Ukraine-Krieg

Russische Armee erobert „Festungsstadt“ Wuhledar

Strategisch wichtige Ortschaft fällt nach russischer Einkreisung / Analyst: Gesamte ukrainische Armee im südlichen Donbass in Gefahr

(Diese Meldung ist eine Übernahme von multipolar)

Die russische Armee hat die von der Ukraine stark befestigte Stadt Wuhledar (russisch: Ugledar) 40 Kilometer südwestlich von Donezk vollständig eingenommen. Der Fernsehsender „Euronews“ meldete am Mittwoch (2. Oktober), die ukrainische Heeresgruppe Chortyzja habe offiziell bekannt gegeben, dass sich ihre Soldaten aus der Ortschaft zurückgezogen haben. Das Verteidigungsministerium in Moskau hat die Eroberung der Stadt durch die russische Kampfgruppe Ost bestätigt. Bei ihrem letzten größeren Versuch im Februar 2023, die Stadt einzunehmen, war die russische Armee noch mit herben Verlusten gescheitert.

Der arabische Nachrichtensender „Aljazeera“ macht auf die strategische Bedeutung Wuhledars aufmerksam. Die Stadt sei ein „Nachschubzentrum“ und liege am „Schnittpunkt der Ost- und Südfronten“. Ihre Wichtigkeit für die ukrainische Armee habe in der Nähe zu einer Eisenbahnlinie bestanden, welche die Krim mit dem Donbass verbindet. Während die ukrainischen Streitkräfte die volle Kontrolle über Wuhledar hatten, hätten sie die Stadt als Plattform nutzen können, um „russische militärische Versorgungslinien in der Region zu beschießen“.

Denis Puschilin, Oberhaupt der Donezker Volksrepublik (DVR), erklärte, die Ortschaft sei für das ukrainische Militär wichtig gewesen, weil die vielen Hochhäuser der Stadt die Einrichtung von Beobachtungsposten und eines Systems von Funkverstärkern ermöglichten. Bei der russischen Nachrichtenagentur „Tass“ heißt es einer staatlichen Quelle zufolge, die Einnahme der befestigten Stadt ermöglicht der russischen Armee nun weitere Zugänge zur weiter südlich gelegenen Großstadt Mariupol und Eisenbahnverbindungen im Süden der DVR zu sichern. Zudem werde der Erfolg den weiteren Vormarsch auf die militärlogistisch wichtige Siedlung Kurachowo ermöglichen.

Der US-amerikanische Fernsehsender CNN stellt fest: Die Tatsache, dass Russland genügend Reserven aufbieten konnte, um die Stadt einzukesseln, unterstreicht den „personellen Vorteil“, den es auch vier Monate nach Inkrafttreten des ukrainischen Mobilmachungsgesetzes weiterhin hat. Der Verlust von Wuhledar bedeute, dass die Ukraine nun kämpfen müsse, um ein weiteres Vordringen Russlands nach Westen zu verhindern, wodurch die „Aussicht auf eine Rückeroberung des Gebiets“ noch geringer werde.

Der geopolitische Analyst Alexander Mercouris weist darauf hin, dass Wuhledar innerhalb der ukrainischen Gesellschaft eine „enorme psychologische Bedeutung“ erlangt habe. Die Stadt sei als eine „uneinnehmbare, unbesiegbare Festung“ wahrgenommen worden. Ihre Einnahme würde den Russen den Weg ebnen, in alle möglichen Richtungen nach Saporischschja am Fluss Dnjepr im Westen sowie nach Kurachowe und Pokrowsk im Norden vorzudringen. Damit würde die gesamte ukrainische Armee im südlichen Donbass in Gefahr geraten, die nach dem russischen Vormarsch auf Pokrowsk bereits in Gefahr sei. Zudem macht Mercouris darauf aufmerksam, dass dem lokalen ukrainischen Kommandeur zuvor offenbar die Erlaubnis zum Rückzug aus Wuhledar verweigert wurde. Nachdem dieser daraufhin auf eigene Faust versucht habe, den Abzug einiger Truppen zu organisieren, sei er von Präsident Wolodymyr Selenskyj und Oberbefehlshaber Oleksandr Syrskyj „gefeuert“ worden.

Bereits am 26. September meldeten die Videoblogger Weeb Union und Military Summary auf Basis ukrainischer und russischer Quellen, dass russische Einheiten die Stadt Wuhledar umzingelt und deren östlichen Teil eingenommen hätten. Beide Blogger berichteten schon zu diesem Zeitpunkt davon, dass ukrainische Soldaten aus der belagerten Stadt geflohen seien.

Die britische Tageszeitung „The Telegraph“ bestätigte am Montag, dass sich noch möglicherweise Hunderte ukrainische Soldaten in der Stadt befunden hätten. Die Zeitung gab die Beschreibung eines Soldaten wieder, „wie einzelne Einheiten versuchten, sich nachts in Rückzugsformationen leise aus der russischen Umzingelung zu entfernen“. „Wenn zehn Personen in Gruppen die Stadt verlassen, schaffen es im Durchschnitt vier bis sechs“, berichtete der Soldat. The Telegraph bezeichnet den Fall Wuhledars als den „bedeutendsten Sieg Wladimir Putins auf dem Schlachtfeld seit der Einnahme von Awdijiwka im Februar“.

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