Multimillionär Rishi Sunak ist neuer britischer Premier
Innerhalb von wenigen Monaten hat Großbritannien mit Rishi Sunak bereits den dritten Premierminister. Nachdem Boris Johnson wegen diverser Skandale im Sommer von seinen Ämtern als Parteichef der konservativen Tories und als Premierminister zurücktreten musste, hatte die ehemalige Außenministerin Liz Truss übernommen. Bereits bei der Abstimmung im September hieß ihr größter Herausforderer Rishi Sunak, doch Truss, die dem rechtskonservativen Flügel der Partei angehört, konnte sich zunächst durchsetzen. Manche Beobachter sagen, Sunak habe gegen Truss den Kürzeren gezogen, weil sein Image wegen der von ihm durchgepeitschten Steuererhöhungen angekratzt gewesen sei. Zudem habe er mit seinem Rücktritt als Finanzminister und seiner schonungslosen Kritik an Boris Johnson zu dessen Fall beigetragen, was ihm viele Leute an der Parteibasis übelgenommen hätten. 1 Nachdem Liz Truss nach nur sechs Wochen aufgrund ihrer gescheiterten Steuerreform, die Spitzenverdiener und Unternehmen entlasten sollte, ihren Sessel räumen musste, bekam Sunak, der das eingetretene Finanzchaos bereits im Sommer vorhergesagt hatte, eine zweite Chance. 2
Der ehemalige Finanzminister trat mit dem Versprechen an, Großbritanniens Wirtschaft wieder auf Kurs zu bringen. Er habe bereits in der Vergangenheit geholfen, sie durch die „schwersten Zeiten durchzulotsen“, und heute seien die Herausforderungen sogar noch größer, so Sunak. „Ich habe bewiesen, dass ich abliefere, ich habe einen klaren Plan, um die größten Probleme zu beheben.“ Unter ihm als Premier werde es Integrität, Professionalität und Rechenschaftspflicht auf jeder Ebene der Regierung geben, und er werde Tag und Nacht arbeiten, um seine Aufgabe zu erfüllen. 3 Seine Partei schwor Sunak auf Einigkeit ein: „Unite or die“, rief er den Tories bei seiner Antrittsrede zu. Die Konservativen seien in ihrer Existenz bedroht, und er wolle sie zurück zu den Werten ihres Manifests von 2019 führen, die ihnen eine Mehrheit von 80 Sitzen eingebracht hatten. 4
Wer ist Rishi Sunak?
Rishi Sunak ist auf den ersten Blick ein eher untypisches Gesicht an der Spitze des Vereinigten Königreiches. Mit 42 Jahren ist er recht jung, in die Politik kam er als Quereinsteiger erst 2014, nachdem er zuvor eine erfolgreiche Karriere als Analyst bei der Investmentbank Goldman Sachs und als Partner eines Hedge Fonds gemacht hatte. Mit Sunak zieht der erste nicht-weiße Mann und der erste gläubige Hindu in die Downing Street 10 ein. Doch bringt er auch frischen Wind? Abgesehen von seiner ethnischen Zugehörigkeit hat der Sohn eines aus Indien stammenden Arztes und einer Apothekerin eine durchaus nicht untypische Biographie eines Vertreters der großbürgerlichen britischen Oberschicht: teure Privatschulen, Studium an den Elite-Universitäten Oxford und Stanford, eine steile Karriere in der Wirtschaft. Außerdem gehört Sunak zu den reichsten Menschen seines Landes. Er selbst ist mehrfacher Millionär, zudem ist er mit der Milliarden-Erbin Akshata Murty verheiratet, der Tochter des Mitbegründers des indischen IT-Riesen Infosys. Laut der Reichenliste der Sunday Times verfügt das Paar über ein Vermögen von 838 Millionen Euro. 5 Sein Reichtum, den Sunak gern in Form von sündhaft teuren Anzügen und Designerschuhen zur Schau stellt, trägt ihm angesichts der grassierenden Inflation und der von ihm als Finanzminister veranlassten Steuererhöhungen nicht bei allen Bürgern Sympathie ein. 6
Gekrönt statt gewählt
Im Nominierungsprozess, bei dem die Kandidaten mindestens 100 Stimmen der Abgeordneten brauchen, hatte Sunaks Mitbewerberin Penny Mordaunt kurz vor Ende der Nominierungen aufgegeben und Sunak ihre volle Unterstützung versichert. Fünf Minuten später verkündete Sir Graham Brady, Vorsitzender der Parlamentarischen Vereinigung der Konservativen, das offizielle Ergebnis: „Ich bestätige, dass wir eine gültige Nominierung haben und dass Rishi Sunak als Vorsitzender der Konservativen Partei gewählt ist.“ Nach dem Treffen mit König Charles im Buckingham Palace wird Sunak formal das Amt des Premierministers übernehmen. 7
Sunaks Wahl ohne eine echte Abstimmung bringt ihm Kritik aus den anderen Parteien ein. So sagte Angela Rayner, stellvertretende Vorsitzende der Labour Partei, die Tories hätten Rishi Sunak als Premierminister „gekrönt“, ohne dass er auch nur ein Wort darüber gesagt hätte, wie er das Land führen wolle, und ohne dass jemand die Chance gehabt hätte, zu wählen. „Rishi Sunak hat kein Mandat und keine Vorstellung davon, was die arbeitende Bevölkerung braucht. Wir brauchen allgemeine Wahlen, damit die Öffentlichkeit ein Wort dabei mitreden kann, wie es mit Großbritannien weitergeht, und für die Chance eines Neustarts mit Labour.“ Auch die Spitze der Liberal Democrats, Ed Davey, äußerte Kritik. Die Konservativen hätten einen weiteren Premierminister ohne Kontakt zur Basis installiert, der keinen Plan habe, wie er den angerichteten Schaden reparieren solle, und der britischen Bevölkerung kein Mitspracherecht einräume. 8
1https://www.tagesschau.de/ausland/europa/rishi-sunak-portraet-101.html
2https://www.n-tv.de/politik/Mit-Rishi-Sunak-uebernimmt-der-Anti-Johnson-article23671585.html
3https://twitter.com/RishiSunak/status/1584114970723512321
4https://www.theguardian.com/politics/2022/oct/24/sunak-poised-become-uk-pm-mordaunt-johnson-withdraw
5https://www.tagesspiegel.de/politik/rishi-sunak-wird-britischer-regierungschef-vom-investmentbanker-zum-premier-8791759.html
6https://www.tagesschau.de/ausland/europa/rishi-sunak-portraet-101.html
7https://www.theguardian.com/politics/2022/oct/24/sunak-poised-become-uk-pm-mordaunt-johnson-withdraw
8https://www.theguardian.com/politics/2022/oct/24/sunak-poised-become-uk-pm-mordaunt-johnson-withdraw