Ukraine-Krieg

Krone-Schmalz fordert mehr Realismus

Langjährige ARD-Moskau-Korrespondentin kritisiert fehlenden Wirklichkeitssinn westlicher Politiker bei Beurteilung des Ukraine-Konflikts

Gabriele Krone-Schmalz bei einem Vortrag im Jahr 2022.
Foto: Vincent Eisfeld / nordhausen-wiki.de / CC-BY-SA-3.0, Mehr Infos

(Diese Meldung ist eine Übernahme von multipolar)

Die frühere ARD-Journalistin und Osteuropa-Korrespondentin Gabriele Krone-Schmalz hat westliche Staatsführer aufgefordert, den Konflikt mit Russland um die Ukraine realistischer zu beurteilen. Es sei nahezu unmöglich, Zusammenhänge und Hintergründe zu begreifen, solange „unbequeme“ Dinge einfach ausgeblendet würden, kritisierte sie in einem Interview mit der Tageszeitung „Neues Deutschland“ (12. Februar). Im Westen wolle man nicht, dass „das zelebrierte Bild von Gut und Böse ins Wanken kommt“.

Ein wesentlicher Punkt sei, dass viele Menschen im Westen überhaupt nichts vom Krieg in der Ostukraine wüssten, obwohl dieser bereits seit 2014 tobte und schon vor dem Februar 2022 mindestens 10.000 Tote gefordert hatte. Ebenso habe der Westen durchgängig ignoriert, dass die Ukraine niemals die vereinbarten Verpflichtungen aus den Minsk-Abkommen umsetzte. Bis heute drücke der Westen auch bei den undemokratischen innenpolitischen Vorgängen in der Ukraine beide Augen zu. Dabei seien Partei- und Medienverbote genauso wie Verhaftungen und Gewalt gegen Andersdenkende in der Ukraine schon lange vor Kriegsbeginn Alltag gewesen.

Der „politische Westen“ begreife noch immer nicht, dass derzeit eine Neuaufteilung der Welt stattfinde, kritisierte Krone-Schmalz. „Der globale Süden, die Brics-Staaten – es bilden sich neue Allianzen von Ländern, die die europäisch-amerikanische Bevormundung satt haben.“ Die vermeintliche Isolation Russlands sei eine eurozentrische Fehleinschätzung. Ob eine zukünftig multipolare Weltordnung friedlicher werde als eine Welt unter US-Hegemonie, hänge von der künftigen internationalen Sicherheitsarchitektur ab, erläuterte die Journalistin. Alle wesentlichen Akteure müssten sich darin gut aufgehoben finden.

Es gehe Russland nicht darum, die Ukraine als Staat zu zerstören, „sondern einen ökonomisch wie auch politisch verlässlichen Partner an seiner Grenze zu haben, von dem keine Bedrohung ausgeht“, argumentierte die Journalistik-Professorin. Erst die „gnadenlose“ militärische Aufrüstung der Ukraine seit 2014 durch den Westen und dessen völlig fehlende Verhandlungsbereitschaft hätten zum russischen Einmarsch 2022 geführt. Die Ukraine sei zu einem „Spielball geopolitischer Interessen“ gemacht worden, sagte Krone-Schmalz. Schon vor 2013 hätten die USA laut Staatssekretärin Victoria Nuland fünf Milliarden US-Dollar in die „sogenannte Entwicklung“ der Ukraine gesteckt.

Der Westen habe sich nach Ende des Kalten Krieges als Sieger betrachtet. Die Europäische Union (EU) habe nur noch aus dieser Siegerpose heraus Politik gegenüber Russland gemacht. „Ich halte das für einen der größten Fehler der EU“, betonte Krone-Schmalz, die von 1987 bis 1991 als Moskau-Korrespondentin der ARD tätig war. Die Nato-Staaten hätten damals die Chance auf eine dauerhaft friedliche Koexistenz mit Russland „auf dem Silbertablett serviert“ bekommen, diese aber „aus Überheblichkeit, Dummheit und Ignoranz nicht genutzt“.

Nun könne nur noch Diplomatie diesen Krieg beenden. Verhandlungen könnten allerdings nur mit Bereitschaft der USA stattfinden. „Jetzt sind Diplomaten gefragt und keine ideologisch geleiteten oder moralisch aufgeladenen Figuren, die ihre politischen Aktivitäten nicht bis zu Ende denken“, unterstrich die Journalistin. Allerdings sei das gegenseitige Misstrauen zwischen Russland und dem Westen inzwischen mindestens so extrem wie in den Hochphasen des Kalten Krieges.

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