Rumänische Regierung bereitet „schärfste Zensur der Welt“ vor
Entwurf einer Notverordnung stellt Verbreitung von „Verschwörungstheorien“ und „Fake News“ unter Strafe / Kriterien für Sperrung von Online-Inhalten ungenau definiert / Opposition: Regierung will bestimmen, „was wahr und was falsch ist“
(Diese Meldung ist eine Übernahme von multipolar.)
Die rumänische Regierung plant, die Verbreitung von „Desinformation“ und „Fake News“ über das Internet mit hohen Geldstrafen kurzfristig zu sanktionieren. Dies zeigt der Entwurf einer Notverordnung „über die Durchführung von Maßnahmen zum Schutz des Online-Umfelds“. Im Fokus der Verordnung steht dabei die „Manipulation der öffentlichen Meinung“, insbesondere „im Zusammenhang mit Wahlprozessen“. Nach Ansicht rumänischer Medien deutet der Entwurfstext an, dass die Verordnung noch vor der für Anfang Mai angesetzten Wiederholung der Präsidentschaftswahl in Kraft treten soll.
Die geplante Notverordnung sieht vor, neben der Verbreitung von Hassrede und gezielten manipulierenden Online-Wahlkampagnen auch das „Teilen von polarisierenden Inhalten“ und die „Verbreitung von Verschwörungstheorien“ und „falsche/irreführende Informationen“ unter Strafe zu stellen. Sanktioniert werden sollen auch Inhalte, „die sich gegen Einrichtungen richten, die Fakten überprüfen“. Die Grenze zur Kriminalität ist in dem Dokument nicht genau definiert. Als Beispiele für Verstöße werden unter anderem die „Beeinträchtigung der Werte der Demokratie durch Beeinflussung des Wahlprozesses beziehungsweise des europäischen und/oder euro-atlantischen Weges“ oder die „Erschwerung der Bewältigung ziviler Notfälle oder Krisensituationen“ genannt.
Die rumänische Kommunikationsregulierungsbehörde ANCOM soll für die Umsetzung der Verordnung verantwortlich sein. Die Behörde ist dem Parlament unterstellt. Auf Anweisung von ANCOM-Mitarbeitern müssten künftig Betreiber von sozialen Netzwerken und Webseiten mit einer „.ro“-Domäne oder ähnliche elektronische Kommunikationsdienste einzelne Inhalte sperren, falls diese die Kriterien der in der Verordnung festgelegten Verstöße erfüllen.
Als Strafe sind bis zu 100.000 Lei (circa 20.000 Euro) pro Tag der Nicht-Sperrung vorgesehen. Die Sperrung eines Inhalts könnten unter anderem die Wahlbehörde und Wahlämter, das Außenministerium, das Verteidigungsministerium, die Polizei, die Staatsanwaltschaft, der rumänische Geheimdienst sowie auch ausländische Geheimdienste beantragen. Gerechtfertigt wird die Notverordnung mit der „ständig zunehmenden Gefahr externer Einmischung in demokratische Entscheidungsprozesse“.
Die rumänische Zeitung „Național“ wirft der Regierung vor, mit der geplanten Verordnung die „schärfste Zensur der Welt“ etablieren zu wollen. Mit dem Verordnungsentwurf werde der „aggressivste Apparat zur Zensur von Meinungen und freier Meinungsäußerung“ geschaffen. Die Zeitung erinnert an die Erfahrungen während der Coronazeit. Es sei zu befürchten, dass der sogenannte „Schutz des Online-Umfelds“ auf eine „noch nie dagewesene Zensur“ hinauslaufe, „die nur die Regime in der Ukraine und Moldawien“ praktizieren würden.
Abgeordnete der Partei „Allianz für die Vereinigung der Rumänen“ (AUR) fordern den rumänischen Premierminister Marcel Ciolacu auf, die Notverordnung zurückzuziehen. Sie befürchten, die Regierung könnte die Regulierung instrumentalisieren, um Vertretern der Opposition und der Medien „wirksam eins auf die Mütze“ zu geben. Die Parlamentarier stellen die Frage, anhand welcher Kriterien unterschieden werden solle, was eine „Verschwörungstheorie“ und was eine „greifbare Theorie“ sei. Man könne nicht die Regierung bestimmen lassen, was wahr und was falsch sei, kritisieren die Abgeordneten.
Anfang Dezember 2024 hatte der oberste rumänische Gerichtshof die erste Runde der Präsidentschaftswahl annulliert, weil diese durch eine angeblich von Russland finanzierte Kampagne über soziale Medien manipuliert worden sei. Kurz darauf stellte sich heraus, dass die rumänische Regierungspartei die betreffende TikTok-Kampagne selbst finanziert hatte. Die Ungültigkeitserklärung der Wahl wurde vom Europarat kritisiert. Wahlsieger Calin Georgescu und andere rumänische Oppositionspolitiker bezeichneten die Annullierung als „Staatsstreich“. Ende Februar wurde Georgescu kurzzeitig festgenommen und von der Wahlwiederholung im Mai ausgeschlossen. Er lag in Wahlumfragen weiterhin vorne.