Manipulationsvorwürfe überschatten Präsidentschaftswahl in Moldawien
Pro-westliche Präsidentin siegt durch Stimmen der Moldawier im Ausland / Moldawische Behörden stellen nur 10.000 Stimmzettel für hunderttausende Wahlberechtigte in Russland bereit / Wahlen in pro-russischen Regionen Moldawiens durch „Bombendrohungen“ erschwert
(Diese Meldung ist eine Übernahme von multipolar.)
Die Stichwahl zum Präsidentenamt in Moldawien am 3. November wurde laut Beobachtern von zahlreichen Unregelmäßigkeiten und Manipulationen verzerrt. Amtsinhaberin Maia Sandu, die das Land in die Europäische Union (EU) führen will, hatte die Wahl im Inland zwar gegen ihren Herausforderer, den früheren Generalstaatsanwalt Alexandr Stoianoglo, verloren. Aber die zentrale Wahlkommission CEC erklärte sie mit insgesamt 55,35 Prozent zur Siegerin nachdem die Stimmen des Auslandsmoldawier dazu gekommen waren. Deren Wahl sei zu fast 83 Prozent auf Sandu gefallen. Somit war die Stichwahl wie auch bereits das Referendum zum EU-Beitritt als Verfassungsaufgabe zwei Wochen zuvor (20. Oktober) offiziell durch im Westen lebenden moldawischen Staatsbürger entschieden worden.
Der größte Teil der Exil-Moldawier lebt zwar in Russland – Schätzungen zufolge handelt es sich dabei um 200.000 bis 500.000 Menschen. Für sie sind jedoch lediglich zwei Wahllokale von moldawischen Behörden bereitgestellt worden, wie der Pressemeldung der zentralen Wahlkommission zu entnehmen ist. Kritiker bemängeln zudem, dass für diese beiden Wahlbüros in Moskau lediglich jeweils knapp 5.000 Wahlzettel zur Verfügung gestellt wurden. Insgesamt waren 231 Wahllokale im Ausland eingerichtet worden. Für die zweitgrößte Auslandsgemeinde in Italien, wo rund 100.000 Moldawier leben standen hingegen 60 Wahlbüros zur Verfügung. Kreml-Sprecher Dimitri Peskow kritisierte, hunderttausenden moldawischen Staatsbürgern in Russland sei die Teilnahme verweigert worden. „Die Wahl war weder fair noch demokratisch.“
Auch innerhalb Moldawiens ist die Wahlteilnahme für Menschen aus pro-russischen Regionen erschwert gewesen. Die rund 275.000 wahlberechtigten Moldawier, die in der abtrünnigen Region Transnistrien leben, mussten Wahllokale in anderen Teilen Moldawiens aufsuchen. Eine der zwei Brücken über den Fluss Dnjestr, die dafür genutzt werden konnten, war wegen einer Bombendrohung stundenlang gesperrt. In der Stadt Varnita, direkt an der Grenze zu Transnistrien, waren drei Wahlllokale zeitweise „aus Sicherheitsgründen“ geschlossen.
Im Hinblick auf den vorangegangenen Wahlkampf berichtete die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) auf ihrer Pressekonferenz von einem Missbrauch von Regierungsressourcen sowie der wohlwollenden Medienberichterstattung zugunsten der Amtsinhaberin, während über Stoianoglo vorwiegend negativ berichtet worden sei. Auch habe sich die Wahlkommission CEC nicht unparteiisch verhalten. Sie habe es abgelehnt, eine Beschwerde von Stoianoglo wegen hetzerischen Wahlkampfmaterials gegen ihn zu überprüfen. Der aus der autonomen Region Gagausien stammende Stoianoglo vertritt eine Politik der Neutralität und ausgeglichener Beziehungen zur EU und zu Russland. Die Partei der Sozialisten, die Stoianoglo bei der Wahl unterstützte, erkannte das Ergebnis nicht an. Sie wolle laut „Tagesspiegel“ dafür kämpfen, die Gesetzgebung zu verändern, damit Auslandswähler, die teils seit vielen Jahren nicht mehr in ihrer Heimat waren, keine Wahlen mehr entscheiden könnten. Gegnerin Maia Sandu bezeichnete die Wahl hingegen als „Lehrstunde in Demokratie“.
Gleichwohl wirft die moldawische Regierung Russland Wahleinmischung vor. Sie führt Stimmenkauf in erheblichem Umfang durch Oligarchen, die Russland nahe stehen, an. Ihre Vorwürfe werden im vorläufigen Bericht der OSZE zitiert: „Nach Angaben der Strafverfolgungsbehörden könnte die Zahl der beteiligten Personen 300.000 übersteigen, und ‚die in den letzten zwei Jahren für die Wahlkorruption bereitgestellten Summen könnten sich auf Hunderte von Millionen Dollar belaufen‘“. Sandus Sicherheitsberater Stanislav Secrieru erklärte, der Kreml könnte moldawische Staatsbürger, die in Russland leben, „organisiert“ nach Weißrussland, Aserbaidschan und in die Türkei transportiert haben, damit die Menschen in den dortigen moldawischen Konsulaten wählen könnten. Secrieru bezeichnet dies als „illegal“.
Die EU-Kommission gratulierte Maia Sandu zum Wahlerfolg. „Wir loben die moldauischen Behörden für die erfolgreiche Durchführung der Wahlen, trotz der beispiellosen Einmischung Russlands unter anderem durch Stimmenkauf-Programme und Desinformation“, sagte der Außenbeauftragte Josep Borrell. Auf Multipolar-Anfrage zu den Vorwürfen pro-westlicher Wahlbeeinflussung reagierte die Kommission nicht. Auch die OSZE antwortete Multipolar nicht. Die Pressestelle des Auswärtigen Amtes verwies auf die Stellungnahme von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) vom 4. November: „Die Menschen in Moldau haben entschieden: Die Mehrheit von ihnen will den Weg in die EU entschlossen weitergehen.“ Baerbock warf Russland ebenfalls Stimmenkauf, Manipulationen und Bombendrohungen vor, nannte aber wie auch die EU-Verantwortlichen keine Belege für die Anschuldigungen.
Der Bundestags- und Europaratsabgeordnete Andrej Hunko (BSW) sagte gegenüber Multipolar: „Es ist kein Geheimnis, dass die Wahlen sowohl in Georgien als auch Moldawien massiv geopolitisch überlagert wurden.“ Er verwies auf Unterstützungsversprechen in Milliardenhöhe durch die EU-Kommisionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) sowie westliche Regierungschefs und Minister, die die Wahlkampagne Sandus unterstützt haben. Das sei „nach moldawischem Wahlgesetz verboten“, erläuterte Hunko. „Falls es Interventionen auch von russischer Seite gegeben hat, sollten diese belegt werden.“ Bei der anstehenden moldawischen Parlamentswahl im kommenden Jahr sollten die internationalen Wahlbeobachter „den Blick auf die massiven Unregelmäßigkeiten in Transnistrien und bei der Stimmabgabe im Ausland“ richten, um eine faire Wahl zu garantieren.