Innenminister Herrmann: Islamistisches Motiv des Bombenanschlags
(25.07.2016/dpa)
Der Bombenanschlag im fränkischen Ansbach hat nach Ansicht von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) vermutlich einen islamistischen Hintergrund. Man müsse davon ausgehen, dass die Motivation des Täters nicht völlig unabhängig von islamistischem Gedankengut gesehen werden müsse, sagte Herrmann am Montag in Nürnberg.
In der Unterkunft des Täters seien zwei Handys gefunden worden mit mehreren weiteren Sim-Karten sowie ein Laptop, sagte Herrmann. Eine erste Auswertung habe Hinweise darauf gegeben, dass Gewaltvideos mit islamistischer Ausrichtung und salafistischem Inhalt dabei seien. Das Allermeiste sei auf Arabisch.
Die Umstände der Tat deuteten in der Summe „schon sehr“ darauf hin, dass das Geschehen einen islamistischen Hintergrund haben könnte, sagte Herrmann. Bislang gebe es aber noch keinen Beleg für einen unmittelbaren Bezug zu islamistischen Organisationen.
Die Asylunterkunft des Täters wurde nach Polizeiangaben kurzzeitig evakuiert. Dort fanden die Ermittler einen Benzinkanister mit Diesel sowie Salzsäure, Alkoholreiniger, Lötkolben, Drähte, Batterien und Kieselsteine, außerdem einen Laptop mit gewaltverherrlichenden Bildern, die in Verbindung zum IS stehen, wie der Polizei-Vizepräsidentent von Mittelfranken, Roman Fertinger, sagte.
Auf einem Handy gebe es eine Anschlagsdrohung des Täters selbst als Video, sagte Innenminister Herrmann. Der Täter kündige einen Racheakt gegen Deutsche an als Vergeltung, weil sie Muslime umbrächten. In einer ersten Übersetzung des arabischen Textes heiße es, der Täter handle im Namen Allahs.
Bei der Bombenexplosion im fränkischen Ansbach sind 15 Menschen verletzt worden, vier von ihnen schwer. Das sagte ein Polizeisprecher der Deutschen Presse-Agentur am Montag. Demnach schwebt aber keiner der Verletzten in Lebensgefahr. Ein 27-jähriger Flüchtling aus Syrien soll am Sonntagabend nahe einem Open-Air-Konzert die Bombe gezündet haben. Der mutmaßliche Täter kam dabei ums Leben.
Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) forderte eine rasche und lückenlose Aufklärung der Tat. „Nur so können wir die richtigen Schlussfolgerungen ziehen“, sagte der CSU-Chef nach Angaben eines Sprechers. Trotz dieser „Tage des Schreckens“ werde der Rechtsstaat nicht weichen. Von Dienstag an will die Staatsregierung bei einer Kabinettsklausur am Tegernsee über das Thema Sicherheit beraten.
Laut Herrmann wollte der 27-Jährige die Bombe mit scharfkantigen Metallteilen in seinem Rucksack bei einem Musikfestival mit etwa 2500 Besuchern zünden. Ihm wurde aber der Einlass verwehrt, weil er keine Karte hatte.
Der 27-Jährige sei vor zwei Jahren nach Deutschland gekommen und habe einen Asylantrag gestellt, sagte Herrmann. Der Antrag wurde vor einem Jahr abgelehnt, der Flüchtling sei seitdem geduldet gewesen. Hintergrund sei, dass Deutschland im Moment niemanden nach Syrien in den Bürgerkrieg abschiebe.
Der Grund für die Ablehnung des Asylantrags sollte im Laufe des Montags mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge geklärt werden. Laut Bundesinnenministerium sollte der 27-Jährige nach Bulgarien abgeschoben werden. Dem Sozialamt der Stadt Ansbach war der mutmaßliche Täter als „freundlich, unauffällig und nett“ bekannt.
Der Mann wohnte in einer Unterkunft in Ansbach und war wiederholt strafrechtlich aufgefallen. Unter anderem hatte die Polizei wegen eines Drogendelikts mit ihm zu tun. Der Syrer habe sich auch schon zweimal das Leben nehmen wollen. Er sei deshalb in psychiatrischer Behandlung gewesen.
Die Polizei stellte am Vormittag in einer Flüchtlingsunterkunft mehrere Gegenstände sicher. Ob es sich bei dem ehemaligen Hotel in Ansbach um die Unterkunft des mutmaßlichen Täters handelte, wollten die Ermittler zunächst nicht bestätigen. Mitarbeiter der Spurensicherung trugen Kisten, Säcke und Tüten aus dem Gebäude. „Im Umfeld des Verstorbenen sind Ermittlungen zugange, die wir aber derzeit noch nicht näher konkretisieren können“, sagte ein Polizeisprecher.
Unklar war auch, in welchem Umfeld sich der 27-Jährige bewegte und woher er den Sprengstoff hatte. Man müsse auch klären, woher genau die Metallteile stammten, sagte Polizeivizepräsident Roman Fertinger.
Es ist die dritte Bluttat in Bayern innerhalb einer Woche. Am Montag vergangener Woche hatte ein afghanischer Flüchtling in einer Regionalbahn in Würzburg Menschen mit einer Axt angegriffen. Am Freitag war ein junger Mann in München Amok gelaufen. Mehrere Menschen starben, viele wurden verletzt.
Herrmann sagte, es sei leider ein weiterer schlimmer Anschlag, der gerade die Besorgnis der Menschen weiter verstärken dürfte. Eine restlose Aufklärung der Tat sei wichtig, um das Vertrauen in den Rechtsstaat wieder herstellen zu können. „Wir müssen sehen, dass neben vielen Flüchtlingen mit schlimmen Schicksalen auch Leute in unser Land kommen oder gekommen sind, die eine echte Gefahr für die Sicherheit der Menschen in unserem Land darstellen“, sagte er. „Das können wir nicht hinnehmen.“
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) warnte dennoch davor, Asylbewerber generell unter Terrorverdacht zu stellen. „Wir sprechen aktuell von 59 Ermittlungsverfahren wegen eines Verdachts der Verwicklung in terroristische Strukturen, und das bei vielen Hunderttausend neu angekommenen Menschen“, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe„“. Die meisten Hinweise in diese Richtung hätten sich bisher als unwahr herausgestellt.
Die Ansbacher Oberbürgermeisterin Carda Seidel (parteilos) sah trotz des Anschlags kein Versagen der Stadt in der Flüchtlingsbetreuung. Der mutmaßliche Täter war längere Zeit von der Stadt betreut worden. Aus ihrer Sicht unternehme die Stadt alles, um „möglichst nah an den Menschen zu kommen“, sagte Seidel. In Ansbach leben nach ihren Angaben etwa 600 Asylbewerber.