Prozessbeginn: Mutmaßlicher Wikileaks-Maulwurf vor Militärgericht
(03.06.2013/dpa)
Die Anklage gegen den 25-jährigen Bradley Manning wiegt schwer. Sie lautet auf „Aiding the enemy“ – Unterstützung des Feindes – und das kann im US-Militär mit dem Tod bestraft werden. Um sein Leben muss der junge Obergefreite und mutmaßliche Informant der Enthüllungsplattform Wikileaks nicht mehr bangen, wenn an diesem Montag sein Prozess vor dem Militärgericht auf dem Stützpunkt Fort Meade in Maryland beginnt. Das haben seine Anwälte in dem quälend langen Vorverfahren seit seiner Verhaftung vor drei Jahren verhindert. Doch können sie den 25-Jährigen auch vor einer lebenslangen Gefängnisstrafe bewahren?
In dem Prozess geht es nicht so sehr um Schuld oder Unschuld. Manning hat bereits vor Monaten gestanden, während seiner Stationierung als Analyst im Irak Hunderttausende teils sehr vertrauliche Dokumente aus der Geheimdienst-Datenbank gezogen und Wikileaks zugespielt zu haben. Darunter 250 000 Depeschen aus US-Botschaften, deren Veröffentlichung im November 2010 die Weltdiplomatie erschütterte. Oder rund 490 000 US-Militärdokumente über die Kriege in Afghanistan und Irak, die schreckliche Details der Einsätze und Gräueltaten aufzeigten.
Vielmehr wird sich der Prozess darum drehen, ob der junge Soldat seinem Land geschadet hat. Die Ankläger müssten ohne jeden verbleibenden Zweifel beweisen, dass Manning mit voller Absicht der USA schwere Nachteile einbringen wollte – oder anderen Nationen beziehungsweise den Gegnern wichtige Vorteile.
Manning bestreitet die bewusste Hilfe des Feindes vehement. Er habe lediglich eine „öffentliche Debatte“ über die amerikanische Außen- und Verteidigungspolitik lostreten wollen, sagte er im Februar. „Ich glaubte, die Depeschen würden uns nicht schaden, aber sie würden peinlich sein.“ Für Antikriegsaktivisten und Bürgerrechtler ist er ein Held, weil er das wahre Ausmaß der Militäreinsätze und den weltweit massiven Einfluss der US-Diplomatie transparent gemacht habe. An vielen Orten der Welt riefen sie anlässlich des Prozessbeginns zu Demonstrationen auf.
Sprengstoff hat der Prozess auch, weil viele Unterstützer den „Whistleblower“ als Opfer eines brutalen Staatsapparates sehen. Nach seiner Festnahme im Mai 2010 im Irak wurde er zwei Monate in Kuwait festgehalten. Danach kam er für neun Monate in ein Militärgefängnis in Quantico (Virginia). Wie ein Tier habe er sich in dem fensterlosen Raum gefühlt, klagte Manning. Anfangs habe man ihm die Brille weggenommen, ohne die er nichts sehen konnte. Auch sei er gezwungen worden, jeden Abend nackt vor Gefängniswärtern strammzustehen.
Der UN-Beauftragte gegen Folter, Juan Mendez, warf der Justiz damals vor, den Us-Soldaten „grausam, unmenschlich und entwürdigend“ behandelt zu haben. Die Militärrichterin Denise Lind erließ ihm wegen der Vorwürfe 112 Tage einer möglichen Haftstrafe. Da auf die 21 verbliebenen Anklagepunkte gegen ihn insgesamt mehr als 150 Jahre Haft stehen, war das aber nur ein symbolischer Erfolg.
Ganz genau hinsehen werden Kritiker in dem auf rund drei Monate angesetzten Prozess bei der Frage, welchen Zugang die Öffentlichkeit hat. Lind kündigte bereits an, 24 Zeugen unter Ausschluss von Beobachtern zu befragen. Dabei handele es sich etwa um Botschafter oder ranghohe Militärs, die über geheime Informationen verfügen, welche nicht nach außen dringen dürften. Die Aussagen sollen zwar nachträglich veröffentlicht werden – kritische Stellen werden aber geschwärzt. Bürgerrechtsgruppen haben weitgehend erfolglos versucht, die Einschränkungen abzumildern.