatcher, die in ihrer eigenen Heimat von manchen als Hexe verspottet wird, die nun die Hölle privatisiere und dort Brennöfen schließen lasse?
Das politische Erbe der „Eisernen Lady“ ist in Großbritannien und weltweit heftig umstritten. Elfeinhalb Jahre lang hatte sie mit ihrer Kopf-durch-die-Wand-Politik die Nation gespalten – nachhaltig. Der rechte Flügel ihrer Konservativen Partei huldigt Thatcher noch heute, sie habe mit ihrem „Big Bang“ die Wirtschaftskrise der 1970er Jahre bewältigt. Führungsstärke und ihr Kampf gegen den Sozialismus kommen noch heute vor allem in den USA besonders gut an.
„Sie hat Großbritannien nicht nur geführt, sondern gerettet“, sagte ihr Amtsnachfolger David Cameron nach dem Tod Thatchers. Die Opposition unterstellt ihm, mit der groß angelegten Trauerfeier Thatchers Prominenz für die eigene Politik ausnutzen zu wollen.
Für ihre Kritiker sind die Folgen der Hau-Ruck-Methode, mit der die vermeintliche Heilsbringerin praktisch auf einen Schlag eine Viertelmillion Bergleute an die Luft setzte, Ausdruck schwerer politischer Fehler. Während Thatcher auf Konfrontation setzte und monatelange Streiks provozierte, handelte etwa in Schweden der Staat Kompromisse mit den Gewerkschaften aus. Während Großbritannien seine Bergleute auf die Straße setzte, wurde im Ruhrgebiet Strukturpolitik betrieben.
Doch Thatcher wollte den Bergleuten, die den kämpferischsten und klassenbewusstesten Teil der britischen Arbeiterschaft darstellten, exemplarisch das (politische) Genick brechen. Auch um den Preis, das Land einem Prozess der De-Industrialisierung auszusetzen. Wo es keine Industrie gibt, kann es auch keine organisierte und aufmüpfige Industriearbeiterschaft geben, so das dahinter stehende Kalkül.
Laut dem britischen Professor Andrew Jackson, der an der Universität York unter anderem über soziale Gerechtigkeit forscht, habe Thatcher die Ausrichtung der britischen Wirtschaft auf Finanzdienstleistungen forciert und die industrielle Basis veröden lassen. „Heute ist klar: Der Thatcherismus hat keine belastbare Lösung dafür gebracht, wie man nachhaltig Wachstum generiert“, schrieb Jackson am Dienstag in einem Gastbeitrag für die zweitgrößte kanadische Zeitung Globe and Mail.
„Der Thatcherismus hat nichts dafür getan, die Einkommen der großen Bevölkerungsmehrheit zu erhöhen“, schrieb Jackson weiter. „Ihr Erbe ist eines der erhöhten Ungleichheit, der wirtschaftlichen Stagnation und der Instabilität.“