Richter: Justiz versagte in Corona-Krise
Kaum Anhörungen von Sachverständigen / Kaum Prüfungen von Verhältnismäßigkeit / Keine Aufarbeitung der Fehler
(Diese Meldung ist eine Übernahme von multipolar)
Die deutsche Justiz hat sich laut Carsten Schütz, Direktor des Fuldaer Sozialgerichts, während der Corona-Krise höchst problematisch verhalten. Die Kritik äußerte und erläuterte er bei einer Veranstaltung der katholischen Akademie des Bistums Fulda (21. Februar), bei der rückblickend Fehler im Umgang mit der Corona-Krise identifiziert werden sollten. Nachdem die Parlamente „abgenickt“ hätten, was die Regierung sagte, sei nur die Justiz als dritte Gewalt übrig geblieben, um der Machtausübung Grenzen zu setzen, erklärte der Richter. Dies habe sie jedoch nicht getan.
„Ich bin über die Staatsgewalt, der ich angehöre, sehr enttäuscht“, erklärte Schütz mit Blick auf Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes. Dort heißt es: „Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.“ Selbst die Evaluierungskommission der Bundesregierung habe festgestellt, dass dieser Grundsatz und damit eines der staatstragenden Prinzipien während der Corona-Krise „auf den Kopf gestellt“ worden sei, unterstrich der Richter.
Vor allem den Umgang seiner Kollegen mit Verfahren im Kontext der Corona-Krise kritisierte Schütz. Es habe kaum mündliche Anhörungstermine mit Sachverständigen gegeben, Differenzierungen und Verhältnismäßigkeitsprüfungen hätten kaum stattgefunden. Etwa, was psychische Beeinträchtigungen von Kindern durch die Corona-Maßnahmen anbelangte. Bis heute habe die Justiz „nicht zu Protokoll gegeben, dass sie etwas gelernt hätte“, eine Aufarbeitung fand nicht statt. „Im Gegenteil, es geht weiter“, so der Richter mit Blick auf nach wie vor anhängige Verfahren wegen Corona-Bußgeldern.
Dennoch würde er, unterstrich Schütz, den wenigsten Amtsträgern vorhalten, ihre politischen Entscheidungen während der Corona-Krise seien „evident falsch“ gewesen. Es habe sich um „Entscheidungen in Unsicherheit“ gehandelt. Einiges sieht der Richter allerdings als sehr problematisch an. Dazu gehört das Abendessen der Bundesregierung mit Vertretern des Bundesverfassungsgerichts. Was hier „abgedealt“ worden sei, habe er als „sehr empörend“ empfunden. Als die Bundesregierung Maskenpflicht, Schulschließungen und Ausgangssperren durchsetzen wollte, hätte jedes Gericht fragen müssen: „Was soll das bringen?“
Die Bundesregierung hätte die Beweislast für die Einschränkung von Grundrechten gehabt. Sie hatte jedoch keine Beweise für die Wirksamkeit der Maßnahmen liefern können. Mit dem Argument, das Virus wäre so gefährlich, hätten die Gerichte auf Belege verzichtet und grünes Licht gegeben.
Besonders harsche Kritik übte Schütz an der Zulassung von mRNA-Präparaten als Corona-Impfstoffe. „Wir dürfen nichts, was nicht ganz sicher ist, auf Patienten loslassen“, unterstrich er. Statt auf größtmögliche Sicherheit zu achten, wurden nach seiner Ansicht mit den Impfaktionen Risiken in Kauf genommen. Das hatte ihn frappiert. Mit welchem „Nichtwissen“ man die Corona-Impfung zugelassen habe, sei „völlig irre“. Der Gerichtsdirektor rief in diesem Zusammenhang in Erinnerung, dass Deutschland „nur ganz knapp an einer Impfpflicht vorbeigeschlittert“ sei: „Das wäre ein Sündenfall gewesen.“
Peter Kern, Immunologe und Chefarzt am Klinikum Fulda, widersprach. Die Impfung sei mit einer Studie getestet und zugelassen, „die allen Kriterien einer medikamentösen Zulassungsstudie entsprach“, erwiderte er. Sie habe eine hohe Wirksamkeit „zweifelsfrei“ nachgewiesen. Nur später, in einem Zustand der fortgeschrittenen Pandemie, wo schon viele Impfungen und Infektionen stattgefunden hatten, sei es problematisch geworden, „den zusätzlichen Schutz von immer noch weiteren Impfungen“ zu messen.
Auch nach Ansicht von Frederik Schmitt, Gesundheitsdezernent des Landkreises Fulda, war das Impfen „extrem wichtig”. Schmitt ließ beim Akademie-Abend durchblicken, dass er mit weiteren Krisen rechnet. „Ich bin der festen Überzeugung, die nächste Herausforderung wird wahrscheinlich keine Pandemie sein“, sagte er. Die Welt der Katastrophen sei „sehr bunt“. „Und wir werden vor denselben Herausforderungen stehen, also Grundrechtseinschränkungen und alles andere“, warnte der Gesundheitsdezernent des Landkreises Fulda.