Orlando-Attentat: Motiv des Täters noch unklar – Massaker wird Wahlkampfthema

(14.06.2016/dpa)

Die Suche nach dem Motiv des Todesschützen von Orlando wird immer komplizierter. US-Medien berichteten am Dienstag, der Attentäter Omar Mateen sei häufiger Besucher des vorwiegend von Homosexuellen frequentierten Nachtclubs gewesen, in dem er 49 Menschen tötete. Zugleich berichtete die Washington Post unter Berufung auf frühere Mitschüler Mateens, dieser habe bereits im Jahr 2001 die Anschläge vom 11. September bejubelt und Reaktionen auf die Taten veralbert.

In der Nacht zum Sonntag hatte der 29-jährige in einem Schwulenclub in Orlando (Florida) 49 Menschen getötet und 53 verletzt, bevor er von der Polizei erschossen wurde. Von den Verletzten befanden sich am Montag noch fünf in einem lebensbedrohlichen Zustand.

Der Täter hatte gegen 2.00 Uhr kurz vor der Schließung des Nachtclubs „Pulse“ das Feuer auf die Besucher eröffnet. Etwa drei Stunden später wurde der mit einem Gewehr vom Typ AR-15 und einer Handfeuerwaffe ausgerüstete Mann in einem Feuergefecht mit einem Sonderkommando der Polizei getötet. Zuvor hatten sich die Beamten unter anderem mit Hilfe eines Sprengsatzes Zugang zum Club verschafft.

Nach bisherigem Ermittlungsstand des FBI war kein internationales Terrornetzwerk in die Tat involviert. FBI-Direktor James Comey zeichnete am Montag eine sehr verworrene Motivlage des Attentäters. Der Schütze habe sich während der Attacke in drei kurzen Telefonaten sowohl zum „Islamischen Staat“ (IS) bekannt als auch zu den Attentätern des Boston-Marathons und zur al-Nusra-Front. Vor einigen Jahren habe er gesagt, er sympathisiere mit der Hisbollah und mit Al-Kaida. Die genannten Organisationen bekämpfen sich jedoch gegenseitig, die Boston-Attentäter haben mit dem IS nichts zu tun. Comey sagte, die Angaben passten nicht zueinander.

Wie die junge Welt berichtete, war Omar Mateen in den vergangenen Jahren zwei Mal Gegenstand von Ermittlungen des FBI, in deren Verlauf er befragt, überprüft und observiert wurde. „2013 war er der Bundespolizei gemeldet worden, weil er im Kollegenkreis prahlerisch angedeutet hatte, er habe Beziehungen zu Terrororganisationen. 2014 beschäftigte sich das FBI mit ihm, weil er Kontakt zu einem Mann gehabt hatte, der etwas später als Selbstmordattentäter für die ‚Al-Nusra-Front‘ in Syrien starb. Beide Male brach das FBI die Ermittlungen ab, weil Mateen angeblich nichts nachzuweisen war.“ (1)

Laut Aussagen des FBI-Direktors war die Bluttat nicht Teil eines größeren Terrorplans gewesen. Der IS-Radiosenders „Al-Bajan“ und eine IS-nahe „Agentur“ hatten am Sonntag behauptet, Mateen sei ein Kämpfer der Terrormiliz gewesen. Ermittler gehen jedoch davon aus, dass es sich hierbei um eine Trittbrettfahrer-Aktion handelt.

Mateen soll sich selbst radikalisiert haben, unter anderem durch extremistische Quellen im Internet. Er gilt somit als ein „einsamer Wolf“ – das FBI schließt jedoch weiterhin nicht aus, dass es Mittäter oder Helfershelfer gab.

Mateens 2011 von ihm geschiedene Ehefrau sagte, ihr Ex-Mann sei gewalttätig und psychisch labil gewesen. Mateen wurde als Sohn afghanischer Einwanderer 1986 in New York geboren. Sein Vater ist ein politischer Aktivist und sagt, sein Sohn habe extreme Probleme mit Homosexuellen gehabt.

Allerdings war er Medienberichten zufolge häufiger Besucher des Nachtclubs, in dem er später das Blutbad anrichtete. Ein Augenzeuge berichtete dem Orlando Sentinel, er habe ihn mindestens ein Dutzend Mal in der Lokalität gesehen. Andere Augenzeugen erklärten, Mateen habe auch eine bei Schwulen populäre Dating-App benutzt. Den Berichten zufolge sind die Informationen Gegenstand der polizeilichen Ermittlungen zur Motivlage.

Neben dieser wirft auch der Polizeieinsatz Fragen auf. Noch ist unklar, ob Unschuldige auch durch fehlgeleitete Polizeikugeln starben oder verletzt wurden. Ebenso unklar ist, warum das Sonderkommando erst drei Stunden nach Beginn des Amoklaufs den Nachtclub stürmte.

Wahlkampfzeit

Fünf Monate vor der Präsidentschaftswahl wurde die Tat sofort Gegenstand des erbitterten Wahlkampfs. Der republikanische Präsidentschaftsbewerber Donald Trump nutzte das Massaker, um für seine Idee eines abgeschotteten Landes zu werben.

Obwohl der Attentäter in den USA geboren wurde, sagte Trump: „Wir können nicht weiterhin Tausenden und Abertausenden Menschen erlauben, in unser Land zu strömen, von denen viele das gleiche Gedankengut haben, wie dieser brutale Killer.“  Viele Prinzipien des radikalen Islamismus seien „nicht vereinbar mit westlichen Werten und Institutionen“, erklärte Trump. „Sie versklaven Frauen und ermorden Schwule“, sagte der Milliardär. „Ich will sie nicht in unserem Land haben.“ Mit Blick auf in die USA kommende Flüchtlinge aus Syrien sprach er von einer „besseren, größeren Version des Trojanischen Pferdes“.

Die USA haben seit 2015 rund 3800 Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen – ein verschwindend geringer Bruchteil dessen, was weit kleinere Länder in Europa aufgenommen haben. Weit weniger auch, als das Kontingent von zehntausend Flüchtlingen, das Präsident Barack Obama in internationalen Gesprächen zugesichert hatte.

Auch die designierte Präsidentschaftskandidatin der Demokraten, Hillary Clinton, nutzte die Wahlkampf-Gelegenheit: „Wenn ich Präsidentin bin, werde ich ein Konzept vorlegen, wie man Einsame Wölfe bekämpft“, tönte die ehemalige Außenministerin.

Sie sprach sich erneut für ein strengeres Waffengesetz aus. Zwar hätten gesetzestreue Bürger ein Recht, eine Waffe zu tragen, sagte Clinton. „Aber wir können Maßnahmen ergreifen, damit Waffen nicht in die Hände von Kriminellen und Terroristen fallen.“

Mateen, der seit 2007 für das Sicherheitsunternehmen G4S arbeitete und gerne T-Shirts mit Emblemen der New Yorker Polizei trug, hatte kurz vor der Tat legal ein Gewehr und eine Pistole erworben. Militärische Schutzkleidung wurde ihm dagegen verwehrt.

Auf die Forderung seiner Kontrahentin nach schärferen Waffengesetzen erwiderte Donald Trump: „Sie will Waffen nur noch in den Händen der bösen Buben, nicht in denen der Guten.“ Damit argumentiert er auf Linie der US-Waffenlobby, die sich gerne des nach Wildwest klingenden Mottos bedient: „Das beste Mittel gegen einen Bösen mit Waffe ist ein Guter mit Waffe.“

„Unverantwortliche Pro-Waffen-Propaganda legt nahe, dass Waffen die Gesellschaft sicherer machen, wenn alle Hinweise das Gegenteil anzeigen“, äußerte sich der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Said Raad al-Hussein, am Dienstag in Genf zur Debatte in den USA. „Es ist schwer, eine rationale Begründung zu finden, die erklärt, wieso Menschen dort so einfach Schusswaffen kaufen können.“ Die Vereinigten Staaten müssten ihrer Verpflichtung nachkommen, ihre Bewohner vor solchen Angriffen zu schützen.


 Anmerkungen

(1) https://www.jungewelt.de/2016/06-14/030.php

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