Ukraine-Krieg

Militärberater fordert Realismus bei Ukraine-Politik

Oberst a.D. Wolfgang Richter kritisiert im ZDF das Fehlen einer Exitstrategie / Waffendebatten „völlig fehlgeleitet“ – Taurus-Lieferung wäre „Eskalation“ / Grünen-Poliker Hofreiter sieht Eskalationsgefahr auf Seiten Russlands

Wolfgang Richter bei Markus Lanz.
Foto: ZDF/ Cornelia Lehmann, Mehr Infos

(Diese Meldung ist eine Übernahme von multipolar)

Der Militärberater und ehemaliger Bundeswehr-Offizier Wolfgang Richter warnt vor einer weiteren Eskalation des Ukraine-Krieges. In der ZDF-Sendung Markus Lanz plädierte der Oberst im Ruhestand für Realismus und für die Entwicklung eines diplomatischen Ausweges aus dem Krieg. Richter arbeitete früher in den deutschen UN- und OSZE-Vertretungen und ist mittlerweile Associate Fellow beim Genfer Zentrum für Sicherheitspolitik (GCSP). Er warnte davor, immer neue Waffen als „Game Changer“ zu sehen.

„Die Diskussion um Waffen war völlig fehlgeleitet, sie war nicht von militärischem Sachverstand geleitet“, sagte er. Eine Waffe sei immer nur so gut, wie sie in einem Gefecht genutzt werden kann. Der Krieg entscheide sich über die bessere Taktik und darüber, welche Ressourcen es gibt. Den Ukrainern fehle es an Personal. „Wir werden es nicht schaffen, deren Personalnöte auszugleichen“, sagte Richter. Die Doppelstrategie von Waffenlieferungen und Sanktionen gegen Russland habe nicht zum Ziel geführt. Die russische Rüstungsindustrie produziere heute mehr als vor dem Krieg, bei den Raketen sei es das Vierfache. „Wir haben eine Strategie gewählt, ohne eine Exitstrategie zu kennen. Wir haben auch innerhalb dieser ganzen Waffenlieferungsdebatten nicht die Risiken erkannt“, sagte Richter. „Mir fehlt in dieser Debatte der Realismus.“

Der ehemalige Offizier spricht sich gegen die Lieferung von Taurus-Raketen mit großer Reichweite und starken Sprengköpfen aus. Sie würde eine Eskalation bedeuten. Eine solche Eskalation sieht Richter auch im ukrainischen Angriff auf das russische Frühwarnsystem vor strategischen Atomwaffen der USA. Hier griffen die Ukrainer in das strategische Gleichgewicht zwischen den US-Amerikanern und Russen ein, das sei auch nicht im Sinne der USA. „Wenn die Russen nicht mehr seegestützte Raketen aus dem Indischen Ozean rechtzeitig erkennen, dann wird die Warnzeit erheblich verkürzt und es entsteht ein unklares Lagebild und das dürfen wir uns im Nuklearzeitalter nicht leisten.“

In einer Analyse für die Friedrich-Ebert-Stiftung hatte Richter bereits im Dezember vergangenen Jahres eine Exit-Strategie gefordert. Verhandlungen erforderten Kompromissbereitschaft, seien aber keine Kapitulation. „Vielmehr geht es darum, russische Sicherheitsinteressen ebenso in den Blick zu nehmen wie das Ziel, die Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine zu erhalten“, schrieb er. Bei Markus Lanz sagte Richter ergänzend, es werde die territoriale Integrität der Ukraine von 1991 realistischerweise nicht mehr geben. „Wer das anstrebt, wird in die Eskalation geraten und die können wir uns nicht leisten.“ Er wies zudem darauf hin, dass die verschiedenen Rückversicherungsabkommen von den USA und nicht von Russland gekündigt worden seien.

Der Grünen-Politiker Anton Hofreiter widersprach dem Oberst a.D. in der Sendung vehement. Die Eskalationsgefahr liege nicht darin, die Ukraine zu unterstützen. „Die Erfahrung der letzten 15 Jahre mit Putin ist, dass die Eskalationsgefahr dann besteht, wenn man ihm nachgibt“, sagte Hofreiter und warnte vor einem Angriff Russlands auf weitere Staaten. Ein Nachgeben führe zu weiterer Eskalation durch Putin. Es brauche rasche Entscheidungen und weniger Diskussion.

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