Ukraine-Krieg

NATO uneins über erweiterte Beteiligung am Ukraine-Krieg

Ukraine darf russisches Territorium mit westlichen Waffen angreifen / Jeder NATO-Mitgliedsstaat soll selbst Erlaubnis erteilen / Moskau droht mit „fatalen Konsequenzen“

(Diese Meldung ist eine Übernahme von multipolar)

Die Mitgliedsstaaten des westlichen Militärbündnisses NATO sind sich uneins über die Ausweitung ihrer Beteiligung am Krieg in der Ukraine. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg sprach sich auf einem informellen Treffen der NATO-Außenminister am 31. Mai in Prag dafür aus, im Ukraine-Krieg „einige Einschränkungen zu überdenken“. Galt bisher, dass westliche Waffen nur „zur Selbstverteidigung“ auf formal ukrainischem Territorium verwendet werden dürfen, soll die Ukraine ab sofort auch Ziele auf russischem Staatsgebiet mit ihnen angreifen dürfen. Stoltenberg betonte, dass dies keine NATO-Entscheidung sei, sondern jeder der 32 Mitgliedsstaaten für sich entscheiden könne.

Bis zu zehn Länder hatten dies bereits zuvor erlaubt, darunter Polen, Litauen, Finnland, die Niederlande und das Vereinigte Königreich. Nachdem sich Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ebenfalls für die Aufhebung von Einsatzbeschränkungen ausgesprochen hatte, erlauben nun auch die USA und Deutschland mit Einschränkungen den Einsatz ihrer Waffen auf russischem Territorium.

Andere NATO-Mitglieder lehnen dies auch weiterhin entschieden ab. Italiens Außenminister Antonio Tajani sagte gegenüber dem Fernsehsender „RAI“, dass alle Waffen, die aus Italien in die Ukraine gehen, nur in der Ukraine eingesetzt werden sollten. Auch Belgien fordert von der Ukraine, dass die gelieferte Munition nicht für Angriffe auf Ziele in Russland verwendet wird. Die belgische Regierung hatte zuvor bestätigt, dass sich an den Beschränkungen bezüglich der Waffenlieferungen an die Ukraine nichts geändert habe.

Griechenland schließt aus, Luftabwehrsysteme wie Patriot oder S-300 in die Ukraine zu schicken, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtete. Demnach hatten die EU und die NATO-Verbündeten Druck aufgebaut, damit Griechenland Kiew mehr Militärhilfe zukommen lässt. Laut Politico werde auch Spanien, das wie Griechenland über Luftabwehrsysteme verfügt, keines davon in die Ukraine liefern.

Nach dem NATO-Treffen in Prag sagte der türkische Außenminister Hakan Fidan gegenüber Alarabiya News, dass sein Land gegen die Beteiligung der NATO am Ukraine-Krieg sei. Dementsprechend auch gegen die Entscheidung der Bündnispartner, Kiew zu erlauben, Russland mit ihren Waffen anzugreifen. Sein Land werde sich nicht am Ukraine-Krieg beteiligen.

Der bulgarische Präsident Rumen Radev betonte am 3. Juni, dass durch die Aufhebung der Beschränkungen eine weitere rote Linien überschritten werde. Radev hat sich in der Vergangenheit wiederholt für eine friedliche Beilegung des Konfliktes ausgesprochen, so auch beim Besuch seines ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenskij in Sofia. Die Beteiligung der NATO am Ukrainekrieg sei bereits jetzt „ein offenes Geheimnis“, sagte der bulgarische Präsident. Nun bestehe die Gefahr einer unkontrollierte Eskalation bis hin zum Atomkrieg.

Die englische Tageszeitung „The Telegraph“ berichtete am 3. Juni, dass ukrainische Truppen tags zuvor vermutlich Himars-Raketen aus den USA eingesetzt haben, um ein Luftabwehrsystem in der russischen Stadt Belgorod zu zerstören. Eine mit Boden-Luft-Raketen des Typs S-300/400 ausgerüstete Luftabwehranlage soll dabei von mehreren Raketen getroffen worden sein, wie auf Fotos zu sehen ist. Russische Medien und der Gouverneur der Stadt Belgorod melden jedoch, dass die ukrainische Armee vor allem zivile Ziele wie Wohnhäuser angreife.

Der stellvertretende Außenminister Russlands, Sergej Rjabkow, erklärte, dass die USA mit „fatalen Konsequenzen“ rechnen müssten, wenn sie der Ukraine erlaubten, US-Waffen für Angriffe innerhalb Russlands einzusetzen. Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses in der Staatsduma, Andrej Kartapolow, kündigte an, Russland werde auf die Angriffe mit westlichen Waffen „asymmetrisch“ reagieren. Präsident Wladimir Putin deutete in einer Pressekonferenz am 6. Juni die Möglichkeit an, Gruppierungen, die in anderen Teilen der Welt mit westlichen Staaten in Konflikt stehen, von nun an mit russischen Waffen zu beliefern.

Auch die Debatte um den Einsatz eigener Soldaten in der Ukraine reißt in einigen NATO-Ländern nicht ab. Der französische Präsident Emmanuel Macron erwägt seit Monaten öffentlich, französische Bodentruppen in die Ukraine zu entsenden. Dafür wurde er in Frankreich lagerübergreifend kritisiert. Kritik kam auch vom italienischen Vize-Premierminister Matteo Salvini, der Macron empfahl, „Helm und Weste“ anzuziehen und selbst in den Ukraine-Krieg zu ziehen. Italien wolle „Frieden und keinen Dritten Weltkrieg am Horizont.“

Ein französischer General im Ruhestand erklärte nun jedoch öffentlich, dass Militärs seines Landes bereits seit dem russischen Einmarsch im Februar 2022 in der Ukraine aktiv sind. Es handele sich dabei um Spezialisten für die von Frankreich gelieferten Cesar-Haubitzen. Die Fremdenlegion, die Teil der französischen Armee ist und direkt dem Staatspräsidenten untersteht, lässt nach Aussage eines gefangen genommenen Fremdenlegionärs schon seit Kriegsbeginn 2022 freiwillige Kämpfer in die Ukraine ziehen. Dass französische und britische Soldaten an der Zielsteuerung gelieferter Marschflugkörper in der Ukraine beteiligt sind, hatte Bundeskanzler Olaf Scholz bereits im Februar erklärt. Deutsche Luftwaffenoffiziere hatten die Anwesenheit britischer Soldaten in einem abgehörten Gespräch ebenfalls thematisiert.

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