Ukraine-Krieg

US-Plan für Rohstoffabkommen mit Ukraine: EU „großer Verlierer“

Washington will umfangreiche Kontrolle und Vorrechte / USA könnte sich Zugang zur EU-Freihandelszone verschaffen / Russland durch wirtschaftliche Präsenz der USA „eingehegt“

(Diese Meldung ist eine Übernahme von Multipolar)

Die USA haben einen neuen Entwurf für ein Rohstoffabkommen mit der Ukraine vorgelegt. Das berichtete unter anderem die „Financial Times“ Ende März. Der Entwurf schließe alle Bodenschätze, einschließlich Öl und Gas sowie die wichtigsten Energieanlagen im gesamten ukrainischen Staatsgebiet ein. Auch die „Berliner Zeitung“ berichtete unter Berufung auf die „Kyiv Post“, der neue Entwurf habe „viel gravierendere Konsequenzen“ als die vorherige Vertragsversion. So sollen nicht mehr nur 50 Prozent der Einnahmen aus den ukrainischen Öl-, Gas- und Mineralressourcen plus der zugehörigen Infrastruktur an die USA gehen. Vielmehr stünden nun nun auch „neue, zusätzliche Rohstoffe und alle Einnahmen aus dem öffentlichen und privaten Sektor“ zur Disposition.

Die „New York Times“ (NYT) erläuterte die im Entwurf vorgesehene Einrichtung eines Fonds näher. Dieser solle von der US-Regierungsbehörde „International Development Finance Corporation“ kontrolliert werden, indem sie drei Vorstandsmitglieder ernennt, die Ukraine nur zwei. Dadurch würde Washington das volle Vetorecht über den Fonds erhalten. Die Gewinne aus dem Fonds würden in ukrainische Rohstoffprojekte reinvestiert. Aber zuvor würde Washington alle Gewinne beanspruchen, bis Kiew mindestens den Gegenwert der während des Krieges erhaltenen US-Hilfe zuzüglich vier Prozent Jahreszins zurückgezahlt habe. Die USA würden laut „NYT“ auch ein „Erstkaufrecht“ für neue Projekte und das Recht auf ein Veto gegen den Verkauf ukrainischer Ressourcen an Drittländer behalten. Im ersten Jahr des Abkommens wäre es der Ukraine demnach untersagt, Dritten Investitionsprojekte mit besseren finanziellen oder wirtschaftlichen Bedingungen anzubieten als den USA.

Für die „Berliner Zeitung“ wäre die EU „der große Verlierer“, wenn das Rohstoffabkommen in dieser Form umgesetzt würde. Denn im Falle eines EU-Beitritts wäre die Ukraine ein Transferempfänger der EU, gleichzeitig wären seine wichtigsten Industrien infolge des Rohstoffabkommens „in den Händen der US-Finanzindustrie“. Die US-Unternehmen hätten über die Ukraine praktisch einen Zugang „durch die Hintertür“ zur EU-Freihandelszone. Eine Verschärfung des Wettbewerbs für europäische Unternehmen wäre absehbar, die Folgen für die Innovationsfähigkeit, den Arbeitsmarkt und die Sozialsysteme „im ‚Alten Europa‘ gravierend“. Doch auch ein Verzicht auf einen EU-Beitritt der Ukraine sei für die EU wenig vorteilhaft. Die USA könnten dann mit der Ukraine „einen wie immer gearteten Freihandelsvertrag schließen“. Denkbar seien auch Versuche der USA, Ungarn, die Slowakei oder Polen aus der bestehenden EU abzuspalten und „eine Art Gegen-EU“ zu schaffen.

Die ukrainische Zeitung „The Kyiv Independent“ zitierte am 2. April den ehemaligen ukrainischen Premierminister Arsenij Jazenjuk, der den neuen Entwurf als „Falle“ bezeichnete. Ein solches Abkommen würde die Aussichten der Ukraine erschweren, Mitglied der EU zu werden. Ein 2021 zwischen Kiew und Brüssel vereinbartes Memorandum sichere der EU den Zugang zu den ukrainischen Rohstoffen. Mit diesem würde das aus Washington vorgeschlagene Abkommen kollidieren, schreibt die Zeitung. Wenn US-Unternehmen bevorzugt würden, widerspreche das den Verpflichtungen als EU-Beitrittskandidat, wird die Ökonomin Olga Pindjuk zitiert.

Aus Sicht der „Berliner Zeitung“ ist das Abkommen auch für Russland heikel. Der aktuelle Entwurf verunmögliche Russlands Rückkehr auf den europäischen Markt. Es sei daher „im Interesse der Amerikaner, dass die EU die Sanktionen gegen Russland beibehält und, wenn möglich, sogar verschärft.“ Die USA würden durch das Beharren der EU auf den Sanktionen schlussendlich Zeit gewinnen, um ein Abkommen mit der Ukraine zu schließen: „Je länger die Sanktionen die Russen von wirtschaftlichen Aktivitäten in der Ukraine fernhalten, umso besser“, heißt es im Beitrag. Möglicherweise seien die USA auch gar nicht ernsthaft an Verhandlungen mit Russland interessiert, sondern würden zunächst nur sicherstellen wollen, dass Russland die ukrainische Energieinfrastruktur „nicht weiter in Schutt und Asche“ lege – denn das sollten „künftig US-Assets sein.“ Zudem sei es wahrscheinlich, dass eine Einhegung Russlands mit einer starken wirtschaftlichen Präsenz der USA in der Ukraine schlussendlich besser gelänge als mit der Präsenz von Nato-Truppen.

Die Reaktionen auf den neuen Vorschlag für ein Rohstoffabkommen fallen teils äußerst kritisch aus. Laut „NYT“ erklärte der ukrainische Wirtschaftswissenschaftler Roman Sheremata, der Plan mache „die Ukraine praktisch zu einer US-amerikanischen Kolonie“. Ein ukrainischer Regierungsbeamter habe laut „Financial Times“ von „Raub“ gesprochen. Die „Berliner Zeitung“ nannte die Pläne „teuflisch“, Donald Trump wolle „die Ukraine kaufen“.

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