Mit „Schande“-Rufen empfangen: Barroso und Letta auf Lampedusa

(09.20.2013/dpa)
 
Begleitet von Protesten haben die EU-Spitze und Italiens Regierungschef Enrico Letta auf der Insel Lampedusa zu einer offeneren Haltung Europas in der Flüchtlingspolitik aufgerufen. „Der Notstand Lampedusas ist ein europäischer, Europa kann sich da nicht abwenden“, verlangte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso am Mittwoch. Bei dem Flüchtlingsdrama vor der italienischen Insel waren in der vergangenen Woche Hunderte Menschen ums Leben gekommen. Europas Politik der geschlossenen Türen habe ihre Grenzen erreicht, erklärte die EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström: „Wir müssen hin zu Offenheit und Solidarität, zu geteilter Verantwortung und zu einer wirklich europäischen Antwort.“

Barroso und Letta waren auf Lampedusa von „Schande“-Rufen empfangen worden, Fischerboote ließen aus Protest Sirenen ertönen. Dutzende Insulaner forderten, die Politiker sollten das überfüllte Aufnahmezentrum von Lampedusa besuchen, um sich ein Bild von der prekären Lage der Migranten zu machen. Dem folgten diese dann auch – sie nahmen einen kurzen Besuch noch in ihr Programm auf.

Auch Letta nannte die Katastrophe von Lampedusa ein „europäisches Drama“. Rom werde das Flüchtlingsproblem zu einem zentralen Anliegen machen und die EU um Hilfe bitten. Die Flüchtlingsfrage solle auf dem EU-Gipfel am 24./25. Oktober behandelt werden. Für die Opfer des Schiffbruchs werde es ein Staatsbegräbnis geben, so Letta. Italien entschuldige sich dafür, nur unzulänglich auf eine solche Tragödie vorbereitet gewesen zu sein. Man werde über den Straftatbestand der illegalen Einwanderung diskutieren, kündigte Letta an. Illegale Einwanderer werden in Italien im Regelfall sofort abgeschoben.

Angesichts des starken Flüchtlingsstroms vor allem aus Afrika fühlt sich Italien von seinen europäischen Partnern alleingelassen. Die EU-Innenminister hatten sich zu keiner umfassenden Änderung ihrer Asylpolitik durchringen können.

Schwere Kritik an der europäischen Flüchtlingspolitik haben unterdessen Hilfsorganisationen geübt. Pro Asyl warf in einem Interview des Bayerischen Rundfunk Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich und seinen EU-Amtskollegen „völliges Versagen“ vor: „Das Sterben auf dem Meer wird weitergehen“, sagte Geschäftsführer Günter Burkhardt. Die Flüchtlingsorganisation Gemeinsam für Afrika kritisierte eine europäische Abschottungsstrategie und sprach von einer „menschenverachtenden Praxis unterlassener Seenothilfe“.

Die Zahl der geborgenen Opfer des Unglücks der vergangenen Woche stieg unterdessen auf knapp 300.

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