Russisches Gas

Ukraine beendet Gastransit nach Europa

Druschba-Pipeline war vorletzte noch genutzte Gasverbindung zwischen Russland und EU / Deutliche Gaspreissteigerungen in Österreich und Slowakei / Transnistrien von Gasversorgung abgeschnitten

(Diese Meldung ist eine Übernahme von multipolar.)

Die ukrainische Regierung hat den Ende 2024 ausgelaufenen Vertrag über die Durchleitung russischer Gasexporte nach Europa nicht verlängert. Dies teilte der russische Konzern Gazprom am Neujahrstag mit. Damit wurde am 1. Januar 2025 nach „Jamal“ und „Nord Stream“ auch die vorletzte große Ost-West-Pipeline namens „Druschba“ (Freundschaft), die russisches Gas nach Westeuropa transportiert, stillgelegt. Übrig bleibt nur noch der Balkan-Zweig der „Turkstream“-Pipeline, die „Balkan Stream“, erklärte der ungarische Auslandsjournalist Gábor Stier in einem Beitrag für die „Nachdenkseiten“. „Turkstream“ umgeht die Ukraine und führt von Russland über das Schwarze Meer, die Türkei, Bulgarien und Serbien nach Ungarn.

Der Anteil der russischen Gas-Exporte, die vor Februar 2022 fast 40 Prozent der europäischen Importe ausmachten, sei bis 2023 mittlerweile auf unter zehn Prozent gesunken, erläutert Stier. Derzeit transportiert laut Angaben des ungarischen Wirtschaftsforschungsinstituts „Makronóm Intézet“ die Ukraine noch russisches Öl über die „Druschba“-Pipeline durch ihr Gebiet nach Europa. Der derzeitige Vertrag sei bis Ende 2029 gültig. Besonders betroffen von Kiews Entscheidung sind laut Stier die mitteleuropäischen Länder ohne Küsten, für die Flüssigerdgas (LNG) eine teure Alternative darstellt. Trotz der Bemühungen der betroffenen Staaten um eine Diversifizierung ihrer Bezugsquellen seien die Hauptbezugsquellen für LNG weiterhin die USA und Russland.

Der Transitstopp treffe innerhalb der Europäischen Union (EU) insbesondere die Slowakei, erläuterte Stier. Das Land habe zwar Zugang zu Gas aus dem Westen und über Ungarn, aber die Marktbeteiligten müssten für alternative Lieferungen einen Transitzuschlag von rund 177 Millionen Euro zahlen, während dem Land selbst Einnahmen in Höhe von rund 500 Millionen Euro aus dem Transit von Gas aus der Ukraine nach Westeuropa entgehen. Premierminister Robert Fico kritisierte, der ukrainische Transitstopp bedeute für die EU zusätzliche jährliche Kosten in Höhe von 40 bis 50 Milliarden Euro direkt und weitere 60 bis 70 Milliarden Euro durch Sekundäreffekte auf die Strompreise.

Österreich gleiche das Defizit durch Gaslieferungen aus Deutschland und Italien aus, aber die erhöhten Transitgebühren hätten dazu geführt, dass die Gaspreise auch dort sofort über den europäischen Durchschnitt gestiegen sind. Die Versorgung Ungarns wird über die „Turkstream“ gesichert, sagte Stier und kritisierte: Die Ukraine als EU-Beitrittskandidat habe mit dem Transit-Stopp gegen das Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Ukraine verstoßen, das unter anderem die Aufrechterhaltung der Energietransportrouten vorsieht.

Am Mittwoch hat das Parlament der Ukraine einen Gesetzentwurf zum Verbot des Transits von russischem Öl und Gas durch die Ukraine während der Geltungzeit des Kriegsrechts angenommen. Der Text des Gesetzentwurfs ist Medienberichten zufolge jedoch noch nicht veröffentlicht worden. Nach Berechnungen der Nachrichtenagentur Reuters bedeutet diese Entscheidung für die ukrainische Industrie zusätzliche Kosten in Höhe von 38,2 Millionen US-Dollar pro Jahr. Auch die Einnahmen des Landes werden durch entgangene Transitgebühren in Höhe von fast einer Milliarde US-Dollar geschmälert.

Moldawien stehe im neuen Jahr vor einer Energiekrise, hebt das ungarische Makronóm Instiut hervor. Dies liege nicht allein am ukrainischen Transitstopp. Denn bereits kurz zuvor hatte Gazprom angekündigt, die Lieferungen an Moldawien einzustellen, betonte das ungarische Institut. Der Konzern nannte demnach verspätete Zahlungen als Grund dafür. Die moldawische Regierung sei laut eigenen Angaben lediglich mit Zahlungen von acht Millionen US-Dollar in Verzug, während Gazprom erklärte, Moldawien sei mit annähernd dem Hundertfachen in Rückstand: etwa 700 Millionen US-Dollar.

Der Gaslieferstopp schränkt die Nutzung von Heizung, Gas und Warmwasser besonders in der abtrünnigen moldawischen Region Transnistrien stark ein, außerdem ist die Region von Stromausfällen betroffen. Transnistrien habe von Russland über Moldawien mehr als 30 Jahre lang Gas erhalten, ohne dafür zu bezahlen, sagte der Russlandexperte Alexander Rahr in einem noch nicht veröffentlichten Interview mit dem Magazin „Hintergrund“. Der Deal mit der moldawischen Regierung sei gewesen, dass das Gas über die Ukraine und Transnisitrien ins Land gelangt und Chisinau dafür günstigere Preise erhält als im Westen.

Durch den Lieferstopp habe Transnistrien nun seine einzige Quelle für die Stromerzeugung vollständig verloren. Den in einem einheimischen Gaskraftwerk erzeugten Strom hatte Transnistrien teilweise an Moldawien verkauft. Rahr zufolge ist „ein großes politisches Spiel“ im Gang, bei dem der Westen darauf abzielt, dass Transnistrien aufgrund der wirtschaftlichen Notlage seine Unabhängigkeit aufgibt und sich mit dem Rest Moldawiens wiedervereinigt. In der Tageszeitung „Welt“ heißt es hingegen, Russland nutze Energie „als Waffe“. Moskau könne Transnistrien über die „Turkstream“-Pipeline versorgen, wenn es wolle. Die leitende EU-Sprecherin für auswärtige Angelegenheiten, Anitta Hipper, sagte, die EU werde Transnistrien „ermutigen, mit Chisinau zusammenzuarbeiten, um die Situation im Interesse der lokalen Bevölkerung anzugehen“.

Drucken

Drucken

Teilen