Tanklastwagen-Massaker: Verdacht auf Kriegsverbrechen

(06.11.2009/dpa/hg)

Im Fall des von Oberst Georg Klein befohlenen Luftangriffs auf zwei Tanklastwagen in Afghanistan, bei dem am 04. September bis zu 142 Menschen ums Leben kamen, soll sich künftig die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe mit den strafrechtlichen Konsequenzen befassen.

So will es jedenfalls die Dresdner Generalstaatsanwaltschaft, die den Fall am Freitag an die oberste deutsche Ermittlungsbehörde abgegeben hat.

Die Dresdner Ermittler schließen nicht aus, dass sich in Afghanistan derzeit ein bewaffneter Konflikt im Sinne des Völkerstrafgesetzbuches ereignet.

Nach Ansicht des Göttinger Strafrechtsprofessors Kai Ambos handelt es sich um den ersten Fall, „in dem möglicherweise ein Kriegsverbrechen eines bundesdeutschen Soldaten gegeben ist“, erläuterte der Jurist, der selbst an der Entstehung des seit 2002 geltenden Völkerstrafgesetzbuchs beteiligt war.

Bislang hat sich dieses Gesetz freilich als zahnloser Tiger erwiesen. Es ist noch nie angewendet worden.

Auch für den deutschen Oberst Klein stehen die Chancen gut, straflos davon zu kommen.

Denn unter den Kriterien des Völkerstrafrechts erscheinen seine Handlungen in einem milderen Licht, als unter denen des deutschen Rechts.

Nun komm es nicht mehr so darauf an, ob sich der deutsche Oberst an die geltenden ISAF-Einsatzregeln gehalten habe oder nicht, erläuterte Völkerrechtsexperte Ambos am Freitag gegenüber dpa..

Die Annahme eines bewaffneten Konflikts habe für das Militär den Vorteil, dass es Dinge tun dürfe, die im Frieden untersagt seien.

Entscheidend für eine Strafbarkeit ist aus Sicht des Professors, ob der Angriff mit bis zu 142 Toten unverhältnismäßig viele zivile Opfer gefordert habe.

Maßgeblich dafür sei die Abwägung mit dem „konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil“ – und zwar aus der Perspektive zum Zeitpunkt der Erteilung des Befehls, nicht etwa aus der Rückschau.

Nach der Einschätzung des Völkerrechtsexperten mag es durchaus Argumente dafür geben, dass Oberst Klein beim Angriff auf den von Taliban begleiteten Tanklaster einen solchen Vorteil erwarten durfte.

Ob die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen übernimmt, ist aber noch nicht entschieden. Generell muss sie sich dem Schritt der Dresdner Generalstaatsanwaltschaft nämlich nicht beugen.

„Nach vorläufiger Bewertung der Erkenntnisse aus allgemein zugänglichen Quellen ergeben sich bisher keine tatsächlichen Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Straftat deutscher Soldaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch“, gab die Behörde bekannt. Allerdings werde die Auswertung der umfangreichen Unterlagen einige Zeit in Anspruch nehmen.

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