NSU-Mordserie: Verfügte Verfassungsschützer über Täterwissen?
(15.04.2014/dpa)
Nebenklage-Anwälte haben im NSU-Prozess neue Zweifel an der Rolle eines ehemaligen Verfassungsschützers beim Mord an Halit Yozgat 2006 in Kassel angemeldet. Die Anwälte von Yozgats Eltern stellten am Dienstag vor dem Münchner Oberlandesgericht mehrere Beweisanträge. Damit wollen sie nach eigener Aussage aufzeigen, das Andreas Temme „über exklusives Täter- oder Tatwissen“ verfügt habe. Temme, wegen seiner Affinität zu rechtsextremen Ideologien in seinem Heimatort auch als „kleiner Adolf“ bekannt, habe schon damals die Information, dass es sich bei dem Mord um das Werk von Serientätern handle, weitergegeben, zu einem Zeitpunkt also, als diese Information noch gar nicht über Medien öffentlich verbreitet war.
Temme saß 2006 während des Mordes an Yozgat im hinteren Raum von dessen Internetcafé. Der Verfassungsschützer hatte sich als einziger der Anwesenden im Internetcafé nach der Tat nicht als Zeuge gemeldet. Ermittlungen gegen ihn wurden allerdings unter äußerst fragwürdigen Begründungen eingestellt. Die Bundesanwaltschaft geht nicht davon aus, dass er mit dem Mord etwas zu tun hatte. In seinen bisherigen Vernehmungen hatte Temme stets behauptet, von der Tat nichts mitbekommen zu haben.
„Der Zeuge lügt“, bewertete Die Welt vor zwei Wochen das Verhalten des Geheimdienstmannes vor Gericht. „Allen im Saal ist das klar: der Verteidigung, den Bundesanwälten, den Richtern und den Nebenklägern. Andreas T. muss etwas gesehen haben, als er das Internetcafé verlassen hat. Das geht aus dem Polizeivideo, in dem er seinen Aufenthalt nachspielt und das im Gerichtssaal A101 vorgeführt wird, klar hervor. Der Ex-Verfassungsschützer kann die Leiche, die hinter einem hüfthohen Schreibtisch lag, gar nicht übersehen haben, als er das Café in Kassel verlassen hat. Und vielleicht hat er sogar den Mord selbst beobachtet.“ (1)
Anmerkungen
(1) http://www.welt.de/print/die_welt/politik/article126420344/Die-lange-Suche-nach-der-Wahrheit.html