Corona-Aufarbeitung

Stiftung Patientenschutz fordert Corona-Aufarbeitung – Pflegeverbände reagieren kaum

Patientenschützer kritisieren einsames Sterben in Pflegeheimen und einrichtungsbezogene Impfpflicht / Kuratorium Deutscher Altershilfe warnte 2021 vor schädlichen Auswirkungen der Maßnahmen auf Heimbewohner / Pflegeverbände äußern sich in der Sache nicht

(Diese Meldung ist eine Übernahme von multipolar.)

Die „Deutsche Stiftung Patientenschutz“ fordert den künftigen Bundestag auf, die Corona-Politik aufzuarbeiten. Stiftungsvorstand Eugen Brysch sagte der Deutschen Presse-Agentur (dpa): „Die größten Fehler wurden in der stationären Altenpflege gemacht.“ Er kritisierte unter anderem einen Mangel an Masken und Desinfektionsmitteln in der Langzeitpflege. Über zusätzliche Hilfskräfte und Ausweichquartiere sei nicht nachgedacht worden. Er appellierte: „Pflegeheime dürfen niemals mehr Orte des einsamen Sterbens sein.“ Deutliche Kritik äußerte Brysch auch an der einrichtungsbezogenen Impfpflicht. Die habe dem Berufsklima geschadet, ohne das Virus zu stoppen. Multipolar-Recherchen ergaben, dass die Forderung nach Aufarbeitung in der Pflegebranche auf wenig Resonanz stößt.

Das „Kuratorium Deutsche Altershilfe“ (KDA) wollte sich nicht näher zum Vorstoß der „Stiftung Patientenschutz“ äußern, betonte allerdings, dass man sich ausführlich mit den Folgen der Corona-Maßnahmen beschäftigt habe. Die Erkenntnisse seien in der Festschrift „Corona und Pflege: lessons learned“ enthalten. Die Publikation aus dem Jahr 2021 geht auf die massiven Folgen für Heimbewohner ein. Der Verlust vertrauter Personen habe zum Beispiel zu „Angst, Unruhe oder reaktiver Feindseligkeit“ geführt, heißt es darin. „Die besondere Vulnerabilität dieser Menschen wurde nicht durch ein ihnen entsprechendes Schutzkonzept berücksichtigt, sondern durch allgemeine infektionslogische Überlegungen, die im Endeffekt diese Menschen noch stärkeren Schädigungen aussetzten.“

Durch freiheitseinschränkende Maßnahmen sei eine menschenwürdige Versorgung an Covid-19 erkrankter und sterbender Menschen im Pflegeheim sowie im Krankenhaus unter Bedingungen des Infektionsschutzes unmöglich geworden. Vor allem in diesen Fällen stellten sich „Fragen der Legitimität von Ausnahmeregelungen in Extremsituationen“. Die Bedeutung von Solidarität sei während der Corona-Krise zwar politisch gewürdigt, andererseits „in zum Teil dramatisch zu nennender Weise“ gerade dort unterdrückt worden, „wo die Menschenwürde in ihrem Kern tangiert wurde”, heißt es in der KDA-Publikation. Die Autoren erinnern an die verhinderte Begleitung Sterbender sowie den Ausschluss von Ehepartnern aus der alltäglichen Begleitung. Dies habe „dramatische Folgen“ gehabt. Versuche, den Heimbewohnern zu helfen, seien vielfach durch generalisierende administrative Vorgaben mit Sanktionsandrohungen erstickt worden: „Das darf so nicht wieder passieren.“

Vor dem Hintergrund dieser frühen Warnungen und der jetzigen Initiative der „Deutschen Stiftung Patientenschutz“ hakte Multipolar bei mehreren Vertretern aus der Pflegebranche nach, wie sie zu den Forderungen nach eine Aufarbeitung stehen. Der „Dachverband der diakonischen Einrichtungen der Altenarbeit und Pflege in Deutschland“ (DEVAP) teilte auf Anfrage mit, keine pauschalen Antworten zum Thema Aufarbeitung geben zu können. Der „Pflegeschutzbund BIVA“ gab an, aus terminlichen Gründen keine näheren Angaben machen zu können und verwies auf eigene, ältere Publikationen zum Thema. Weitere Organisationen ließen Fragen gänzlich unbeantwortet, darunter der „Deutsche Verband der Leitungskräfte der Alten- und Behindertenhilfe“ sowie die „Berufsstandsvertretung für ambulante und teilstationäre Pflege“ (AVG).

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