Urteil gegen Bradley Manning stößt auf Kritik
(22.08.2013/dpa)
Der US-Soldat Bradley Manning ist gestern für die Weitergabe vertraulicher Dokumente an Wikileaks zu 35 Jahren Haft verurteilt worden. Mannings Anwalt David Coombs will nun bei US-Präsident Obama erreichen, dass sein Mandant nicht dreieinhalb Jahrzehnte hinter Gittern sitzen muss. „Jetzt ist die Zeit, um Mannings Leid zu beenden“, sagte Coombs. Das Weiße Haus reagierte kühl: Das Gesuch werde wie alle anderen auch geprüft, kündigte ein Sprecher an.
Manning selbst hatte auf die Verkündung der Haftstrafe gefasst reagiert. „Ich werde das schaffen“, habe er gesagt, berichtete sein Anwalt. Unterstützer von Manning forderten ebenfalls ein Gnadengesuch. Sie reichten eine Petition auf der Webseite des Weißen Hauses ein, die zunächst lediglich 6.800 Unterstützer fand.
Manning hatte als Geheimdienst-Analyst des US-Heeres im Irak tausende Geheimdokumente an die Enthüllungsplattform Wikileaks weitergegeben. Darunter auch ein Video, das einen Hubschrauberangriff auf Zivilisten zeigt. Zusätzlich zu seiner Haftstrafe wurde der 25-Jährige unehrenhaft aus der Armee entlassen und rückwirkend im Rang degradiert, wie das US-Militärgericht in Fort Meade bei Washington gestern bekanntgab. Auch seine Pensionsansprüche verliert er. Die Anklage hatte mindestens 60 Jahre Gefängnis und 100.000 Dollar (75.000 Euro) Geldstrafe gefordert, die Verteidiger hingegen nicht mehr als 25 Jahre. Bei guter Führung kann Manning im besten Fall nach weniger als zehn Jahren freikommen.
Richterin Denise Lind hatte Manning Ende Juli unter anderem wegen Geheimnisverrats, Spionage, Computerbetrugs und Diebstahls für schuldig befunden. Im schwerwiegendsten Punkt „Unterstützung des Feindes“ (aiding the enemy) sprach sie ihn hingegen frei. Dreieinhalb Jahre werden von der nun verhängten Strafe abgezogen, weil Manning seit Mai 2010 in Haft sitzt und Lind ihm 112 Tage wegen schlechter Behandlung während dieser Zeit erlassen hatte.
In einer von seinem Anwalt Coombs verlesenen Mitteilung sagte Manning, er habe damals „aus Sorge um mein Land“ gehandelt. Nachdem er die geheimen Kriegsberichte aus Afghanistan und dem Irak gelesen habe „fing ich an, an der Moral unserer Taten zu zweifeln“, sagte er. Statt die Verantwortung für die Tötung unschuldiger Zivilisten zu übernehmen, hätten sich die USA hinter der nationalen Sicherheit versteckt. „Wir haben unsere Menschlichkeit vergessen.“
Wikileaks-Chef Julian Assange bezeichnete das Urteil als „wichtigen taktischen Sieg“ für die Verteidigung. Dennoch sei der Prozess ein „Angriff auf das grundlegende Konzept westlicher Justiz“ gewesen, sagte Assange nach einer Mitteilung der Wikileaks-Website. Der Versuch der USA, den Fall zur Abschreckung zu nutzen, sei „spektakulär fehlgeschlagen“.
Die Organisation Reporter ohne Grenzen kritisierte das Strafmaß als unverhältnismäßig. „Das Urteil gegen Bradley Manning ist ein weiterer Beleg, dass die USA endlich ein Gesetz zum Informantenschutz brauchen“, sagte Vorstandssprecher Michael Rediske. Das Verfahren in Fort Meade war der erste große Prozess gegen einen sogenannten Whistleblower in den USA und gilt als Präzedenzfall für weitere bekannte Enthüller.
Vgl. dazu: Keine Gnade für Whistleblower