NDR prüft nach Enthüllungen rechtliche Schritte gegen ehemaligen Mitarbeiter
Ex-Tagesschau-Redakteur Teske wirft ARD Marginalisierung gegenläufiger Ansichten und fehlende Distanz zur Regierung vor / NDR: „subjektive Erinnerungen eines einzelnen, ehemaligen Mitarbeiters“ / Ex-Tagesthemen-Redakteurin bestätigt Teskes Kritik
(Diese Meldung ist eine Übernahme von multipolar.)
Der Norddeutsche Rundfunk (NDR) prüft, ob er gegen den ehemaligen Tagesschau-Planungsredakteur Alexander Teske juristisch vorgeht. Zuvor hatte Teske den Redaktionsverantwortlichen in seinem Buch „Inside Tagesschau – zwischen Nachrichten und Meinungsmache“ unter anderem vorgeworfen, das Gebot der journalistischen Neutralität zu verletzen. Bereits zwei Tage vor dem offiziellem Erscheinungstermin des Buches am 20. Januar hatte Teske in einem Interview mit der Berliner Zeitung seine wesentlichen Thesen genauer ausgeführt. So wirft der Journalist der vom NDR in Hamburg produzierten Tagesschau einseitige Berichterstattung vor. Diese liege zum einen in fehlender kritischer Distanz zur Politik begründet, zum anderen in einer verfehlten thematischen Schwerpunktsetzung, die vor allem auf dem „Weltbild der Redakteure“ basiert.
Wie die Ippen-Medien Münchner Merkur und Frankfurter Rundschau am 23. Januar zuerst berichtet hatten, bezeichnete der NDR die Vorwürfe Teskes als einseitige, „subjektive Erinnerungen eines einzelnen, ehemaligen Mitarbeiters“ und gab bekannt, das Buch auf mögliche Rechtsverletzungen zu prüfen. In einer ausführlicheren Stellungnahme gegenüber der Berliner Zeitung am Folgetag kritisierte der NDR, dass Teske es versäumt habe, die in seinem Buch kritisierten Mitarbeiter des öffentlich rechtlichen Rundfunks um eine eigene Darstellung zu bitten. Zudem sei Teske einer Einladung der Chefredaktion zur internen Diskussion des Buches nicht nachgekommen.
Auf Anfrage von Multipolar hält der NDR außerdem fest, dass sich der Autor „nicht an die von ihm selbst eingeforderten journalistischen Standards“ halte. Teskes Angaben zur Berichterstattung der Tagesschau seien „vielfach falsch oder irreführend“. Redaktionelle Entscheidungen würden bei ARD-aktuell infolge von Diskussionen in den Redaktionskonferenzen getroffen und seien Ergebnis eines „Zusammenspiels mehrerer Teams“. Interne Feedbackrunden, in denen „die eigene Arbeit hinterfragt wird“, seien darüber hinaus „fester Bestandteil“ des Redaktionsalltags.
Die Vorwürfe in Teskes Buch richten sich unter den redaktionell verantwortlichen Personen in erster Linie gegen den Chef vom Dienst, welcher mehr Entscheidungsgewalt über die besagten Themenschwerpunkte ausübe als die Redaktion im Allgemein, einschließlich des ihm vorgesetzten Chefredakteurs. Die Redaktionsmitglieder zeichneten sich insgesamt durch eine politische Nähe zu den Grünen sowie der SPD aus. Am Beispiel von Journalisten wie Michael Stempfle oder Anna Engelke beschreibt Teske außerdem sogenannte Drehtüreffekte zwischen Politik und Medien.
Seine Kritik, die Tagesschau-Berichterstattung setze ungleiche Schwerpunkte, macht der in der DDR aufgewachsene Teske unter anderem an der Marginalisierung von Stimmen aus Ostdeutschland fest. Die Redaktion beschreibt er als „westdeutsch“ und „elitär“. Einigkeit zeigten die Redaktionsmitglieder auch in ihrer politischen Voreingenommenheit gegenüber der AfD. Vor diesem Hintergrund habe es die Tagesschau beispielsweise versäumt, über das Themenfeld Migration und Kriminalität ausgewogen zu berichten. In der Corona-Krise habe sie derweil „überwiegend die Regierungsmeinung bestätigt“, wie der ehemalige ARD-Mitarbeiter in seinem Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) unterstrich.
Teske zufolge schlägt sich der politische „Aktivismus“ der Tagesschau insbesondere in den Beiträgen des ARD-Faktenfinders nieder. Den ehemaligen Faktenfinder-Redakteur Patrick Gensing führt Teske auf seiner Homepage als Beispiel für Haltungsjournalismus an. Teske erkennt auch bei Gensings Nachfolgern eine politische Tendenz, die sich etwa im Umgang mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) oder der vorschnell aberkannten Brisanz der von Multipolar freigeklagten RKI-Krisenstabs-Protokolle manifestiere.
In Reaktion auf Teskes Buch veröffentlichte die ehemalige Tagesthemen-Moderationsredakteurin Annekatrin Mücke einen Gastbeitrag in der Berliner Zeitung. Darin bestätigt sie unter anderem die Diskriminierung Ostdeutscher und beschreibt ein engmaschiges Verhältnis der Redaktion zu den US-amerikanischen Kollegen („Standleitung“). Mücke führt mehrere Beispiele für den verfehlten Umgang der Tagesschau-Redaktion mit brisanten Themen an – darunter auch die einseitige Schuldzuweisung an den ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch für die Todesopfer auf dem Kiewer Maidan im Februar 2014.
Der NDR stand bereits im August 2022 im Zentrum einer Debatte um „politische Filter“, nachdem sich Mitarbeiter laut durchgestochenen Dokumenten eines vertraulichen Untersuchungsausschusses über eine „politisch motivierte Einflussnahme“ im Landesfunkhaus Kiel beklagt hatten. Im Oktober 2021 veröffentlichte der damalige SWR-Redakteur Ole Skambraks auf Multipolar unter dem Titel „Ich kann nicht mehr“ einen offenen Brief, in dem er die einseitige Berichterstattung zur Corona-Krise schilderte, welcher er sich als Redaktionsmitglied ausgesetzt sah. Skambraks wurde daraufhin entlassen und einigte sich in einer späteren Gerichtsverhandlung mit seinem ehemaligen Arbeitgeber auf einen Vergleich.