Medienkritik

Journalistische Sorgfaltspflicht im Fokus

Presserat spricht Rekordzahl an Rügen aus / Oftmals werden überspitzte Überschriften moniert

Der Presserat ist vor allem für gedruckte Zeitungen und Zeitschriften sowie deren Online-Auftritte zuständig.
Lizenz: CC0 Public Domain; kai Stachowiak hat dieses „Zeitung“ -Bild unter der Public Domain-Lizenz veröffentlicht. Quelle: https://www.publicdomainpictures.net, Mehr Infos

(Diese Meldung ist eine Übernahme von multipolar)

Der Deutsche Presserat hat im Jahr 2023 insgesamt 22 Verstöße gegen die journalistische Sorgfaltspflicht mit einer Rüge sanktioniert. Dazu gehörten irreführende Überschriften oder mangelnde Recherche. Ebenso häufig rügte der Presserat, wenn Redaktionen den Persönlichkeits- und Opferschutz missachtet hatten. Die Rüge ist die schärfste Sanktion des Presserats, der eine Freiwillige Selbstkontrolle der Printmedien und deren Online-Auftritte darstellt. Im Jahr 2023 hat er insgesamt 73 Rügen verteilt, die die betroffenen Medien laut den Regularien des Presserates auch veröffentlichen müssen.

„Wir leben in herausfordernden Zeiten“, sagte die Sprecherin des Presserats Kirsten von Hutten. Es gebe zahlreiche „relevante Nachrichtenthemen“ über die Medien berichten könnten und müssten. Sorgfalt schaffe dabei Vertrauen, Wahrhaftigkeit sei die beste Leserbindung, so von Hutten bei der Vorstellung des Jahresberichts des Presserats. Sie selbst arbeitet hauptberuflich als Juristin bei Gruner + Jahr in Hamburg. Mehrfach sind im vergangenen Jahr Überschriften gerügt worden, die nicht vom Inhalt des Artikels gedeckt waren. „Manchmal liegt die Vermutung nahe, dass das nicht ein Versehen war, sondern es wurde bewusst zugespitzt, um Aufmerksamkeit zu generieren“, sagte von Hutten.

In anderen Fällen sind Überschriften, über die sich Leser beschwerten, aber nicht gerügt worden. So sei der Titel eines Artikels auf bild.de zulässig. Er lautet: „Juden-Hasser mobilisieren in ganz Europa für Demo“. Die Bezeichnung „Juden-Hasser“ suggeriere, monierten die Beschwerdeführer, dass alle Teilnehmer der angekündigten Demonstration antisemitisch sei. Dabei sei es eine Friedensdemonstration gewesen.

Der Begriff „Juden-Hasser“ sei allerdings von der Meinungsfreiheit gedeckt, heißt es auf Multipolar-Nachfrage vom Presserat. „In dem beanstandeten Text ist deutlich geworden, dass auf diesen Demonstrationen antisemitische Äußerungen gefallen sind – zum Beispiel Israel das Existenzrecht abgesprochen wurde.“ Im Text steht, dass der Demo-Anmelder Israel für einen Apartheid-Staat hält und die Polizei mit „israelfeindlichen Aussagen“ rechnet. Von „antisemitischen und israelfeindliche Parolen“ ist im Artikel auch die Rede, allerdings geht es dabei gar nicht um die Demonstration.

Ebenfalls nicht gerügt wurde die Überschrift „Krieg gegen Israel – Armee-Kommandeur und Reporter schildern furchtbares Massaker der Hamas: Sie schnitten Babys die Köpfe ab!“ Multipolar fragte nach, ob dies nicht eine unwahre Tatsachenbehauptung sei, da die Darstellung der geköpften Babys im Oktober 2023 höchst umstritten ist. Für den Presserat spielt das keine Rolle: „In der Dachzeile wurde deutlich, dass es sich hier um Aussagen eines Armee-Kommandeurs und Recherchen des Reporters handelte.“

Eine Rüge gab es hingegen für die Neue Osnabrücker Zeitung für die Aussage, „Informationen aus russischen Quellen entpuppen sich regelmäßig als zutreffend“. Im betreffenden Artikel nannte der Autor das soziale Netzwerk Telegram als Quelle für unabhängige Informationen und mahnte gleichzeitig zur Vorsicht, ohne konkrete Nachrichten zu übernehmen. Der Presserat rügte dennoch, dass er ungeprüft Informationen aus russischen Quellen übernommen hätte.

Der Presserat ist die Freiwilige Selbstkontrolle der Printmedien und deren Online-Auftritten in Deutschland. Er arbeitet auf Basis des Pressekodex, nach dem er die eingehenden Beschwerden über journalistische Artikel bewertet. Finanziert wird er durch die Trägerverbände und einen Zuschuss des Bundes. Seit dem Inkrafttreten des neuen Medienstaatsvertrags im Jahr 2020 können auch Online-Medien sich beim Presserat den Regeln des Presserates unterwerfen und müssen dann keine Sanktionen der Landesmedienanstalten bei Verstößen gegen journalistische Sorgfaltspflicht fürchten.

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