Massaker in Afghanistan: Bremer Anwalt fordert angemessene Entschädigung für Hinterbliebene. Neue Bundeswehrsatelliten kosten Milliarden

(02.10.2009/dpa/hg)

Während die Hinterbliebenen der über 100 Opfer des von der Bundeswehr befohlenen Bombardements von zwei entführten Tanklastwagen nach Presseberichten nur mit geringen Geldsummen entschädigt werden, steckt die Bundesregierung mindestens eine Milliarde Euro in zwei bundeswehreigene Satelliten für ihre weltweit operierenden Truppen. Darunter auch die in Afghanistan.

Die Angehörigen der Opfer des von der Bundeswehr vor einem Monat befohlene Bomben-Massakers sind mit der Höhe der Entschädigungszahlungen nicht einverstanden. Dem Bundesverteidigungsministerium steht deshalb eine Sammelklage ins Haus.

Zur Zeit bereitet der Bremer Anwalt Karim Popal entsprechende Schadensersatzklagen vor. Er werde in der kommenden Woche nach Afghanistan fliegen und mit den betroffenen Familien reden.

„Ich bin selber Afghane und spreche daher die Sprache“, sagte der Jurist. Er hatte in den vergangenen Jahren im Auftrag der Max-Planck-Gesellschaft für Völkerrecht dabei mitgeholfen, das afghanische Justizsystem aufzubauen. Popal hat einen deutschen und afghanischen Pass und spricht die afghanischen Sprachen Dari, Paschtu sowie Farsi.

Nach seinen Informationen hat die Bundesregierung den Familien der Opfer 2000 Dollar Schadensersatz angeboten: „In Afghanistan kostet das Kilo Fleisch sechs Euro, wie kann man da mit 2000 Dollar eine ganze Familie entschädigen.“

Nach seiner Kenntnis hat es zwei Veranstaltungen in Kundus mit den Hinterbliebenen gegeben, in denen den Familien jeweils 2000 Dollar vom Bürgermeister geboten worden waren, sagte Popal dem Weser-Kurier am Donnerstag.. „Der Bürgermeister ist eine Marionette Kabuls. Und die Bundeswehr hat eine entsprechende Verabredung mit Kabul.“

Der Anwalt geht von mehr als 80 zivilen Opfern des Angriffs aus. Er sei sich sicher, dass es Familien gibt, die ein oder zwei Ernährer verloren haben. Die Hinterbliebenen müssten eine angemessene Entschädigung bekommen.

Am Montag war bekannt geworden, dass die afghanische Regierung Hinterbliebene von 30 getöteten Zivilisten entschädigt hat. Ein Sprecher des Gouverneurs sagte, den Familien seien jeweils 2000 US-Dollar ausgezahlt worden. Die neun verletzten Zivilisten hätten je 1000 US-Dollar erhalten. Entgegen der ursprünglichen Ankündigung würden Angehörige der bei dem Luftangriff getöteten und verletzten Taliban-Kämpfer jedoch nicht entschädigt werden.

Der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Thomas Raabe, hat diese Angaben nicht bestätigt. Nach seiner Kenntnis seien 2.000 Euro pro getöteter Person an die Familienangehörigen und 1.000 Euro an Verletzte gezahlt worden, sagte er am Mittwoch in Berlin. Ob dabei zwischen zivilen Opfern und Taliban unterschieden worden sei, wisse er nicht.

Die Zahlungen seien nicht vom Bundesverteidigungsministerium sondern von dritter Seite vorgenommen worden. Erst nach dem in der zweiten Oktoberhälfte erwarteten Abschlussbericht der noch laufenden NATO-Ermittlungen könne er beantworten, welche Summen an welche Personenkreise gezahlt worden sind.

Unterdessen hat die Bundeswehr in der Nacht zum Freitag ihre globale Einsatzfähigkeit entscheidend verstärkt. Von Französisch-Guayana aus ist der erste eigene Kommunikationssatellite ins All gebracht worden. Die Trägerrakete Ariane mit dem knapp 2,5 Tonnen schweren Satelliten namens SatcomBw-1 an Bord startete vom Weltraum-Bahnhof Kourou in Südamerika. Ein zweiter Satellit SatcomBw-2 soll bis Mitte nächsten Jahres folgen.

Mit dem Projekt will sich die Bundeswehr von kommerziellen Anbietern unabhängig machen. Im Laufe des Jahres 2010 soll das Gesamtsystem einsatzbereit sein und in die Zuständigkeit der Streitkräftebasis übergehen werden.

Rund 30 Ingenieure und Wissenschafter beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Oberpfaffenhofen bei München sollen sich rund um die Uhr um den Betrieb der beiden Bundeswehrsatelliten kümmern.

Sie sollen ein Gebiet von Amerika nach Ostasien abdecken und die Kommunikation der Einsatztruppen auf dem Balkan, in Afrika oder in Afghanistan mit dem Hauptquartier in Potsdam sicher stellen.

Die Gesamtkosten für Bau, Start und Betrieb der beiden Satelliten, die 15 Jahre nutzbar sein sollen, betragen laut Angaben der verantwortlichen EADS-Raumfahrttochter Astrium eine Milliarde Euro.

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