Leugnung von Kriegsverbrechen künftig generell strafbar
(Redaktion/25.10.22) Der deutsche Bundestag hat die Leugnung und „grobe Verharmlosung“ von Kriegsverbrechen unter Strafe gestellt. In einer namentlichen Abstimmung votierten die Koalitionsfraktionen sowie die CDU/CSU dafür, AfD und Linke gegen die Gesetzesänderung. Die Erweiterung von Paragraf 130 des Strafgesetzbuches (StGB) wurde dabei kurzfristig an die Änderung eines anderen Gesetzes angehängt. Die Abstimmung erfolgte ohne Debatte am späten Donnerstagabend (20.10.) und ist am gestrigen Montag durch einen Beitrag der taz der breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden. Einen Tag vor der Abstimmung im Bundestag hatte dessen Rechtsausschuss beschlossen, die Änderung des Bundeszentralregistergesetzes um die Erweiterung des Paragrafen 130 StGB zu ergänzen. Die Regierung reagiert damit nach eigenen Angaben auf eine Vorgabe der EU, die im Dezember 2021 ein Vertragsverletzungsverfahren angestrengt hatte, da Deutschland einen Rahmenbeschluss aus dem Jahr 2008 zum Thema nur unzureichend umgesetzt habe.
Sahra Wagenknecht kritisierte auf Twitter das Vorgehen der Regierung und fragte, ob die Ampel die „Meinungsfreiheit durch politische Strafverfolgung einschränken“ wolle. Auch der Redaktionsleiter der ARD-Sendung Monitor, Georg Restle, bezeichnete die Gesetzesverschärfung als Eingriff in die Meinungsfreiheit. Diese müsse schmerzen dürfen, „sonst existiert sie nicht“. Nicht alles was man schlecht finde, müsse man gleich bestrafen, schrieb er auf Twitter. Der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Ruprecht Polenz kritisierte vor allem das Verfahren, eine öffentliche Diskussion mit Strafrechtswissenschaftlern habe nicht stattgefunden.
Die Legal Tribune Online (LTO) hatte am vergangenen Freitag als erstes Medium ausführlich über die Neuregelung berichtet und erläutert, dass der neue Absatz 5 in Paragraf 130 StGB künftig das öffentliche Billigen, Leugnen und gröbliche Verharmlosen von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen unter Strafe stelle. Dafür müsse die Tat in einer Weise begangen werden, „die geeignet ist, zu Hass oder Gewalt aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören“. Darunter könnten künftig auch Äußerungen fallen, die während einer Versammlung, etwa im Rahmen einer Demonstration, getätigt werden, heißt es in dem Artikel weiter. „Nach Einschätzung von Rechtspolitkern ist es damit nicht ausgeschlossen, dass zum Beispiel auf Pro-Putin-Versammlungen, wenn gegen Menschen aus der Ukraine gehetzt wird, Straftaten auf Grundlage der neuen Vorschrift begangen werden.“
Laut LTO kritisiert die Rechtspolitikerin der Linken im Bundestag, Clara Bünger, die Gesetzesverschärfung, weil sie die Gefahr birgt, die Meinungsfreiheit zu beschränken bzw. willkürlich angewendet zu werden. Nach dem aktuellen Wortlaut der Regelungen könnte schon bei einer Billigung des „Angriffs Russlands auf die Ukraine“ – je nach genauen Tatumständen – eine Strafbarkeit nach der neuen Vorschrift gegeben sein. Der Rechtspolitiker der AfD, Stephan Brandner, wies auf die Häufung unbestimmter Rechtsbegriffe wie „gröblich verharmlost“ im gesamten Paragrafen 130 StGB hin. Dieser enthält bisher vor allem die Strafandrohung für die Leugnung des Holocausts.
Während bei der Holocaustleugnung eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren droht, ist bei der neu eingeführten Leugnung von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen das Höchstmaß auf drei Jahre festgelegt worden. „Wegen der Einzigartigkeit des Holocausts müssen für dessen Billigung, Leugnung und Verharmlosung im Einzelfall höhere Strafen möglich sein als für vergleichbare Äußerungen betreffend andere Völkerrechtsverbrechen“, heißt es dazu in der Begründung der Gesetzesänderung.
Mit der Gesetzesverschärfung geht Deutschland über die Mindestanforderungen des EU-Rahmenbeschlusses hinaus, unter anderem wurde die Strafbarkeit der Leugnung und der gröblichen Verharmlosung nicht auf solche Völkerstraftaten beschränkt, die von einem nationalen oder internationalen Gericht endgültig festgestellt wurden. (hb)
Hintergrund hatte über den EU-Rahmenbeschluss bereits vor einigen Jahren berichtet. Im April 2012 veröffentlichten wir ein Interview mit dem Historiker und Publizisten Hannes Hofbauer. Er begründete seine Kritik unter anderem wie folgt: „Es werden Gerichte autorisiert, über historische Ereignisse so zu befinden, dass diese dann nicht mehr hinterfragbar sind. Völkermord ist ein Verbrechen, das von der UNO 1948 definiert wurde. Aber es bleibt natürlich ein Interpretationsspielraum, ob man sagt, ein Ereignis war ein Völkermord, ein Massaker oder ein Kriegsverbrechen. Wenn man weiß, dass Kriege auch auf dem propagandistischen Schlachtfeld geführt werden, dann wird recht schnell deutlich, dass diese Tatbestände politisch und geopolitisch instrumentalisiert werden können.“