Journalismus durch den Sehschlitz eines Panzers
Zu viel Staatsnähe ist das Ende unabhängiger Berichterstattung. Besonders eindrucksvoll zeigt sich das im Bereich Verteidigung und Militär. Hier zum Sprachrohr der Herrschenden zu werden, macht den Reporter selbst zum Kriegstrommler. Ein herausragendes Beispiel dafür ist Barbara Starr, die für CNN und Pentagon gleichermaßen wichtig war. Caitlin Johnstone kommentiert ihre gestrige Verabschiedung in den Ruhestand.
Das US-Militär hat CNNs scheidende Pentagon-Korrespondentin Barbara Starr mit überschwänglichem Dank und Lob für ihren lebenslangen Dienst überschüttet und damit einen Einblick in die vertraute Arbeitsbeziehung zwischen den Medien und der Kriegsmaschinerie innerhalb des US-Imperiums gegeben.
„Mit dem heutigen Tag endet eine bemerkenswerte Karriere von Barbara Starr von CNN, einer führenden Persönlichkeit des Pentagon-Pressekorps“, heißt es in einem Beitrag auf dem Twitter-Account des US Central Command. „Ihre konsequente Berichterstattung und ihr unermüdlicher Einsatz für die Wahrheit brachten der Nation ihr Militär näher. Sie wird für immer vermisst werden.“
Starr wurde bei einer Pressekonferenz des Verteidigungsministeriums am Dienstag mit stehenden Ovationen bedacht, nachdem der Pressesprecher des Pentagon, Pat Ryder, ein Loblied auf sie gesungen und ihr für ihre zwei Jahrzehnte im Dienst gedankt hatte.
„Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um mich von unserer Medienkollegin, Miss Barbara Starr, zu verabschieden“, sagte Ryder. „Barbara hat über 20 Jahre lang für CNN berichtet und war eine feste Größe im Pressekorps des Pentagon, und heute ist ihr letzter Tag bei CNN nach einer beeindruckenden – entschuldigen Sie mich – wirklich beeindruckenden Karriere.“
„Barbara, im Namen des Verteidigungsministers Austin, des Vorsitzenden der Joint Chiefs of Staff, General Milley, und des gesamten Verteidigungsministeriums möchte ich Ihnen herzlich gratulieren und Ihnen für Ihre langjährige, zeitnahe, aufschlussreiche und wichtige Berichterstattung über die drängendsten Verteidigungsfragen unserer Nation danken“, so Ryder weiter. „Und als jemand, der in den letzten 20 Jahren viel mit Ihnen zusammengearbeitet hat und der Ihre späten Telefonanrufe und E-Mails entgegennehmen und Ihre schwierigen, aber fairen Fragen beantworten musste, kann ich aus persönlicher Erfahrung sagen, dass die US-Öffentlichkeit und das Publikum in aller Welt von Ihrer gründlichen Berichterstattung aus dem Pentagon, Ihrer journalistischen Integrität und Ihrer Entschlossenheit, die Geschichten der Soldaten in aller Welt zu erzählen und sicherzustellen, dass die Regierung und das Verteidigungsministerium gegenüber den Steuerzahlern und der amerikanischen Öffentlichkeit, der sie dienen, transparent und rechenschaftspflichtig bleiben, gut bedient wurden. Nochmals herzlichen Glückwunsch, und wir wünschen Ihnen viel Glück bei Ihren zukünftigen Unternehmungen.“
Today closes a remarkable career for @CNN‘s @barbarastarrcnn, a leader in the Pentagon Press Corps. Her aggressive reporting and tireless commitment to the truth brought this Nation closer to its military. She will forever be missed. pic.twitter.com/iAyFWJmqwR
— U.S. Central Command (@CENTCOM) December 20, 2022
„Sie kennen das Verteidigungsministerium besser als die meisten. Wir werden Sie vermissen! Danke für Ihren Dienst an unserer Demokratie! Free Independent Press!“, teilte Generalleutnant im Ruhestand, Russel L. Honoré, Starr auf Twitter mit.
Ich kann mir eigentlich kein deutlicheres Indiz dafür vorstellen, dass die USA keine „freie, unabhängige Presse“ haben, als dass das US-Militär die Karriere einer langjährigen CNN-Pentagon-Korrespondentin liebevoll lobt. Und ich kann mir keine beschämendere Art und Weise vorstellen in den Ruhestand zu gehen als mit einer stehenden Ovation im Pentagon.
Es gibt wohl kein deutlicheres Zeichen für journalistisches Versagen, als vom US-Militär für seinen lebenslangen Dienst gewürdigt zu werden. Wenn Ihre journalistische Beziehung zum korrupten und mörderischen US-Militär jemals etwas anderes war als Opposition und Ihre Gefühle ihnen gegenüber alles andere als ablehnend sind, dann deshalb, weil Sie nie ein Journalist waren. Sie waren ihr PR-Agent.
Und in der Tat muss man nur einen Blick auf Starrs Arbeit im Laufe ihrer Karriere werfen, um zu wissen, dass dies der Fall war. Sehen Sie sich an, wie sie unkritisch die Behauptungen der US-Regierung über chemische Waffen in Syrien nachplappert. Sehen Sie sich an, wie sie im Stil einer Werbesendung über die Aktivitäten der USA im „Krieg gegen den Terror“ im Nahen Osten berichtet. Sehen Sie, wie sie schwärmt, was für ein „Sieg“ die Gefangennahme von Muammar Gaddafi für die Vereinigten Staaten war. Sehen Sie, wie sie mit dem Finger auf den philippinischen Präsidenten zeigt, nachdem dieser den Präsidenten der Vereinigten Staaten verbal beleidigt hat. Vergleichen Sie die Art und Weise, wie sie über angebliche russische Kriegsverbrechen und US-Kriegsverbrechen spricht.
„Ich höre ihr seit Jahren zu, und ich kann mich nicht an ein einziges Mal erinnern, an dem sie nicht nur eine Pressemitteilung des Pentagons vorgelesen hat“, twitterte der Aktivist Steve Patt.
At end of Pentagon press briefing, a Defense Department farewell to — and standing ovation for — @bstarrreports – longtime Pentagon correspondent for @CNN pic.twitter.com/x3ZOH05n2F
— Howard Mortman (@HowardMortman) December 20, 2022
Das US-Militär verehrt Barbara Starr so sehr, weil sie eine Kriegspropagandistin ist, genau wie der Rest der westlichen Mainstream-Nachrichtenmedien, die über die US-Außenpolitik berichten. Und das Pentagon schloss sich Starrs Propagandakollegen an, um ihre beeindruckende Karriere zu feiern.
„Sie sind so angesehen, nicht nur hier bei CNN, sondern auch in der breiteren Gemeinschaft der Journalisten – ich weiß, wie angesehen Sie im Pentagon sind“, sagte Moderatorin Erica Hill zu Starr auf CNN.
„CNN und unsere Zuschauer haben sehr von ihren wirklich außergewöhnlichen Berichterstattungsfähigkeiten und ihrer umfassenden Kenntnis des US-Militärs profitiert, die ich als ehemaliger CNN-Korrespondent sehr zu schätzen weiß“, sagte CNN-Moderator Wolf Blitzer bei der Verabschiedung von Starr.
„Sie hat es so sehr verdient. Barbara war eine der besten Journalisten, mit denen ich bei CNN zusammengearbeitet habe. Eine Pentagon-Legende“, twitterte Murdoch-Kritiker Piers Morgan.
Saying farewell this morning to the great Barbara Starr on her last day at @CNN – a tremendous journalist and, most of all, a good egg. I’ll miss you my friend! pic.twitter.com/RUzZxm4aAi
— Jim Sciutto (@jimsciutto) December 20, 2022
Das ist es genau, was mit den Nachrichtenmedien in der westlichen Welt nicht stimmt. Journalisten sollen die Mächtigen mit dem Schwert der Wahrheit zur Rechenschaft ziehen, und das kann nicht geschehen, wenn sie warme, liebevolle Beziehungen zu den Menschen aufbauen, die sie kritisch in Augenschein nehmen sollen. Wenn die Öffentlichkeit ihre Informationen über die Arbeitsweise der mächtigsten Militärmacht, die jemals aufgebaut wurde, von Leuten erhält, die mit dieser Militärmacht befreundet sind und mit ihr sympathisieren, dann kann sie unmöglich korrekte Informationen über sie erhalten. Die Presse kann unmöglich sicherstellen, dass „die Regierung und das Verteidigungsministerium gegenüber den Steuerzahlern und der amerikanischen Öffentlichkeit, der sie dienen, transparent und rechenschaftspflichtig bleiben“.
Und das ist natürlich der Punkt. Die Massenmedien der westlichen Welt sind nicht da, um zu informieren, sondern um zu fehlinformieren. Um eine gefügige und gehorsame Bevölkerung zu schaffen, die sich nicht in die Mechanismen des Imperiums oder die zu seiner Aufrechterhaltung notwendige Gewalt einmischt. Um, wie CENTCOM es so treffend formulierte, die Nation näher an ihr Militär zu bringen.
Das war die Aufgabe von Barbara Starr, das wird die Aufgabe desjenigen sein, der sie ersetzt, und das wird die Aufgabe aller anderen sein, die mit ihr im Presseraum des Pentagon sitzen.
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Anm. „Der Blick des Journalisten fällt durch den Sehschlitz des Panzers. Und der ist nicht sehr groß“ (2003). Das Zitat wird dem ehemaligen WDR-Intendanten Friedrich Nowottny zugeschrieben. Er äußerte es im Zusammenhang mit seiner Kritik am Embedded Journalism, der während des Irakkrieges 2003 von der United States Army und auf Seiten der Medien vor allem von CNN als “neue Form der unmittelbaren Berichterstattung” einen Zugang zum Kriegsgeschehen schaffen sollte. Der deutsche Titel des Artikels entspricht nicht dem englischen Original.
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Der Artikel erschien im Original am 21. Dezember 2022 unter dem Titel US Military Thanks And Praises Retiring CNN “Journalist” For Her Service bei caitlinjohnstone.com
Die Autorin
Caitlin Johnstone ist eine australische Journalistin.
Übersetzung: Hintergrund