Corona-Aufarbeitung

Ioannidis: Lockdowns waren „äußerst schädlich”

Gesundheitswissenschaftler: Restriktive Maßnahmen und schlechte Sozialsysteme Hauptgrund für internationale Übersterblichkeit / Schweden schnitt am besten ab / Corona-Debattenklima von Anfang an „vergiftet“, „ahnungslose“ Politiker und Medien „diktierten“ Narrativ

(Diese Meldung ist eine Übernahme von multipolar.)

Der international renommierte Gesundheitswissenschaftler und Statistiker John Ioannidis hat schwerwiegende Kritik an staatlichen Corona-Maßnahmen geäußert. Mit den Lockdowns haben viele Länder „Selbstmord“ begangen, sagte der Professor für Medizin und biomedizinische Datenwissenschaft von der Stanford University in einem Interview mit dem deutschen Journalisten Bastian Barucker. (19. März) Es sei aufgrund der restriktiven Maßnahmen zu „großen Katastrophen in unserem Bildungssystem“ sowie zu „großen Problemen mit der psychischen Gesundheit“ gekommen, erläuterte Ioannidis.

Zudem hätten Lockdowns zu einer „erheblichen Zunahme der alkoholbedingten Todesfälle“, zur Unterbrechung von Krebsbehandlungen, zur Zunahme der Todesfälle durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie zur „Störung der Wirtschaft“ und damit zu einer Minderung des „gesellschaftlichen Wohlergehens“ geführt. Die Entscheidung für Lockdowns sei falsch gewesen, weil 60 Prozent der zahlreichen Modelle zur Berechnung ihrer Wirksamkeit darauf hindeuteten, dass sie die Zahl der Infektionsfälle erhöht haben. Selbst bei den Modellen, die auf eine Reduzierung der Fälle hinwiesen, stelle sich nur eine geringe positive Wirksamkeit heraus. Ioannidis gelangt daher zu dem Schluss, das die restriktiven Lockdowns „äußerst schädlich“ waren.

Schweden habe in der Corona-Krise in Europa mit Abstand am besten abgeschnitten, erläuterte er. Dort seien nach Bereinigung der Veränderungen in der Altersstruktur im Vergleich zu den Jahren davor sogar vier Prozent weniger Todesfälle aufgetreten. In Deutschland sei es zu einer Übersterblichkeit im Bereich von drei Prozent gekommen. Die Vereinigten Staaten würden zusammen mit Bulgarien mit einer Übersterblichkeit von über zwölf Prozent das Schlusslicht bilden. Bei der nicht-älteren Bevölkerung schnitten die USA schlechter ab als Bulgarien. Als Grund für die großen Abweichungen nannte Ioannidis die unterschiedliche Qualität der Sozial- und Gesundheitssysteme der Länder. Die USA mögen zwar einige der „besten Universitäten und medizinischen Zentren“ haben, jedoch sei dort auch ein großer Teil der Bevölkerung „sehr arm, sehr ausgegrenzt, ohne Krankenversicherung“ und „mit sehr schlechtem Zugang zur Gesundheit“. Da zu wenig für diese Gruppe getan worden sei, hätten viele betroffene Menschen sich nicht schützen können und seien zum Teil „aus Verzweiflung“ gestorben.

Schweden hätte noch besser abschneiden können, wenn das Land frühzeitig Pflegeheimbewohner mehr geschützt hätte. Doch selbst bei diesen Todesfällen handelte es sich größtenteils um Menschen, deren Lebenserwartung im Durchschnitt bei weniger als einem Jahr lag, erläutert Ioannidis. Die Gründe für die in vielen Ländern zum Teil lokal aufgetretene hohe Anzahl von Todesfällen zu Beginn der Krise macht er daran fest, dass es nicht gelungen sei, „die Menschen zu schützen, die hätten geschützt werden müssen“. Zudem führten einige Maßnahmen dazu, dass die vulnerable Gruppe noch stärker betroffen war, erklärte er. So hätte man zum Beispiel in New York infizierte Menschen in Pflegeheimen untergebracht. Ioannidis wolle niemanden beschuldigen, aber „Panik und Überreaktion“ hätten wahrscheinlich nicht zur Bewältigung der Krise beigetragen.

Die anfangs angenommene hohe Infektionssterblichkeitsrate von 3,4 Prozent liege sehr deutlich über der tatsächlichen Rate, die nach heutigem Wissen etwa 0,3 Prozent betrage. Die genaue Zahl hänge davon ab, wie viele und welche Menschen infiziert wurden. Global gesehen sei es bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen während der Corona-Krise sogar zu weniger Todesfällen gekommen als in der Zeit davor. Für sehr alte und sehr geschwächte Menschen habe jedoch ein sehr hohes Risiko bestanden. Ioannidis weist darauf hin, dass bereits im April 2020 genug Daten vorlagen, welche die Auswirkung der Krankheit auf die unterschiedlichen Alters- und Risikogruppen bestätigt haben. Zu diesem Zeitpunkt hätte der Kurs bereits geändert werden müssen. Doch zu Beginn der Krise sei das Klima der Debatte sehr vergiftet gewesen. Dies habe dazu geführt, dass die große Mehrheit der anerkannten Epidemiologen „sich selbst zum Schweigen brachte“ und Politiker und Medien, die keine Ahnung von Epidemiologie hatten, das „Narrativ diktierten“.

Der Gesundheitswissenschaftler glaubt nicht, dass die COVID-19-Impfpräparate weltweit 20 Millionen Leben gerettet haben. Er schätzt die Anzahl auf circa 2,5 Millionen. Wahrscheinlich hätten ältere Menschen am meisten davon profitiert. Bei Kindern und jungen Erwachsenen sei er sich nicht sicher, „ob der Nutzen unbedingt größer war als der Schaden oder die Kosten“. Ioannidis geht jedoch auch nicht davon aus, dass die Impfungen 20 Millionen Menschen getötet hätten und für die beobachteten überzähligen Todesfälle verantwortlich seien. Die Ursache dafür sieht er eher in den restriktiven Maßnahmen sowie ihrer wirtschaftlichen Folgen. Impfpflichten hält er generell für falsch, da man Menschen damit zu Recht wütend mache. Dies führe dazu, dass sie andere Impfungen verweigerten, für deren Wirksamkeit viel bessere Belege vorlägen.

John Ioannidis, der unter anderem als Professor für Medizin und Professor für Epidemiologie und Bevölkerungsgesundheit an der Stanford University School of Medicine tätig ist, hatte in einem Beitrag mit dem Titel „A fiasco in the making?“ („Ein Fiasko im Entstehen?“) bereits im März 2020 vor übereilten „drakonischen“ Maßnahmen und deren möglicherweise erheblichen negativen Folgen gewarnt. Im Oktober 2020 veröffentlichte er eine Metastudie, in der er die Infektionssterblichkeitsrate von COVID-19 im Mittel mit 0,27 Prozent angab. Eine im Oktober 2022 veröffentlichte Metastudie, an der er mitwirkte, stellte fest, dass die Infektionssterblichkeitsrate für nicht geimpfte und nicht genesene Menschen unter 60 Jahren bei lediglich 0,034 Prozent lag. Eine kürzlich veröffentlichte Studie mit seiner Beteiligung bescheinigt einer RKI-Studie, welche die Wirksamkeit der in Deutschland verordneten Maßnahmen belegen sollte, dass sie „aus statistischer Sicht nicht gültig“ sei, da sie auf fehlerhaften Grundannahmen und einer unzureichenden Datenlage basiere.

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