Präsidentschaftswahl in Venezuela

Kampf um Präsidentschaft in Venezuela

Maduro durch Wahlbehörde offiziell im Amt bestätigt / Opposition beansprucht Wahlsieg und fordert Militär zum Handeln auf / Unterschiedliche Einschätzungen internationaler Wahlbeobachter

(Diese Meldung ist eine Übernahme von multipolar)

Die landesweiten und die internationalen Reaktionen nach den Präsidentschaftswahlen in Venezuela am 28. Juli gehen weit auseinander. Bereits am Wahlabend erklärte der National Wahlrat (CNE) nach Auszählung von 80 Prozent der Stimmen, der amtierende Präsident Nicolás Maduro habe mit 51,2 Prozent vor seinem größten Herausforderer Edmundo González mit 44,2 Prozent die Wahl für sich entscheiden können. Kurz darauf beanspruchte die Oppositionspolitikerin Corina Machado in einer Pressekonferenz den Wahlsieg für den Gegenkandidaten. Das Oppositionsbündnis „Mesa de la Unidad Democrática“ verfüge über 40 Prozent der Abstimmungsunterlagen, aus denen erkenntlich werde, dass González 70 Prozent der Stimmen erhalten habe. Sie forderte die Streitkräfte des Landes auf, dieses Wahlergebnis durchzusetzen.

Einen Tag nach der Wahl erklärte der CNE Maduro zum offiziellen Sieger und bestätigte am 2. August, nach Auszählung von knapp 97 Prozent der Stimmen, dass der bestehende Amtsinhaber die Wahl gewonnen habe. Allerdings wurden die detaillierten Wahlergebnisse nicht auf der Internetseite des CNE veröffentlicht, da diese nach Angaben der Wahlbehörde fortgesetzten Hackerangriffen ausgesetzt sei. Unterdessen hat das Oppositionsbündnis eine eigene Webseite bereitgestellt, aus der deutlich wird, dass laut Opposition nach Analyse von 83,5 Prozent der Abstimmungsunterlagen González mit 67 Prozent weit vor dem Amtsinhaber liegt.

Um die Behauptungen des Oppositionsbündnisses über einen Wahlbetrug zu widerlegen, beantragte Präsident Maduro bei der Wahlkammer des Obersten Gerichtshofs eine gerichtliche Überprüfung der Wahlergebnisse. Daraufhin verlangte das Gericht die Aushändigung der Abstimmungsunterlagen vom CNE und forderte die Gegenkandidaten und Oppositionsparteien auf, „relevante juristische Dokumente“ vorzulegen, die für die Revision der Wahlergebnisse erforderlich sind. Zudem verlangte es Beweise für die behaupteten Hackerangriffe. Die Wahlbehörde hat am 6. August die geforderten Unterlagen übergeben, während González einem Gerichtstermin fernblieb. Der Oberste Gerichtshof hat angekündigt, die Angelegenheit innerhalb von 15 Tagen zu klären und hierfür alle zehn Präsidentschaftskandidaten sowie die Rechtsvertretungen der 37 venezolanischen Parteien vorzuladen.

Die Auseinandersetzung um die Präsidentschaftswahl wird landesweit von gewaltsamen Protesten zwischen Anhängern des Oppositionsbündnisses und der Polizei begleitet, bei denen auch Todesopfer zu beklagen sind. Das US-Außenministerium hatte zunächst erklärt, dass aufgrund der von der Opposition vorgelegten Beweise Edmundo González der Wahlsieger sei, und gratulierten ihm zu seinem Erfolg. Wenige Tage später hob Pressesprecher Matthew Miller jedoch hervor, dass man auf die Veröffentlichung der detaillierten Wahlunterlagen warte und González ausdrücklich nicht als Präsidenten Venezuelas anerkenne.

Während China und Russland Maduro zum Wahlsieg gratulierten, bezweifelte auch der Rat der Europäischen Union (EU) in einer Pressemitteilung die offiziellen Wahlergebnisse und forderte eine „unabhängige Überprüfung der Wahlunterlagen, möglichst durch eine international anerkannte Einrichtung“. Wie das US-Außenministerium behauptet die EU, aus Berichten internationaler Wahlbeobachtungsmissionen gehe hervor, dass die Präsidentschaftswahl nicht den internationalen Standards für die Integrität von Wahlen entsprach. Beide Behörden beziehen sich offenbar auf eine Stellungnahme des Carter Centers, einer US-Organisation, die 17 offizielle Beobachter zur Präsidentschaftswahl in Venezuela entsandt hatte.

Unter den Berichten der insgesamt 910 internationalen Wahlbeobachter finden sich jedoch auch solche, die dem Carter Center deutlich widersprechen. Die unabhängige spanische Journalistin Carmen Parejo Rendón berichtete von einer „Existenz zweier paralleler Realitäten“, die sie vor Ort erlebt habe und die ihr von den spanischen Medien vermittelt wurde. Von politischen Spannungen in Venezuela hätte sie nichts gespürt und die Unterstützung der Bevölkerung für den Chavismus sei „überwältigend“ gewesen. Auch der US-amerikanische Aktivist und Politiker Ajamu Baraka bezeichnete den Wahlprozess in Venezuela als einen „der saubersten, effektivsten und effizientesten der Welt“. Zudem warf er den USA und deren westeuropäischen Verbündeten vor, die demokratischen Prozesse in Venezuela zu „untergraben“. Die westlichen Medien bezeichnete er als „Propagandisten, die sich als Journalisten ausgeben“ und die „die Interessen der USA und des westlichen Kapitals“ unterstützen.

Die Rechtmäßigkeit der Präsidentschaft Maduros wird schon seit Jahren von westlichen Staaten angezweifelt. Nachdem die venezolanische Nationalversammlung 2019 die Wiederwahl Nicolás Maduros für unrechtmäßig erklärt und der Oppositionspolitiker Juan Guaidó sich selbst zum Interimspräsidenten Venezuelas ernannt hatte, wurde er von 54 Ländern als solcher anerkannt, darunter die USA, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Spanien. Auch das Europäische Parlament beschloss, Guaidó als Interimspräsidenten anzuerkennen. Völkerrechtler und die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages haben darauf hingewiesen, dass dies im Bereich einer völkerrechtswidrigen Einmischung liegen könnte.

Venezuela gehört mit Kuba zu den verbliebenen sozialistischen Ländern Amerikas, verfügt über die größten Erdölreserven der Welt und gehört zu den Ländern, die am stärksten vom Westen sanktioniert werden. Präsidentschaftskandidat González setzt sich wie die Anführerin des Oppositionsbündnisses Machado für die Privatisierung staatlicher Unternehmen, darunter auch die wichtige Ölindustrie des Landes, sowie für ausländische Investitionen ein. Kritiker werfen den Oppositionellen vor, dass sie damit den USA Zugriff auf das Öl Venezuelas verschaffen wollen.

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