Neben Goldman-Sachs nun auch Deutsche Bank im Visier der US-Ermittler
(19.02.2010)
Mit der Klage der US-Börsenaufsicht gegen Goldman Sachs kommt möglicherweise mehr ins Rollen.
Die Securities and Exchange Commission (SEC) wird nach eigenem Bekunden prüfen, ob auch andere große Adressen an der Wall Street bei der Strukturierung von Wertpapieren die Grenzen zur Irreführung der Investoren überschritten haben. Zumindest wird das Verfahren detailliert beleuchten, wie die Geschäfte mit jenen Finanzkonstrukten funktionierten, die zu den Auslösern der weltweiten Finanzmarktkrise gehörten.
Die am Freitag eingereichte Betrugsklage der SEC gegen Goldman Sachs hat ein offenes Geheimnis an Wall Street ins Visier genommen: Nachdem der Markt für Wohnimmobilien vor ein paar Jahren zu bröckeln begann, haben Banken auch Finanzprodukte strukturiert, die Schlüsselkunden wie Hedgefonds gleichzeitig Wetten auf den Zusammenbruch des Marktes für eben diese Produkte ermöglichten.
Zu den Instituten, die solche, bald unter Wertverlust leidenden Hypothekendeals konstruiert haben, gehören die Deutsche Bank AG, die UBS AG und Merrill Lynch & Co, inzwischen Teil der Bank of America Corp. Ob die SEC Transaktionen dieser Gesellschaften untersucht, ist allerdings nicht bekannt.
Kernpunkt bei der Klage gegen Goldman Sachs ist die Rolle des Hedgefonds-Investors John Paulson. Er soll zugleich gegen Hypothekenpapiere gewettet und die die von Goldman Sachs verkauften Papiere strukturiert haben. Die Investoren wussten davon allerdings nichts. Die beschuldigte Bank argumentiert, sie habe ihre Kunden vollständig über die angebotenen Investments informiert und habe die Verbindung zu Paulson nicht offenlegen müssen.
Die Deals brachten den beteiligten Firmen rund 1 Mrd US-Dollar an Gebühren ein, sagten Händler. Käufer der Papiere hätten dagegen oft hohe Verluste erlitten. Inzwischen wird über private Klagen und nun auch die Klage der SEC gegen Goldman Sachs versucht, Lichts ins Dunkel der Struktur einiger dieser Transaktionen zu bringen.
Unter anderem führten die Hypothekeninvestments und ihre Wertverluste zum Beinahe-Kollaps der weltgrößten Versicherung American International Group Inc (AIG). Mit massivster Hilfe des amerikanischen Staates wurde der Zusammenbruch im Herbst 2008 verhindert.
Robert Khuzami, Direktor der SEC-Vollstreckungsabteilung, kündigte am Freitag eine genaue Untersuchung von Hypothekenpapieren an, die jenen ähnelten, auf denen die Klage gegen Goldman Sachs basiert. Im Mittelpunkt stehen dabei Collateralized Debt Obligations (CDO) – Finanzinstrumente, die mit forderungsbesicherten Wertpapieren und komplexen Derivaten auf Hypothekenbonds hinterlegt sind.
In der Schlussphase des Booms am US-Häusermarkt kooperierten einige Hedgefonds, die bereits an der Widerstandskraft des Marktes zweifelten, mit den Banken bei der Strukturierung solcher CDO. Dabei achteten sie allerdings darauf, dass sie die Möglichkeit hatten, gegen die strukturierten Wertpapiere zu wetten. Häufig kauften die Hedgefonds einer Versicherung ähnelnde Kontrakte, so genannte Credit Default Swaps, deren Wert stieg, sobald die Bonds und somit die CDO an Wert verloren.
Bei der Goldman-Konstruktion, die im Mittelpunkt der SEC-Klage steht, wurden bis zum Januar 2008 rund 99% der zugrundeliegenden Hypothekenpapiere von den Ratingagenturen heruntergestuft.
Auch einige der von Deutscher Bank, Merrill und UBS kreierten CDOs gerieten schnell ins Trudeln, wie aus Analystenberichten hervorgeht. Auch hier seien die Hypotheken, auf denen sie basierten, von den Ratingagenturen deutlich zurückgestuft worden. Händler und Banker der Deutschen Bank seien bereits im September 2005 wegen der Probleme im Wohnimmobilienmarkt aufmerksam geworden und damit Jahre vor dem endgültigen Zusammenbruch des Marktes.
Seinerzeit habe bereits ein hochrangiger Analyst der Bank vor Verlusten bei so genannten Subprimekrediten gewarnt. In einem Bericht, den er nach dem Besuch von Hypothekenvertriebsfirmen in Kalifornien geschrieben habe, habe er es als “vernünftig” bezeichnet, Versicherungen gegen Ausfälle bei Hypothekenbonds zu kaufen.
Von 2005 bis Ende 2006 habe der US-Wertpapierbereich der Deutschen Bank verschiedene CDOs im Segment Hypothekenversicherung kreiert, gegen die deren Hedgefondskunden gewettet hätten, sagten mit der Situation vertraute Personen dem “WSJ”. Zu den Hedgefonds habe auch der nun ins Visier der SEC geratene Fonds von Paulson & Co gehört.
Paulson & Co habe die Deutsche Bank bei der Auswahl von Hypothekenaktiva für einige ihrer CDOs beraten, sagten Händler. Einigen der Empfehlungen sei das Frankfurter Institut gefolgt. Paulson und sein Team hätten dann von der Deutschen Bank Versicherungen für bestimmte Wertpapiere in den CDOs erworben.
Investoren, die Teile der CDOs kauften, seien nicht explizit über die Wetten der Hedgefonds informiert worden, erklärten mit der Situation vertraute Informanten. Allerdings seien ihnen die Hypothekenbonds genannt worden, für die zur Absicherung Swaps gezeichnet worden seien.
Die CDOs der Deutschen Bank seien unter dem Namen Static Residential CDOs (“START”) bekannt gewesen. Viele dem Konstrukt zugrunde liegende Hypotheken seien von den Ratingagenturen zurückgestuft worden und verloren an Wert, nachdem sich Zahlungsausfälle der US-Hypothekennehmer häuften. Parallel dazu hätten die Hedgefondskunden der Deutschen Bank vom Anstieg des Werts der Versicherungen für diese Bonds profitiert. Die Deutsche Bank wollte sich dazu am Montag nicht äußern.
Einige Händler und Wall-Street-Firmen hatten das Ende des Häuserbooms schon früh im Blick. So habe der New Yorker Vermögensverwalter Tricadia Capital im Januar 2007 Investoren eines Hedgefonds darauf hingewiesen, dass in dem Fonds “bedenkliche Risse” aufträten. In einem Brief an die Anleger, in den das “WSJ” Einsicht hatte, hieß es, 2007 könne das Jahr werden, in dem die großen strukturierten Kreditprodukte rückabgewickelt werden müssten – mit nachhaltigen Folgen für die Märkte weltweit. Der Fonds sei derart positioniert, dass er von den “Verwerfungen an den Kreditmärkten profitieren” werde.
Zu den Anlegern des von der SEC-Klage betroffenen Goldman-Sachs-Vehikel Abacus zählte die IKB Deutsche Industriebank AG. Sie habe 150 Mio US-Dollar in Abacus investiert, geht aus der Klage der Börsenaufsicht hervor. Wenige Monate nachdem Abacus geschlossen wurde, war das Investment der einst zur staatlichen Förderbank KfW gehörenden Bank nichts mehr wert. Die IKB konnte im Sommer 2007 nur mit staatlicher Milliardenhilfe gerettet werden.
Betroffen von dem Ausfall waren am Ende auch Städte und Gemeinden in Amerika, so dass gegen die IKB inzwischen auch eine Klage des King County anhängig ist, eines Bezirks im Westen des US-Bundesstaates Washington.
Quelle: Dow Jones Deutschland