Kritik an Demokratieverständnis

US-Vizepräsident: „Wenn Sie Angst vor Ihren eigenen Wählern haben, kann Amerika nichts für Sie tun“

Münchner Sicherheitskonferenz: J.D. Vance kritisiert europäische Politiker / Größte Bedrohung für Europa sei selbst gewählter „Rückzug“ von der Meinungsfreiheit / Deutsche Politiker und Medien reagieren empört

(Diese Meldung ist eine Übernahme von multipolar.)

US-Vizepräsident James Donald Vance hat mit seinem ersten großen internationalen Auftritt ein weiteres Beispiel für den umfassenden Politikwechsel der neuen US-Staatsführung unter Donald Trump geliefert. Bei seiner Rede am 14. Februar auf der Münchner Sicherheitskonferenz kritisierte Vance vor hochrangigen politischen und militärischen Vertretern das Demokratieverständnis in Europa. Ihm bereite weder Russland noch China oder ein anderer externer Akteur Sorgen, sondern „die Bedrohung von innen, der Rückzug Europas von einigen seiner grundlegendsten Werte“. Die Einschränkungen des Wählerwillens und der Meinungsfreiheit in Form von Wahlannullierungen oder Abschaltung sozialer Medien bei zivilen Unruhen verglich er mit Methoden der Sowjet-Ära. „Ich fürchte, dass die Meinungsfreiheit in Großbritannien und ganz Europa auf dem Rückzug ist.“

Als wichtigstes Beispiel nannte Vance die Ungültigkeitserklärung der ersten Wahlrunde der Präsidentschaftswahl in Rumänien sowie die Ankündigung des ehemaligen EU-Kommissars Thierry Breton, Ähnliches gegebenenfalls in Deutschland zu wiederholen. Diese „unbekümmerten Äußerungen“ seien „für amerikanische Ohren schockierend“. Es sei durchaus legitim, die russische Beeinflussung europäischer Wahlen „sogar auf der Weltbühne“ zu verurteilen. Doch wenn eine Demokratie mit „ein paar hunderttausend Dollar für digitale Werbung aus dem Ausland“ zerstört werden könne, dann sei diese „von Beginn an nicht sehr stark“ gewesen. Wahlen zu verhindern oder Menschen aus dem politischen Prozess auszuschließen, sei hingegen „der sicherste Weg, die Demokratie zu zerstören“. Demokratie beruhe auf „dem heiligen Grundsatz“, dass die Stimme des Volkes zählt. Da sei „kein Platz für Brandmauern“.

Mit Blick auf Deutschland sagte der US-Vizepräsident, eine Meinungsäußerung sei keine Wahlbeeinflussung, selbst dann nicht, wenn sie von sehr einflussreichen Menschen aus dem Ausland käme. Wenn die US-amerikanische Demokratie „zehn Jahre Greta Thunberg-Schelte“ überleben könne, dann könne Deutschland auch „ein paar Monate Elon Musk“ überleben. Zudem kritisierte er die Organisatoren der Konferenz, Abgeordneten, die „populistische Parteien sowohl von links als auch von rechts“ vertreten, die Teilnahme untersagt zu haben. Er spielte dabei auf den Ausschluss von AfD und BSW an. Wenn politische Führer eine wichtige Wählerschaft repräsentierten, dann sei es „unsere Pflicht, zumindest am Dialog mit ihnen teilzunehmen“. Der US-Vizepräsident traf sich abseits der Konferenz unter anderem mit der AfD-Co-Vorsitzenden Alice Weidel.

Als weitere Beispiele für die Einschränkung der Meinungsfreiheit in Europa nannte Vance die Verurteilung eines Koranverbrenners in Schweden, Hausdurchsuchungen bei deutschen Bürgern, die antifeministische Kommentare ins Netz gestellt hatten, sowie die Bestrafung eines Briten, der vor einer Abtreibungsklinik still für sein Jahre zuvor abgetriebenes Kind gebetet hatte. Auch die Einflussnahme der US-Regierung unter Joe Biden auf soziale Medien, die „offensichtliche Wahrheit“ der Herkunft des Coronavirus aus einem Labor in China zu unterdrücken, kritisierte er. Vance betont, dass es die Demokratie stärke, „wenn wir unseren Bürgern erlauben, ihre Meinung zu sagen“. Politiker dürften keine Angst vor den Stimmen aus der eigenen Bevölkerung haben. Demokratische Mandate ließen sich nicht gewinnen, „indem man seine Gegner zensiert oder ins Gefängnis steckt“.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kritisierte nach der Rede einen „Eingriff“ des US-Vizepräsidenten in die „demokratische Meinungsbildung“ Deutschlands zugunsten der AfD. Das „gehöre“ sich nicht unter Verbündeten. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) bezeichnete in seiner eigenen Rede auf der Konferenz die Äußerungen von Vance als „nicht akzeptabel“. Er sagte, Vertreter der Bundesregierung würden auf Pressekonferenzen sogar Medien, „die russische Propaganda verbreiten“, Rede und Antwort stehen. Außenministerin Baerbock (Grüne) erklärte, Vance hätte sich im direkten Gespräch mit ihr anders geäußert als in seiner öffentlichen Rede.

Der Kanzlerkandidat der Union Friedrich Merz wertete die Äußerungen von Vance als einen „übergriffigen Umgang mit den Europäern, insbesondere mit uns Deutschen“. Die EU-Abgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) machte nach der Rede einen „Riss in der transatlantischen Beziehung“ aus. Die liberale Welt sei „auf das Äußerste bedroht“, meinte sie. Die Tagesschau behauptete, der US-Vizepräsident habe seine Kritik am europäischen Demokratieverständnis mit „fragwürdigen Beispielen“ belegt.

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