Corona-Aufarbeitung

Recherche: Großteil der Ärzteverbände gegen Corona-Aufarbeitung

Magazin „Cicero“ sammelt Stimmen von mehr als einem Dutzend Kammern und Berufsverbänden / Leitungspersonal will sich oft nicht positionieren / Drei Verbände fordern Aufarbeitung: „unbequem“ aber „bitter nötig“

(Diese Meldung ist eine Übernahme von multipolar.)

Die organisierte Ärzteschaft Deutschlands sieht die Aufarbeitung der Corona-Krise mehrheitlich als Randproblem an. Dies geht aus einem Bericht des Magazins „Cicero“ hervor. (11. Januar) Angestoßen wurde die Recherche (archivierte Version) von der Zahnärztekammer Niedersachsen, die auf ihrer Versammlung am 8. November 2024 eine politische Aufarbeitung der Corona-Krise gefordert hatte. Die Aufklärungsbereitschaft der Kammer erwies sich jedoch als Ausnahme wie das Magazin infolge von Anfragen an weitere Ärzteorganisationen feststellte. Im Überblicksartikel des „Cicero“ kommen mehr als ein Dutzend Vertreter von ärztlichen und zahnärztlichen Kammern sowie von ärztlichen Berufsverbänden zu Wort. Wenn überhaupt eine Aufarbeitung gefordert werde, dann geschehe dies in aller Regel mit Blick auf eine neue „Pandemie“, heißt es in dem Beitrag. Forderungen nach einer „tabulosen Analyse“ der Corona-Maßnahmen seien in Medizinerkreisen selten.

So fasste der Marburger Bund laut Pressestelle noch gar keine Beschlüsse zur Aufarbeitung. Der Verband der Leitenden Kinder- und Jugendärzte und Kinderchirurgen Deutschlands ist bis heute davon überzeugt, dass der „Krisenmodus“ in der Corona-Zeit ohne wirkliche Alternative gewesen war. Auch bei der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin hat das Thema „Aufarbeitung der Corona-Krise“ noch nicht offiziell auf der Tagesordnung gestanden. Laut Pressestelle wird es lediglich intern besprochen. Man werde noch „einige Wochen“ benötigen, um sich zu positionieren. Die Deutsche Gesellschaft für Kinder und Jugendmedizin sehe sich ebenfalls nicht zu einer Positionierung in der Lage. Auch der Berufsverband der Augenärzte (BVA) verzichtet darauf, eine Stellungnahme abzugeben, „inwieweit ihm eine Aufarbeitung wichtig ist“.

Der Verband der niedergelassenen Ärzte (Virchowbund) hält es zwar „für dringend erforderlich, dass die Covid-19-Pandemie endlich aufgearbeitet wird“. Allerdings sei die Stoßrichtung laut „Cicero“ eine völlig andere als die der niedersächsischen Zahnärzte. Dem Virchowbund gehe es um eine bessere Vorbereitung auf eine neuerliche Pandemie. „Die Bundeshauptversammlung hat große Sorge, dass wir nicht, wie nach der Spanischen Grippe, wieder 100 Jahre Zeit haben, um uns vorzubereiten”, heißt es in der zitierten Stellungnahme. Eine ähnliche Position nimmt der Berufsverband der Deutschen Dermatologen (BVDD) ein. Dem BVDD gehe es bei einer Aufarbeitung ebenfalls in erster Linie „um ein besseres Management bei künftigen Pandemien“. Der Zentralverein homöopathischer Ärzte (DZVhÄ) wollte sich überhaupt nicht äußern. Auch die Hufelandgesellschaft für Integrative Medizin & Gesundheit steuerte keine Positionierung bei.

Lediglich zwei der vom „Cicero“ angefragten Ärztegemeinschaften fordern eine Aufklärung der Vorgänge aus der Corona-Zeit: Der Berufsverband der Frauenärzte begrüßt eine wissenschaftliche Aufarbeitung der Entscheidungsprozesse und Handlungsabläufe, wie BFV-Präsident Klaus Doubek zitiert wird. Die Landeszahnärztekammer Brandenburg positioniert sich ähnlich. Nach Ansicht des ihr vorstehenden Cottbuser Zahnarztes Jürgen Herbert muss die Corona-Krise dringend „transparent aufgearbeitet” werden: „Auch wenn das unbequem ist.”

Dem mehrheitlich beschlossenen Aufarbeitungsantrag der Zahnärztekammer Niedersachsens ging ein Referat des Zahnarztes Ulrich Keck voraus. Darin hatte er aus den Erkenntnissen der Krisenstabsprotokolle des Robert Koch-Instituts (RKI) zitiert und das Agieren der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und Karl Lauterbach (SPD) kritisiert. Zahlreiche Corona-Maßnahmen seien von den RKI-Fachleuten intern abgelehnt, aber von Regierungspolitikern wie Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Unterstützung der RKI-Leitung durchgesetzt worden, kritisierte Keck. Die 2G- und 3G-Regeln hatten „keine wissenschaftliche Grundlage“ und seien „reine Willkür der Regierung“ gewesen. Gesundheitsminister Lauterbach sei früh vom RKI informiert worden, dass die millionenfach verimpften mRNA-Präparate nicht vor Weitergabe des Coronavirus schützten. Trotzdem habe der SPD-Politiker diese Information nicht öffentlich gemacht.

Die für das „Desaster“ Verantwortlichen müssten endlich zur Verantwortung gezogen werden, forderte der niedersächsische Zahnarzt in der Rede. Alle Menschen, die durch die Corona-Maßnahmen geschädigt wurden, müssen entschädigt und öffentlich von den Verantwortlichen um Verzeihung gebeten, alle maßnahmenkritischen Fachleute rehabilitiert werden. Eine Aufarbeitung der Corona-Krise sei „bitter nötig“.

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