US-Medien nach Trump-Wahl: Ukraine-Konflikt ist „Stellvertreterkrieg“
New York Times: USA opfern ukrainische Menschenleben, um Putin zu schwächen / Politico: Krieg ist für Westen „nicht zu gewinnen“ – Unterstützungsversprechen an Ukraine „töricht“ / Economist: Selenski in der Ukraine umstritten
(Diese Meldung ist eine Übernahme von multipolar.)
Nach der Wahl Donald Trumps zum neuen US-Präsidenten beziehen Leitmedien in den Vereinigten Staaten vermehrt kritisch Stellung zu bisher vorherrschenden Ansichten über den Krieg in der Ukraine. Es handele sich dabei um einen „Stellvertreterkrieg“, heißt es in einem Meinungsbeitrag der New York Times. (17. November) Die Regierung von Präsident Joe Biden unterstütze die Kiewer Regierung demnach mit Waffen und Geld, da es eine Möglichkeit sei, Russland zu schwächen, ohne es direkt anzugreifen. Aussagen von Verteidigungsminister Lloyd Austin legen nahe, dass die USA „den ukrainischen Patriotismus als Waffe einsetzen und ukrainische Menschenleben opfern“, um Wladimir Putins „Durchhaltevermögen“ zu schwächen, erklärt die Kolumnistin Megan K. Stack.
Die Autorin, die früher das Korrespondentenbüro der Los Angeles Times in Moskau leitete, schreibt weiter: Sowohl Russland als auch die USA hätten jahrzehntelang „auf Kosten der einfachen Ukrainer“ die innere Spaltung des Landes ausgenutzt, um den eigenen Einfluss auszuweiten. So habe die US-Regierung unter George W. Bush im Jahr 2004 die „Orange Revolution“ unterstützt, indem sie pro-westliche Gruppierungen in der Ukraine mit Geld und Schulungen „überhäufte“. Diplomaten und Spione der Vereinigten Staaten hätten – wie die Autorin nahelegt – zudem jahrelang interessierte Politiker der Ukraine bezahlt, um pro-westliche Politik voranzutreiben. Dabei hätten US-Regierungen der Ukraine immer mehr versprochen, als sie zu leisten bereit waren.
Auch nun unterstütze Washington den Krieg nur in einem Maße, „um ihn aufrechtzuerhalten, aber nie genug, um ihn zu gewinnen“, kritisiert Stack. Die Vereinigten Staaten wollten die Ukraine einerseits als „Protektorat“, seien andererseits jedoch nicht bereit, das Land zu schützen. Wenn die USA den Krieg wirklich gewinnen wollten, würden sie eigene Truppen entsenden und die Beschränkungen für Waffen aufheben. Doch niemand, „der bei klarem Verstand ist“ wolle das Risiko eingehen, einen direkten Krieg zwischen den Atommächten Russland und USA auszulösen, betont Stack. Deshalb sollte Donald Trump Druck auf Kiew ausüben, zu einem Friedensabkommen mit Moskau zu gelangen, auch wenn die Ukraine dann Gebiete an Russland abtreten müsse.
Die US-Tageszeitung „Politico“ erklärt in einem Artikel (15. November), der Krieg in der Ukraine sei für den Westen „nicht zu gewinnen“. Das Versprechen westlicher Politiker, die Ukraine in ihrem Kampf gegen Russland so lange zu unterstützen, bis sie wieder ihr gesamtes Staatsgebiet kontrolliert, sei „töricht“ gewesen. Nach Trumps Wahlsieg und seiner Ankündigung, den Krieg schnell zu beenden, seien nun viele westliche Politiker und sogar der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski „erleichtert“, dass Trump sie aus dieser unlösbaren Situation befreien werde. US-Falken, europäische Politiker und die ukrainische Staatsführung hätten dann ein „Alibi“ und könnten sämtliche Schuld Donald Trump zuweisen. Die Ukraine werde den Donbass verlieren, die Krim nicht zurückbekommen und ihren Verzicht auf eine mögliche Nato-Mitgliedschaft erklären müssen – nur so werde ein Friedensvertrag zustande kommen, betont die Politico-Autorin.
Kamala Harris hätte als US-Präsidentin die Politik ihres Vorgängers Biden fortgesetzt und die Ukraine damit in einen „langsamen Tod“ getrieben, heißt es weiter in dem Artikel. Trump hingegen werde bei einem zügigen Friedensschluss einen „Deal“ herausholen, der für die Ukraine im Vergleich dazu vorteilhaft sei, zitiert Politico einen republikanischen Außenpolitikexperten. In Kiew wisse man dies auch. Trump werde keinen ukrainischen Zusammenbruch zulassen, da der russische Präsident Wladimir Putin dann bei Verhandlungen die Bedingungen diktieren könne.
Die britische Tageszeitung „The Economist“ erklärt (12. November) in einem Artikel (archivierte Version), dass Wolodimir Selenski unter anderem aufgrund der hohen ukrainischen Opferzahlen unter starkem politischen Druck in der Ukraine stehe. Der Präsident sei inzwischen „nicht mehr unumstritten“, räumt das Londoner Blatt ein. Gegenüber dem früheren Armeechef Waleri Saluschni würde Selenski bei einer Stichwahl „schlecht abschneiden“. Ein „Machtkampf“ stehe bevor. Selenskis politische Gegner sagen, der Zeitung zufolge, die Ukraine brauche Wahlen. Doch sie trauten sich noch nicht, dies öffentlich auszusprechen. Mit der Amtseinführung Donald Trumps Ende Januar könnte bereits das Kriegsrecht in der Ukraine aufgehoben sowie Präsidentschaftswahlen für den 25. Mai vorbereitet werden.