Hunderte Taliban-Kämpfer aus Gefängnis ausgebrochen

(26.04.2011/dpa)

In der Nacht zu Montag konnten hunderte Taliban-Kämpfer aus dem Sarposa-Gefängnis in Kandahar-City fliehen. Laut einem Taliban-Sprecher sei 541 Mitgliedern die Flucht gelungen, darunter 106 Kommandeure. Kandahars Bürgermeister Tooryalai Wesa gab die Zahl von 475 entkommenen Taliban-Kämpfern an. „Einige der entkommenen Gefangenen wurden von Sicherheitskräften wieder gefangen genommen“, so Wesa. Zwei der Geflüchteten seien bei dem Versuch ihrer Festnahme getötet worden.(1) Es seien große Operationen in Kandahar City und den Außenbezirken  angelaufen, um auch des Rests der Geflohenen habhaft zu werden. Wesa sprach von einem „Versagen“ des Gefängnispersonals und der Geheimdienste. Laut dpa-Meldung sollen 65 der Geflohenen wieder gefasst worden sein. Der Vorfall sei ein „Rückschlag“ im Kampf gegen die Aufständischen, sagte ISAF-Sprecher Joseph Blotz.

Innerhalb der nächsten Monate soll in einigen Regionen Afghanistans die Verantwortung für die Sicherheit von den ausländischen an die einheimischen Armeekräfte übergeben werden. Doch der Bezirk Kandahar, der als Taliban-Hochburg gilt, gehört nicht dazu. Der Bezirk fällt in den Verantwortungsbereich des kanadischen Militärs. 2800 in Kandahar stationierte kanadische Soldaten sollen aber Ende Juli ihre Kampfhandlungen einstellen. Bis 2014 sollen dann auch die verbliebenen 950 Angehörigen der kanadischen Armee das Feld räumen. (2)

Bezüglich des Ausbruches sagten kanadische Vertreter, sie würden „ein Auge auf die Situation haben“, aber Kandahar-City liege nicht mehr in ihrem Verantwortungsbereich. (3)

Die Flucht gelang mittels eines 300 Meter langen Tunnels, der über Monate hinweg gegraben wurde. Das Gefängnis gilt als eines der größten und sichersten im Land. Es ist in zwei Bereiche unterteilt. Einer für gewöhnliche Kriminelle, einer für politische Gefangene. Alle der Geflohenen kamen aus dem Teil des Gefängnisses, der für die Taliban bestimmt war.

Die Aktion dauerte insgesamt viereinhalb Stunden und begann um 11 Uhr nachts. Zuvor hatten einige der Insassen Nachfertigungen von Zellenschlüsseln erhalten. Am Ende des Tunnels warteten Fahrzeuge, um die Ausbrecher fortzubringen.

In einer Erklärung zeigten sich die Taliban überrascht darüber, dass die Sicherheitskräfte des Gefängnisses, darunter auch ausländische Soldaten, den Ausbruch erst vier Stunden später bemerkt hatten.

Um von dem Ausbruchsversuch abzulenken, hatten die Taliban bereits ein Märtyrer-Kommando organisiert, das in der Nähe des Gefängnisses zuschlagen sollte. Dies sei aber nicht mehr notwendig gewesen, da der Ausbruch unbemerkt blieb.

Gefängnisleiter Amir Muhammad Jamshad sagte gegenüber dem Guardian, bei dem Tunnel habe es sich um ein „großes Unternehmen“ gehandelt, da keine schweren Maschinen benutzt werden konnten, welche Aufsehen erregt hätten.(4)

Bereits 2008 kam es zu einem Großausbruch aus dem Gefängnis. Fast 1000 Gefangene, darunter viele Angehörige der Taliban, konnten fliehen, nachdem das Haupttor mittels einer Autobombe aufgesprengt worden war.

Die Sommermonate gelten traditionell als die Zeit, in der die bewaffneten Kämpfe zunehmen. Offenbar gelang es den Taliban durch den Ausbruch rechtzeitig, die eigenen Reihen vor Beginn der „Kampfsaison“ aufzufrischen. Bislang sind in diesem Jahr 140 NATO-Soldaten getötet worden. Erst am Sonntag kamen vier Soldaten der ISAF-Truppen bei Angriffen ums Leben.

Unterdessen vermeldete die NATO einen Erfolg im Kampf gegen die Aufständischen. Bei einem Luftangriff in der ostafghanischen Provinz Kunar sei einer der meistgesuchten Aufständischen getötet worden. Die NATO-geführte Schutztruppe ISAF teilte am heutigen Dienstag mit, der hochrangige Anführer des Terrornetzes Al-Qaeda, Abu Hafs al-Nadschdi, habe auf der ISAF-Liste der gesuchten Extremisten an zweiter Stelle gestanden. Der auch Abdul Ghani genannte Aufständische sei bereits am 13. April gemeinsam mit einem weiteren Al-Qaeda-Funktionär und mehreren anderen Extremisten bei einem Luftschlag ums Leben gekommen. Nach Abdul Ghani, der aus Saudi-Arabien stammte, sei bereits seit 2007 gefahndet worden.

Anmerkungen

(1) http://www.winnipegfreepress.com/world/hundreds-of-taliban-escape-jail-120684519.html

(2) http://www.thestar.com/news/world/afghanistan/article/957825–kandahar-security-to-remain-nato-responsibility

(3) http://www.winnipegfreepress.com/world/hundreds-of-taliban-escape-jail-120684519.html

(4) http://www.guardian.co.uk/world/2011/apr/25/taliban-tunnel-jail-afghan-kandahar

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