CETA

Karlsruhe gibt vorerst grünes Licht

(13.10.2016/dpa)

Die Bundesregierung darf das umstrittene Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Kanada vorläufig mit auf den Weg bringen. Das Bundesverfassungsgericht wies am Donnerstag mehrere Eilanträge gegen eine Zustimmung Deutschlands ab, formulierte aber Bedingungen.

Damit kann das CATA-Abkommen wie geplant am 27. Oktober auf dem EU-Kanada-Gipfel in Brüssel unterzeichnet werden. Die Bundesregierung muss aber dafür sorgen, dass dabei bestimmte Bedingungen eingehalten werden. Unter anderem muss sichergestellt sein, dass Deutschland aus dem Abkommen trotz vorläufigen Inkrafttretens notfalls wieder herauskäme. Nur dann hat die Bundesregierung grünes Licht.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), der in der Verhandlung am Mittwoch eindringlich vor einem Stopp von CETA gewarnt und von einem gigantischen Schaden gesprochen hatte, zeigte sich zufrieden. „Ich glaube, dass wir mit allen guten Argumenten das Verfassungsgericht überzeugen konnten“, sagte der Vizekanzler in Berlin. Er kündigte zugleich die Erfüllung der vom Gericht gestellten Auflagen an.

Das Urteil sagt noch nichts aus über die Erfolgsaussichten der mit den Eilanträgen verbundenen Verfassungsbeschwerden. Es sei nicht ausgeschlossen, dass CETA verfassungswidrige Bestimmungen enthalte, sagte Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle bei der Verkündung in Karlsruhe. Darüber will das Gericht später im Detail verhandeln.

Ein Stopp von CETA durch das Gericht ist also immer noch möglich. Im Eilverfahren hatten die Richter aber nur zu prüfen, ob in der Zwischenzeit nicht wiedergutzumachende Nachteile entstehen. Dabei stuften sie die Risiken durch einen Stopp von CETA als weit gravierender ein –  „weniger auf wirtschaftlichem als vielmehr auf politischem Gebiet“, wie Voßkuhle sagte. Eine deutsche Blockade würde demnach nicht nur die Außenhandelsbeziehungen zwischen der EU und Kanada beeinträchtigen. Auf dem Spiel stehe die internationale Verlässlichkeit Deutschlands und Europas insgesamt.

Vorgesehen ist, dass CETA nach der Unterzeichnung und der Zustimmung des EU-Parlaments in Teilen vorläufig in Kraft treten kann, noch ehe der Bundestag und die Parlamente der anderen EU-Staaten abgestimmt haben. Die Kläger hatten die Bundesregierung daran hindern wollen, dieses Verfahren am 18. Oktober im EU-Ministerrat mit zu beschließen.

Das Urteil verpflichtet die Regierung nun, bei den Ratsbeschlüssen sicherzustellen, dass nur die Teile des Abkommens in Kraft treten können, die zweifellos unter EU-Kompetenz fallen. Ausgenommen sein müssen alle Bereiche in der Zuständigkeit Deutschlands, insbesondere das Gerichtssystem, der Investitions- und der Arbeitsschutz.

Die Verfassungsrichter behalten sich außerdem vor, die Entscheidungsbefugnisse des sogenannten Gemischten CETA-Ausschusses genauer unter die Lupe zu nehmen. Bis zu einem Urteil muss die Bundesregierung dafür geradestehen, dass es für alle Beschlüsse des Ausschusses eine „demokratische Rückbindung“ gibt. Dafür könnte sie beispielsweise vereinbaren, dass Grundlage aller Beschlüsse ein gemeinsamer Standpunkt ist, der einstimmig im Rat anzunehmen ist.

Lassen sich diese Punkte nicht gewährleisten, muss Deutschland notfalls die vorläufige Anwendung von CETA beenden. Ob das überhaupt geht, ist umstritten – Gabriel hatte diese Möglichkeit aber in der Verhandlung am Mittwoch zugesichert. Nun muss er dieses Verständnis „in völkerrechtlich erheblicher Weise“ erklären.

Zu den Klägern vor dem Bundesverfassungsgericht zählt neben zehntausenden Bürgern auch die Fraktion der Linken im Bundestag. Fraktionschefin Sahra Wagenknecht zweifelt daran, dass die Bundesregierung die von Karlsruhe gesetzten Bedingungen einlösen kann. „Ich bin gespannt, wie die Bundesregierung es schaffen will, diese Auflagen zu erfüllen. Zumal in der relativ kurzen Frist bis zu der geplanten Entscheidung im Rat“, sagte sie am Donnerstag in Karlsruhe nach der Urteilsverkündung. Am 18. Oktober soll bei einem EU-Ministertreffen auf europäischer Seite endgültig grünes Licht für das Abkommen gegeben werden. „Ich sehe das als schwierig an“; so Wagenknecht.

Matthias Miersch, Sprecher der Parlamentarischen Linken in der SPD und einer der größten Kritiker des Abkommens innerhalb seiner Partei, hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts als „Weckruf an die Regierungen Europas“ bezeichnet. Wer von einem „grünen Licht für Ceta“ spreche, habe die Entscheidung der Richter nicht verstanden, teilte Miersch am Donnerstag mit. Sie sei eine Mahnung, „vor der Entscheidung des Ministerrats noch rechtsverbindliche Erklärungen aufzunehmen, um den Bedenken zu begegnen“. Die Entscheidung gebe „Rückenwind für all diejenigen, die nicht pauschal Ja oder Nein zum Abkommen sagen und muss sehr ernst genommen werden“.

Politiker der Union begrüßten die Entscheidung des Gerichts. „Damit ist der Weg frei, CETA beim bevorstehenden EU-Kanada-Gipfel zu unterschreiben“, teilte der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Michael Fuchs, am Donnerstag mit. Das Abkommen könne dann nach Zustimmung des Europäischen Parlaments vorläufig in Kraft treten. „Das ist von ganz hoher Bedeutung für die Handlungsfähigkeit der EU. Die EU muss auch in der Handelspolitik international ein verlässlicher Partner sein.“

Der wirtschafts- und energiepolitische Sprecher der Fraktion, Joachim Pfeiffer, wies darauf hin, dass sich der Bundestag mit CETA so intensiv befasst habe wie noch mit keinem anderen Freihandelsabkommen. „Dabei wurde deutlich, welch große Chancen das Abkommen eröffnet.“

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