NATO-Osterweiterung

Lawrow: Für Frieden müssen Hauptursachen des Ukraine-Konflikts angegangen werden

Russlands Außenminister benennt Nato-Osterweiterung als wesentlichen Konfliktursprung / Beidseitiges Interesse an „normalen Beziehungen“ zwischen Russland und USA / Multipolare Weltordnung bietet Chancen

(Diese Meldung ist eine Übernahme von multipolar.)

Russlands Außenminister Sergej Lawrow zufolge wird der Ukraine-Konflikt erst dann gelöst, wenn dessen „ursprünglichen Gründe“ berücksichtigt werden. Hierzu zähle auch die Nato-Osterweiterung, erklärte er in einem Interview in Moskau mit den US-amerikanischen Journalisten Mario Naufal, Larry Johnson und Andrew Napolitano. (12. März) Die Expansion der Nato seit Ende des Kalten Kriegs bedrohe Russland, was auch US-Präsident Donald Trump anerkannt habe. Eine interessengeleitete Zusammenarbeit zwischen Russland und den Vereinigten Staaten sei etwa in wirtschaftlicher Hinsicht möglich. Lawrow begrüßte zudem Kooperationen im Rahmen einer multipolaren Weltordnung. Das Interview wurde auch auf der Webseite des russischen Außenministeriums veröffentlicht.

Lawrow, der seit 2004 Außenminister Russlands ist, betonte die Entstehungsgeschichte des Konflikts. Er erinnerte an das Versprechen, dass sich „die Nato keinen Zoll nach Osten bewegen werde“ und an den Zwei-plus-Vier-Vertrag laut dem auf früherem DDR-Staatsgebiet keine Infrastruktur des Nordatlantikbündnisses stationiert werden darf. „Und das wird immer noch verletzt.“ Weiter erwähnte er die Aufnahme der drei baltischen Republiken Estland, Lettland und Litauen in die Nato, die einst Teil der Sowjetunion waren. Russland habe diese Entwicklung „mit großer Enttäuschung“ zur Kenntnis genommen. Des Weiteren habe Moskau in der Vergangenheit aktiv darum geworben, in sicherheitspolitische Kooperationsprozesse mit euroatlantischen Strukturen eingebunden zu werden, einschließlich der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und des Nato-Russland-Rates. „All dies hat nicht funktioniert“, sagte Lawrow. Das Verhältnis zwischen Russland und der Nato beschrieb er als gescheiterte „Partnerschaft“, die in „Feindseligkeit“ gemündet sei.

Zu den weiteren Gründen für den Konflikt zählte der Außenminister, dass Kiew die russische Sprache und Kultur in der Ukraine unterdrücke, die Medienfreiheit einschränke und Oppositionsparteien verbiete. Für Russland stünden der Schutz der Bevölkerung und ihrer kulturellen Identität im Vordergrund, nicht territoriale Ansprüche. Lawrow sagte, Russland akzeptiere keine Vereinbarungen, die das Leben von Menschen gefährden würde. Zudem werde Russland keine Nato-Soldaten in der Ukraine dulden, egal in welcher Funktion sie dort seien.

Er erklärte, dass die nationalen Interessen der USA und Russlands niemals vollständig übereinstimmen könnten, „nicht einmal zu 50 Prozent“. Trump habe aber erkannt, „dass wir keineswegs zulassen dürfen, dass unsere Kontroversen in einen Krieg ausarten“. Sollten sich darüber hinaus „gemeinsame Interessen“ – etwa „bei wirtschaftlichen oder infrastrukturellen Projekten“ – ergeben, sollten diese genutzt werden. Lawrow verwies auf das Treffen in Saudi-Arabien am 18. Februar mit US-Außenminister Marco Rubio und weiteren Vertretern der Trump-Administration. Dabei hätten die US-Vertreter den Wunsch nach „normalen Beziehungen“ geäußert.

Russlands Außenminister befürwortete eine multipolare Weltordnung, die sich von bisherigen Allianzen unterscheide. Letztere seien Vereinigungen gegen bestimmte Staaten, während eine multipolare Welt aus interagierenden Machtzentren bestehe. Diese Zentren könnten Großmächte wie die USA, China und Russland sein, aber auch kleinere Länder durch regionale Zusammenschlüsse wie der Verband Südostasiatischer Nationen (ASEAN) oder die Afrikanische Union. Er kritisierte das Fehlen einer solchen Organisation in Eurasien. Lawrow betonte die Bedeutung der G20 für die Etablierung einer multipolaren Weltordnung, insbesondere aufgrund ihrer Konsensregel.

Die Europäische Union (EU) hat sich aus Sicht des russischen Außenministers von einem friedlichen Wirtschaftsprojekt zu einem militarisierten Akteur gewandelt. Das zeige sich etwa in der Absicht, eine EU-Armee aufzubauen. Ursula von der Leyen (CDU) mobilisiere „alle für die Remilitarisierung Europas“. Es sei „von unglaublichen Geldbeträgen“ die Rede. Um die Ukraine zu unterstützen und die Corona-Krise zu bewältigen, seien bereits mehrere hundert Milliarden Euro „ohne ordnungsgemäße Prüfung“ ausgegeben worden.

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