Omar bin Laden – eine Wunderkerze für das öffentliche Bewusstsein

(04.01.2010/hg)

Passend zum weihnachtlichen Terrorhype, bei dem ein nigerianischer „Terrorist“ mit einer jemenitischen Bombe in der Unterhose auf einem Flug von Amsterdam nach Detroit von beherzten Passagieren außer Gefecht gesetzt worden sein soll, wurde noch eine weitere Wunderkerze zum medialen Aufleuchten des Al Qaeda Phantoms gezündet: Omar bin Laden, viertältester Sohn von Osama, tingelt mit seiner Lebensgeschichte durch die Presse und TV-Kulturmagazine.

„Aufgewachsen als bin Laden“* heißt das Werk, in dem Sohn Omar und Mutter Najwa, Osamas erste Frau, das verheerende Bild eines herrschsüchtig-fundamentalistischen Vaters und Ehemannes zeichnen. Obwohl bereits am 27. Oktober 2009 beim New Yorker Bestsellerverlag St. Martins Press erschienen, passte das Sujet den sonst im Bereich des Boulevardesken stets um Aktualität bemühten deutschen Medien offensichtlich erst in die Nachrichtenlücke um Weihnachten und Neujahr. Nun soll die Story helfen, das öffentliche Bewusstsein zu schärfen für den „gefürchtetsten und meistgesuchten Mann der Welt – die Verkörperung des Bösen schlechthin – von Al Qaeda als Heilsbringer verehrt“ (Zitate: Dieter Moor in ttt – titel thesen temperamente, ARD, 3. Januar 2010).

„Nur mit gesenktem Blick durfte ich mich dem Vater nähern, Prügel waren an der Tagesordnung, lautes Lachen war verboten“, rechnet Sohn Omar vor den ARD-Kameras mit seinem Vater ab. In der Programmankündigung heißt es bei „Das Erste“ vollmundig, ttt wolle „einen Blick in die private Welt des Mannes“ werfen, „der den Westen das Fürchten lehrte“. „Mein Vater hasste seine Feinde mehr als er seine Kinder liebte”, lautet dementsprechend das Fazit des heute 28-jährigen Mannes, der mit einer Engländerin verheiratet ist. Sohn Omar durfte angeblich keine Schule besuchen und wurde – wie alles Söhne Osamas – schon früh in Al Qaeda Trainingscamps im Waffengebrauch geschult. „Alles was mit dem Namen Osama bin Laden verbunden ist, verfolgt mich“, erklärt der Sohn und der ARD-Bericht stellt schnell den Bezug zum 11. September 2001 her. Dass Osama bin Laden gar nicht wegen des 11. 9. vom FBI gesucht wird, sondern ihm vielmehr die Anschläge auf die US-Botschaften von Nairobi und Daressalam im Jahr 1998 vorgeworfen werden, verschweigt der Kommentar geflissentlich. Aber was soll’s, mit Fakten nimmt es die ARD nicht so genau.

Nun ist der Zuschauer gespannt, was Sohn Omar über den Verbleib seines Vaters zu sagen hat und erhofft sich Licht im Dunkel der Spekulationen über Osamas Tod oder möglichen Unterschlupf in Pakistan, Iran oder wo immer die angeblichen „Videobotschaften“ der letzten Zeit entstanden sein mögen. Aber in dem Moment, wo es spannend wird, erklärt Omar lapidar, er habe seit 2001 keinen Kontakt mehr zu seinem Vater gehabt.

Bin-Laden-Familie in Teheran versteckt?

Bereits am 23. Dezember hatten die Medien berichtet, die Bin-Laden-Familie werde seit Jahren in Teheran „versteckt“. Von wem und warum sie „in einem Hochsicherheitstrakt außerhalb der iranischen Hauptstadt“ untergebracht ist, enthüllten die Blätter nicht.

Mit Bezug auf die britische Times meldete dpa, mindestens eine seiner Frauen, sechs seiner Kinder und elf Enkelkinder lebten unfreiwillig wie unter Hausarrest. Die Quelle dieser detaillierten Angaben ist wiederum Sohn Omar. Nach seinen Angaben gegenüber der Times hatten die Familienangehörigen im September 2001 ihre Bleibe in Afghanistan zu Fuß verlassen und in Teheran Unterschlupf gefunden. Das alles will er in einem Telefonat erfahren haben, als er aus heiterem Himmel im November einen Anruf von seinen Brüdern und Schwestern aus Teheran erhielt. Nur seltsam, dass sie ihm gleichzeitig erklärten, ihnen sei es nicht möglich, die Außenwelt zu kontaktieren.

Omar bin Ladens „Enthüllungen“ sind widersprüchlich und passen doch blendend in eine Zeit, da die alliierte Anti-Terror-Front zu bröckeln drohte. Omar leistet den westlichen Machthabern an der Unterhaltungsfront einen unschätzbaren Dienst, nämlich der dauernd beschworenen „weltweiten Bedrohung durch Al Qaeda und den islamistischen Terrorismus“ wieder ein Gesicht zu geben.


Englischer Originaltitel: Growing Up Bin Laden: Osama’s Wife and Son Take Us Inside Their Secret World. Das Buch liegt bisher nur in Englisch vor.

ARD ttt-Sendung vom 3. Januar 2010 / Omar bin Laden: http://www.youtube.com/watch?v=cQ1u0oK1k7c

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