Wahlen in Rumänien

Präsidentschaftswahl in Rumänien annulliert

Wahlgewinner und Nato-Kritiker Georgescu bezeichnet Annullierung als „Staatsstreich“ / Verfassungsgericht bestätigt Korrektheit des Wahlergebnisses, problematisiert aber vermeintliche russische Einflussnahme bei „TikTok“ / Kritiker: Gerichtsentscheidung ist „abenteuerlich“ und „surreal“

(Diese Meldung ist eine Übernahme von multipolar.)

Das rumänische Verfassungsgericht hat am 6. Dezember, zwei Tage vor der entscheidenden Stichwahl, die Präsidentschaftswahl wegen ausländischer Einflussnahme für ungültig erklärt und eine vollständige Neuwahl angeordnet. Im ersten Wahlgang am 24. November hatte der unabhängige, national-konservative Kandidat Calin Georgescu mit fast 23 Prozent die meisten Stimmen erreicht. Zweitplatzierte wurde Elena Lasconi, deren Partei USR der liberalen EU-Fraktion „Renew Europe“ angehört. Auf dem dritten Platz landete knapp hinter Lasconi der als Favorit geltende sozialdemokratische Ministerpräsident Marcel Ciolacu, der damit als Präsidentschaftskandidat an der Stichwahl nicht mehr hätte teilnehmen dürfen.

Calin Georgescu, Sieger des ersten Wahlgangs, bezeichnete die Annulierung als „Staatsstreich“. „Das korrupte System hat sein wahres Gesicht gezeigt und einen Pakt mit dem Teufel geschlossen. Ich aber habe einen Pakt mit dem rumänischen Volk und mit Gott.“ Die zweitplatzierte Kandidatin Lasconi kritisierte die Entscheidung des Verfassungsgerichts ebenfalls. Sie sagte: „Heute ist der Moment, in dem der rumänische Staat die Demokratie mit den Füßen getreten hat.” Man werde „diejenigen finden, die schuldig sind an der Zerstörung unserer Demokratie“, ergänzte Lasconi. Auch der Kandidat George Simion sprach von einem „Staatsstreich“. Der unterlegene Sozialdemokrat Ciolacu begrüßte hingegen die Entscheidung zur Neuwahl.

Sieger Georgescu hatte sich für einen Ausgleich mit Russland, gegen Waffenlieferungen an die Ukraine, gegen die rumänische NATO-Mitgliedschaft sowie gegen den US-Raketenschild in Rumänien ausgesprochen. Sein Wahlerfolg hatte sich in vorangegangenen Umfragen nicht abgezeichnet, weshalb Vorwürfe der Wahlmanipulation erhoben wurden. Wegen des knappen Ergebnisses zwischen Lasconi und Ciolacu ordnete das Verfassungsgericht zunächst eine Neuauszählung der Stimmen an. Diese Neuauszählung bestätigte das Wahlergebnis, woraufhin das Gericht in einem Urteil vom 3. Dezember das Resultat als rechtmäßig einstufte und eine Annullierung noch ausdrücklich ablehnte.

Bereits am 27. November hatten 16 rumänische Organisationen eine Untersuchung der Wahlwerbung über große Online-Plattformen, namentlich TikTok, gefordert. Am 5. Dezember veröffentlichte der Nationale Verteidigungsrat CSAT einen Bericht, wonach Rumänien im ersten Wahlgang Opfer eines „aggressiven russischen hybriden Angriffs“ geworden sei. Der amtierende rumänische Präsident Klaus Iohannis, der sich im Frühling 2024 für das Amt des Nato-Generalsekretärs beworben hatte, ordnete die Offenlegung des Materials an, nachdem „eine große Gruppe von Nichtregierungsorganisationen“ ihn eigenen Aussagen zufolge darum gebeten habe.

Kurz nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen Russland erklärte das US-Außenministerium, die USA respektierten die Wahl des rumänischen Volkes und sie würden sich „in die Wahl nicht einmischen”. Zugleich äußert die Behörde ihre Besorgnis über eine russische Einflussnahme auf den Wahlprozess. Das US-Außenministerium lobte Rumäniens „Verankerung in der transatlantischen Gemeinschaft” und warnte vor „ernsten negativen Folgen für die Sicherheitspartnerschaft zwischen USA und Rumänien.” Der ehemalige US-Botschafter in Rumänien, H.E. Adrian Zuckerman befürwortete die Absage der Wahl: Das rumänische Justizsystem habe „die rumänische Freiheit und Demokratie bewahrt”. Mit der „Neuansetzung eines freien und fairen Wahlprozesses” werde Rumänien „mit der Europäischen Union, der NATO und seinem besten Freund, den Vereinigten Staaten von Amerika, weiter vorankommen.”

Margarita Simonjan, Chefin der staatlichen russischen Mediengruppe „Rossija Sewodnja“, sagte, die Annulierung der Wahl sei „absolut illegal“ und die Begründung des Gerichts „surreal“. Mit dieser Entscheidung sei die westliche Demokratie „endgültig tot“. Der frühere indische Botschafter in Rumänien Rajiv Dogra kritisierte: „Jedes mal, wenn ein Kandidat gewinnt, den der Westen nicht mag, ist von ausländischer Einmischung die Rede.“ Die Rumänen seien frei darin, ihre Stimme den Kandidaten zu geben, die sie bevorzugten. Das Gericht solle die Entscheidung überdenken, forderte er. Die Tageszeitung „Die Welt“ bezeichnet die Wahl-Annullierung als „Staatsstreich mit legalistischer Fassade“. Erstmals in der Geschichte der EU werde eine Wahl abgesagt, „weil das falsche Ergebnis drohte“. Die Wahlen seien nachweislich nicht gefälscht worden, die Tik-Tok-Theorie des Gerichts sei „abenteuerlich“. Es sei zu befürchten, dass dieses Vorgehen bei künftigen Wahlen in Europa Schule mache.

Der neue Wahltermin in Rumänien soll von der nächsten Regierung festgelegt werden. Die Parlamentswahl, die Anfang Dezember stattfand, hatte keine eindeutigen Mehrheitsverhältnisse erbracht. Diese Wahl soll bislang nicht annulliert werden. Bis eine neue Regierung im Amt ist, bleibt der jetzige Präsident Klaus Iohannis im Amt, kündigte er selbst an. Seine Amtszeit endet regulär jedoch am 21. Dezember. Vor der neuen Präsidentschaftswahl müssen sich alle Kandidaten wieder registrieren lassen und benötigen vom Verfassungsgericht die Zulassung. Präsident Iohannis sagte, er habe „von den Diensten Informationen erhalten“, dass Calin Georgescu illegal aus dem Ausland unterstützt wurde, was eine Angelegenheit der nationalen Sicherheit darstelle. Ob Wahlsieger Georgescu angesichts dieser Vorwürfe die Zulassung für die Neuwahl erhält, ist offen.

Die Wahl eines NATO-kritischen Präsidenten in Rumänien könnte erhebliche geopolitische und militärstrategische Folgen haben. Derzeit sind etwa 66.000 Nato-Soldaten in Rumänien stationiert. Eine Raketenbasis, die Teil des „Nato-Abwehrschirms“ ist, befindet sich bei der rumänischen Ortschaft Deveselu. In der Nähe der Hafenstadt Constanta am Schwarzen Meer wird derzeit die größte Nato-Basis Europas gebaut – 100 Kilometer von der ukrainischen Grenze und etwa 400 Kilometer von der Krim entfernt. Der Staatspräsident Rumäniens verfügt über wichtige Kompetenzen in der Außen- und Verteidigungspolitik des Landes. Er ist oberster Befehlshaber der Armee und Vorsitzender des obersten Rats für Landesverteidigung. Zudem vertritt er Rumänien im Europäischen Rat, dem Organ der Staats- und Regierungschefs. Die Verfassung gewährt ihm außerdem ein Initiativrecht für Volksabstimmungen bei „Fragen von nationalem Interesse“.

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