Corona-Aufarbeitung

Robert Koch-Institut war an „AG Impfpflicht“ beteiligt

BSW-Abgeordnete: RKI sollte offenbar vor Abstimmung über Impfpflicht instrumentalisiert werden / Ursprünglich wollte RKI „keine Haltung“ einnehmen / Journalistin fordert Herausgabe weiterer Schriftstücke

(Diese Meldung ist eine Übernahme von multipolar.)

Das Robert Koch-Institut (RKI) war Anfang 2022 an einer interministeriellen Arbeitsgruppe beteiligt, die Begründungen für eine allgemeine Impfpflicht liefern sollte. Dies geht aus einer Antwort des Bundesgesundheitsministeriums auf eine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Jessica Tatti (BSW) vom 19. Februar hervor. „Das RKI hat in diesem Zusammenhang an mehreren Videokonferenzen der Arbeitsgruppe teilgenommen“, erklärte das Ministerium. Damit beteiligte sich das RKI an einer Debatte, die zu jenem Zeitpunkt bereits intern abgelehnt wurde. Die Bundesregierung habe vor der Bundestagsabstimmung über die allgemeine Impfpflicht am 7. April 2022 offenbar versucht, das RKI zu instrumentalisieren, kommentiert Tatti.

Der Vorgang findet sich im RKI-Protokoll vom 4. Februar: „Teilnahme an der AG Impflicht mit anderen Ministerien, Zuarbeit zur Gesetzesbegründung der allgemeinen Impfflicht.“ Aus den Protokollen geht an mehreren Stellen hervor, dass das RKI zu diesem Zeitpunkt gegen eine Impfpflicht war. So heißt es am 12. Januar 2022, Daten zeigten, „dass viele Ungeimpfte sich nicht impfen lassen wollen, diese sollten vor sich selbst beschützt werden Menschen zu Ihrem eigenen Wohl zu etwas zu zwingen, ist eher paternalistischer Ansatz“. Außerdem: „Erwartung an RKI ist: Transparenz bezüglich der Entscheidungsgrundlagen und -kriterien. Das Institut sollte keine Haltung zur Impfung einnehmen, sondern transparent die Grundlagen und mögliche Entscheidungskriterien kommunizieren.“

Die Journalistin Aya Velázquez verweist darauf, dass das RKI in Bezug auf eine Impfpflicht „einem starken politischen Spannungsverhältnis“ ausgesetzt war. So gehe aus den RKI-Protokollen hervor, dass es über den Zeitverlauf hinweg einen „Sinneswandel“ gab. „Im November 2021 war man am RKI noch ausdrücklich dafür“, schreibt Velázquez auf ihrer Homepage. Die Stelle findet sich im Protokoll vom 26. November: „Eine einrichtungsbezogene aber auch allgemeine Impfpflicht wird vom RKI als sinnvoll erachtet.“ Als die weniger virulente Omikron-Variante zu dominieren begann, revidierte das RKI seine Einschätzung. Mitte Januar hieß es, eine Entscheidung über eine Impfpflicht sei „sehr schwierig“, wenn Corona endemisch würde. Außerdem sei die Umsetzung kompliziert. Man beschloss, sich zukünftig mit Empfehlungen stärker zurückzuhalten.

Zur Rolle des RKI in der „AG Impfpflicht“ befragt, teilte das Bundesgesundheitsministerium mit: „Das RKI hat bei der Aufarbeitung der wissenschaftlichen Evidenz unterstützt, die als Grundlage in die verschiedenen Gruppenanträge aufgenommen wurde.“ Tatti fragte auch, ob es Protokolle, Mails oder andere Dokumente der „AG Impfpflicht“ gebe. Laut Ministerium ist dies nicht der Fall. Damit will sich Aya Velázquez nicht begnügen. Sie verlangt vom RKI nach dem Informationsfreiheitsgesetz alle sonstigen Schriftstücke, die rund um die „AG Impfpflicht“ entstanden sind – etwa Notizen oder Gedächtnisprotokolle, sowie alle mit der AG verknüpften Emails. Außerdem fordert sie sämtliche RKI-internen Dokumente, die der Zuarbeit der Gesetzesbegründung für eine Impfpflicht gedient hatten.

Die BSW-Politikerin Jessica Tatti kritisiert: „SPD-Gesundheitsminister Karl Lauterbach wollte selbst unter der milden Omikron-Variante noch die allgemeine Impfpflicht durchsetzen.“ Bekannt sei seit der Veröffentlichung der RKI-Protokolle, dass er deshalb im Vorfeld der Bundestagsabstimmung die Herabstufung der Gefahrenlage durch das RKI untersagt habe. Wissenschaftlich war zu jenem Zeitpunkt bereits vor einer Impfpflicht gewarnt worden. Bei einer Anhörung im Gesundheitsausschuss am 21. März 2022 wies etwa Andreas Radbruch, ehemaliger Präsident der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, auf die Gefahren wiederholten „Boosterns“ hin und sprach sich gegen eine Impfpflicht aus.

Die Debatte begleitete die Corona-Krise von Anfang an. Dabei wechselten die Positionen gravierend. „Eine Impfpflicht gegen SARS-CoV2 ist nicht sinnvoll und wird von Bund und Ländern abgelehnt”, hieß es nach einer Videoschaltkonferenz der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefs der Länder am 16. November 2020. Zwei Tage später schloss Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) eine Impfpflicht kategorisch aus. Wörtlich hieß es in seiner Rede vor dem Bundestag: „Ich gebe Ihnen mein Wort: Es wird in dieser Pandemie keine Impfpflicht geben.“ Auch das staatlich finanzierte Medienunternehmen „Correctiv“ ordnete Bedenken bezüglich einer „angeblich geplanten Impfpflicht“ im Mai 2020 als „Verschwörungstheorie“ ein.

2021 änderte sich die Lage jedoch: Grünen-Politiker Volker Beck twitterte am 4. September: „Die Impfverweigerer verursachen Freiheitseinschränkungen und wirtschaftlichen Schaden für alle. In der Abwägung komme ich zu dem Ergebnis: es ist Zeit für eine Impfpflicht.“ Das rief jedoch Warner auf den Plan. „Es gibt keine einzige wissenschaftliche Studie, die nachvollziehbar darlegt, wie so ein Impfstoff, der es nicht mal schafft, die Viren dauerhaft zu neutralisieren, die Pandemie eindämmen soll”, erklärte der belgische Impf-Experte Geert Vanden Bossche am 22. November 2021. „Unter diesen Umständen eine Impfpflicht auszurufen ist wissenschaftlich absurd.“ Dennoch erklärte der SPD-Bundesvorsitzende Lars Klingbeil am 23. Dezember 2021 gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, es sei ein „Fehler“ gewesen, eine Impfpflicht zuerst ausgeschlossen zu haben. Kurz zuvor hatte der Journalist Norbert Häring darauf aufmerksam gemacht, dass der Pharmakonzern Pfizer den SPD-Parteitag am 10. Dezember 2021 gesponsert hatte. Vor wenigen Tagen forderte der einst bei Pfizer tätige Whistleblower Justin Leslie die neue US-Regierung öffentlich auf, die mRNA-Impfstoffe unverzüglich vom Markt zu nehmen.

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