Assad-Sturz

Trotz erfolgtem Machtwechsel: Kämpfe in Syrien dauern an

Israel besetzt südwestliche Teile Syriens / USA bombardieren Stellungen des „Islamischen Staates“ / Gefechte pro-türkischer Milizen mit Kurden im Norden

(Diese Meldung ist eine Übernahme von multipolar.)

Auch nach der Flucht des bisherigen Präsidenten Baschar al-Assad und der Machtübernahme durch islamistische Milizen gehen die Kämpfe in verschiedenen Landesteilen Syriens weiter. Neben einheimischen Gruppierungen sind dafür auch ausländische Akteure verantwortlich – so sind die USA, Israel und die Türkei in verschiedenen Landesteilen militärisch aktiv. Die islamistische Miliz „Hayat Tahrir al Sham“ (HTS) und die von der Türkei unterstützte „Syrische Nationale Armee“ (SNA) hatten am vergangenen Wochenende (7./8. Dezember) die syrische Hauptstadt Damaskus erreicht. Der langjährige Präsident Baschar al-Assad war mit seiner Familie ins Exil nach Russland gegangen.

Unmittelbar danach begannen US-Truppen nach eigenen Angaben Stellungen des Islamischen Staates (IS) auf syrischem Territorium zu bombardieren. Der noch amtierende US-Präsident Joseph Biden ließ mitteilen, dass das US-Militär weiterhin im Land bleiben werde. Da es weder eine Erlaubnis des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (UN) noch eine Einladung der syrischen Regierung gegeben hat, ist der Aufenthalt von US-Truppen in Syrien völkerrechtswidrig.

Ebenfalls kurz nach dem Machtwechsel marschierte die israelische Armee in das Nachbarland ein. Als Ausgangspunkt nutzte Israel die von ihm bereits 1981 annektierten Golanhöhen, die völkerrechtlich Teil Syriens sind. Die israelischen Truppen besetzten eine bislang entmilitarisierte Pufferzone und marschierten anschließend tiefer ins Landesinnere. Die Armee besetzte mehrere syrische Kleinstädte und steht mit Panzern kurz vor Damaskus. Zudem bombardiert die israelische Luftwaffe Berichten zufolge Hunderte Ziele, vor allem die militärische Infrastruktur Syriens. Die Angriffe zeigen laut Süddeutscher Zeitung, dass Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu „Ernst macht mit der Neugestaltung der Region“ nach israelischen Vorstellungen.

Rechtsradikale wie der israelische Finanzminister Bezalel Smotrich sprechen schon seit längerem von „Groß-Israel“, einer Ausdehnung des Staates über große Teile des Nahen Ostens. „Es steht geschrieben, dass die Zukunft Jerusalems darin besteht, sich bis nach Damaskus auszudehnen“, sagte er in der im Oktober vom TV-Sender „Arte“ gezeigten Dokumentation „Israel – Extremisten an der Macht“. Andere Beobachter weisen darauf hin, dass auch die Türkei imperiale Interessen in Syrien verfolge. Ankara wolle langfristig die nach dem Ersten Weltkrieg verlorenen osmanischen Gebiete wieder unter Kontrolle bringen, zu denen nicht nur ganz Syrien, sondern auch Palästina gehören.

Die Türkei beteiligt sich an der Fortsetzung der Kämpfe in Syrien, indem sie mit Hilfe der von ihr aufgerüsteten SNA-Miliz wieder offen militärisch gegen die Kurden im Nordosten vorgeht, nachdem sie bereits seit Jahren selbst syrische Gebiete besetzt hält. Hier deutet sich ein möglicher Konflikt zwischen Ankara und Washington an, denn die Kurden in Syrien werden seit langem von den USA unterstützt. Nun hat auch Israel angekündigt, die Kurden unterstützen zu wollen, wie die Frankfurter Rundschau berichtet.

„Syrien droht, ein ähnliches Schicksal wie Libyen zu erleiden, sprich Milizenherrschaft und die Spaltung des Landes“, stellt die Autorin Angela Gutsche fest. Andere Beobachter sehen die Zukunft des Landes ebenfalls ungewiss, auch wenn HTS-Anführer Abu Muhammad al-Dscholani verspricht, Syrien werde keinen weiteren Krieg erleben. Der brasilianische Journalist und Geopolitik-Analyst Pepe Escobar erwartet „Machtkämpfe und interne Auseinandersetzungen zwischen extremistischen Milizen und der Zivilgesellschaft, die jeweils von verschiedenen regionalen und ausländischen Akteuren unterstützt werden, die ein Stück vom Kuchen abhaben wollen.“

Die deutsche Nahost-Korrespondentin Karin Leukefeld weist daraufhin, dass die HTS neben der Türkei auch von arabischen Golfstaaten sowie von den USA, Großbritannien und Israel unterstützt wurden. Das sei bereits seit Beginn des Krieges in Syrien 2011 geschehen, wozu auch die Unterstützung durch die deutsche Bundeswehr zählt. Der US-Geheimdienst CIA habe die Aufständischen ab 2012 in der Operation „Timber Sycamore“ bewaffnet und ausgebildet. Das CIA-Programm sei vom damaligen US-Präsident Barack Obama genehmigt und vom britischen Auslandsgeheimdienst MI6, dem türkischen Militärgeheimdienst MIT und von Geheimdiensten der arabischen Golfstaaten unterstützt worden. Letztere seien vor allem für die Finanzierung zuständig gewesen. Laut New York Times wurden eine Milliarde Dollar dafür ausgegeben, bis das Programm durch Präsident Donald Trump 2017 beendet worden sein soll.

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