Handelsblatt: Ex-Banker sind Urheber des neuen deutschen Schuldenpakets
Finanzminister Kukies und Staatssekretär Meyer bereiteten die Vorschläge für das Schuldenpaket vor / Beide waren zuvor in hohen Positionen international operierender Banken tätig / Kukies im Dezember 2024: „Anreize“ für private Investitionen nötig
(Diese Meldung ist eine Übernahme von Multipolar)
Der geschäftsführende Bundesfinanzminister Jörg Kukies (SPD) und sein Staatssekretär Steffen Meyer waren die Urheber des Schuldenpakets, das mithilfe des bereits abgewählten Bundestags im März verabschiedet wurde. Dies geht aus einem aktuellen Beitrag des „Handelsblatts“ hervor. So sollen Kukies und Meyer ein Arbeitspapier verfasst haben, das als Grundlage der Sondierungsgespräche zwischen der Union und der SPD diente.
Während der Ampelkoalition unter Olaf Scholz (SPD) war Kukies Chefwirtschaftsberater des Kanzlers und Meyer Abteilungsleiter für Wirtschaftspolitik im Kanzleramt. Bereits in dieser Zeit hätten die beiden monatelang darüber beraten, wie sie die „Schuldenbremse“ reformieren könnten. Als nach dem Bruch der Ampelkoalition klar geworden sei, dass es bei der Union „Bewegung“ bezüglich neuer Schulden gebe, hätten Kukies und Meyer mit der konkreten Ausarbeitung des Papiers begonnen. Das Projekt soll zunächst als „Geheimsache“ im Finanzministerium bearbeitet worden sein. Das Papier sei bis heute nicht offiziell veröffentlicht worden, liege aber dem „Handelsblatt“ vor.
Das Arbeitspapier gehe allein für die Infrastruktur von einem Investitionsbedarf von bis zu „300 Milliarden Euro über die kommenden zehn Jahre“ aus, berichtet das Handelsblatt weiter. Bei den Verteidigungsausgaben werde ein „jährlicher Anstieg von 0,2 Prozentpunkten“ auf 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts bis 2029 angenommen. Kukies und Meyer hätten in dem Papier drei Vorschläge gemacht, wie sich diese Mehrausgaben finanzieren ließen. Die Parteichefs von CDU, CSU und SPD entschieden sich demnach für die letzte Option. Diese habe eine Ausnahme der Verteidigungsausgaben von der „Schuldenbremse“ und ein „Sondervermögen“ für Investitionen und Infrastruktur vorgesehen.
Ein Grund für die Entscheidung sei gewesen, dass der russische Präsident Wladimir Putin auf diese Weise im Unklaren darüber bleibe, wie viel Geld Deutschland für Verteidigung ausgebe, erklärt das Handelsblatt. Auch könnten die Verteidigungsausgaben so „einfacher hoch- und wieder runtergefahren werden“. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) habe zudem darauf aufmerksam gemacht, dass die Ausgaben – anders als bei einem „Sondervermögen“ – durch die Ausnahme von der „Schuldenbremse“ nicht durch Inflation entwertet würden.
Jörg Kukies war bis zu seinem Wechsel in die Politik von 2001 bis 2018 als Manager für die US-amerikanische Investmentbank „Goldman Sachs“ tätig, unter anderem als Leiter des Deutschland-Geschäfts mit Aktien, festverzinslichen Wertpapieren und Derivaten. Seit 2014 war er Co-Vorsitzender der Bank in Deutschland und Österreich. Von 2018 bis 2021 – im Amt als Staatssekretär unter dem damaligen Bundesfinanzminister Olaf Scholz – war er Vorstands- und Verwaltungsratsmitglied verschiedener internationaler und europäischer Finanzorganisationen. Hierzu gehörten unter anderem die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD), der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) sowie die europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF). Zudem war er stellvertretendes Mitglied des Verwaltungsrats der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und Aufsichtsratsmitglied der Deutschen Post AG. Von 2021 bis zu seinem Amt als Bundesfinanzminister war Kukies Staatssekretär im Bundeskanzleramt und Chefunterhändler von Bundeskanzler Scholz, mit dem er eng vertraut sein soll.
Nach seinem Amtsantritt als Finanzminister holte Kukies seinen ehemaligen Untergebenen im Bundeskanzleramt, Steffen Meyer, ins Finanzministerium. Dort sollte sich Meyer vor allem auf die Haushaltspolitik konzentrieren. Meyer war von 2011 bis 2019 stellvertretender Exekutivdirektor sowie Exekutivdirektor Deutschland des Internationalen Währungsfonds (IWF). Zuvor hatte er bereits zwölf Jahre als Referent im Bundesfinanzministerium gearbeitet.
Kukies sagte im Dezember 2024 im Interview mit der „Rheinischen Post“, man brauche „eine gezielte Reform der Schuldenbremse“ und weiter: „Wenn ich mit internationalen Investoren spreche, halten sie es für plausibel, dass wir unsere enormen Defizite bei der Infrastruktur oder der Verteidigung auch mit Krediten finanzieren.“ Es gehe auch um „Anreize für private Investitionen“. Die Finanzierung der Transformation werde von privatwirtschaftlichen Investoren kommen, erläuterte Kukies weiter.
Damit könnte der geschäftsführende Finanzminister auch auf die Möglichkeit von Versorgungswerken, Pensionskassen und kleinen Versicherern angespielt haben, zukünftig einen Teil des von ihnen verwalteten Vermögens in Privat Equity Fonds und Infrastrukturprojekte zu investieren. Er selber hat diese Form der Investitionen im Februar auf den Weg gebracht. Private Equity Fonds wird vorgeworfen, risikoreich zu spekulieren und sich lediglich an Firmen zu beteiligen, um sie zu verschlanken und hinterher ihre Beteiligung für einen höheren Preis wieder abzustoßen.