RKI-Protokolle vor Gericht
Entscheidung über weitere Entschwärzung in Kürze / Einzelne Protokolle fehlen / Widersprüchliche Aussagen von Christian Drosten
(Diese Meldung ist eine Übernahme von multipolar)
Am Montag (8. Juli) verhandelte das Verwaltungsgericht Berlin über die weitere Entschwärzung der Krisenstabsprotokolle des Robert Koch-Instituts (RKI). Gegenstand der gut dreistündigen Verhandlung waren die verbliebenen Schwärzungen in den Protokollen, die vor allem noch die Namen von Personen und Unternehmen betreffen. Das Gericht kündigte an, im Verlauf der nächsten zwei Wochen eine Entscheidung darüber zu treffen. Geklagt hatte der Mitherausgeber des Magazins Multipolar, Paul Schreyer. Multipolar beharrt auf einer vollständigen Entschwärzung der Namen.
Weiterhin geschwärzt ist der Name Christian Drosten. Der Virologe von der Charité Berlin hatte in seinem neuen Buch eigentlich erklärt, er sei mit einer Entschwärzung seines Namens einverstanden und sei vom RKI auch nach seinem Einverständnis gefragt worden. Die Anwälte des RKI erklärten vor Gericht nun jedoch, Drosten habe das entsprechende Schreiben des RKI nicht beantwortet, weshalb die Behörde davon ausgehen müsse, er sei nicht einverstanden. Die Tageszeitung „Die Welt“ hatte dazu im Anschluss an die Gerichtsverhandlung bei Drosten nachgefragt. Über die Pressestelle der Charité ließ er mitteilen, er habe die einmonatige Frist zur Äußerung, die das RKI ihm gesetzt hatte, „verstreichen lassen“, da er „keinerlei Bedenken gegen eine Veröffentlichung hatte“. Das RKI ließ Nachfragen zum genauen Wortlaut des Schreibens an Drosten bislang unbeantwortet.
Diskutiert wurde vor Gericht auch über fehlende Protokolle. So beginnt das vom RKI veröffentlichte Konvolut der Dokumente mit dem Protokoll der Sitzung vom 14. Januar 2020. In einem früheren presserechtlichen Verfahren von Multipolar hatte das RKI jedoch nach einem entsprechenden Gerichtsbeschluss erklärt, dass der Krisenstab auch schon am 6. und am 8. Januar getagt hatte. Hierzu sind allerdings bislang keine Protokolle vorgelegt worden. Weiterhin fehlt das Protokoll der Sitzung vom 9. Mai 2020. Dass auch an jenem Tag eine Sitzung des Krisenstabes stattfand, hatte das RKI ebenfalls bereits in dem früheren Verfahren erklärt.
Am Vortag, dem 8. Mai, hatte Stephan Kohn, Referent in der Abteilung Krisenmanagement und Bevölkerungsschutz des Bundesinnenministeriums, eine umfangreiche Analyse an das Kanzleramt und alle Landesregierungen verschickt, in der die Coronakrise als „Fehlalarm“ bezeichet und von einer „Desinformation der Bevölkerung“ gesprochen wurde, was nach Veröffentlichung des Papiers zu einer Welle von Presseveröffentlichungen und zu seiner Suspendierung führte. Ob der Vorfall in Zusammenhang mit dem fehlenden RKI-Protokoll vom 9. Mai steht, ist bislang unklar.
Bei der öffentlichen Sitzung, der ersten Gerichtsverhandlung im Rahmen des Verfahrens überhaupt, trafen die gegnerischen Parteien auch das erste Mal direkt aufeinander. Zuvor waren drei Jahre lang lediglich umfangreiche Schriftsätze ausgetauscht worden. Das RKI hatte sechs Anwälte zur Verhandlung entsandt, Multipolar einen. Etwa zehn Besucher nahmen an der Sitzung teil, darunter drei Medienvertreter – Elke Bodderas von der WELT, Filmemacher Robert Cibis sowie die freie Rechercheurin Aya Velazquez.
Multipolar-Mitherausgeber Schreyer kommentierte zur Verhandlung: „Es geht uns als Magazin um volle Transparenz über die Entscheidungsabläufe in der Corona-Zeit. Das wollen wir erreichen und das wollen auch unsere Leser, die die kostspielige Klage durch zahlreiche Kleinspenden überhaupt erst möglich gemacht haben.“ Zur Transparenz gehörten die Namen und die konkreten Verantwortlichkeiten der handelnden Personen, erläuterte Schreyer weiter.
Die politische Aufarbeitung dürfe am Ende nicht in pauschalen Aussagen stecken bleiben. Es gehe um Details: „Wer hat was vorgeschlagen, und auf Basis welcher Erkenntnisse? Da braucht es Klarheit“, forderte der Journalist. Die juristische Auseinandersetzung mit dem RKI sei zäh. Sie ziehe sich nun schon über drei Jahre hin und sei noch lange nicht vorbei. Weiterhin fehlten die Protokolle ab Mai 2021, deren Offenlegung das Magazin Multipolar ebenfalls beantragt habe. Immer deutlicher werde die Notwendigkeit, dass neben Privatpersonen, die Klage erheben, auch das Parlament zielstrebig ermittele, erklärte Schreyer. „Dazu braucht es einen Untersuchungsausschuss mit klaren Kompetenzen.“