Griechenland: Volksvertreter verspüren Volkszorn

(05.07.2011/dpa)

Nach der Verabschiedung des drastischen Sparprogramms in Griechenland sind Medienberichten zufolge mehrere Abgeordnete zum Ziel von Übergriffen geworden. In Lamia im Zentrum des Landes wurde der sozialistische Parlamentarier, der für die Sparbeschlüsse gestimmt hatte, nach einem Parteitreffen der regierenden Sozialisten von einer Menschenmenge geschlagen und mit Kaffee und Joghurt übergossen.

Laut einem Bericht der Zeitung Eleftherotypia suchte der Politiker in einem Wohnhaus Zuflucht. Von dort konnte ihn die Polizei in Sicherheit bringen. In der mittelgriechischen Stadt Trikala versahen Anhänger der Protestbewegung der „Empörten“ die Büros von fünf sozialistischen Abgeordneten mit Farbe. In Komotini und Alexandroupolis klebten Gegner der Sparbeschlüsse „Fahndungsplakate“ an die Hauswände, auf denen mehrere Parlamentarier als „Verbrecher“ beschimpft wurden.

Bereits am vorigen Freitag waren in Chania die Büros aller Abgeordneten aus der Stadt auf Kreta verwüstet worden. Am Mittwoch war ein Parlamentarier in Athen unmittelbar nach der Verabschiedung des Vorhabens von Demonstranten mit Wasser übergossen worden.

Die Sparbeschlüsse hatten den Weg für die Gewährung weiterer Milliarden-Kredite für Griechenland frei gemacht und so das Land und (vor allem deutsche und französische) Banken vor dem Bankrott bewahrt, bei denen der hellenische Staat in der Kreide steht.

„Die Märkte und Spekulanten haben ihren Schnitt gemacht. Weitere Milliarden der Steuerzahler fließen in den Kreislauf der Finanzmärkte. Angela Merkel ist zufrieden, die Banken sind es auch. Und in Griechenland explodiert die Gewalt“, schrieb die Welt zu den Ereignissen. (1)

Griechenland steht ein heißer Sommer bevor. Die Übergriffe auf die „Volksvertreter“ werden wohl nicht so schnell abflauen. Das wird den Ruf nach einem „starken Staat“, der die Ordnung wieder herstellt und den Protesten ein Ende bereitet, nur befördern.

Bereits vor einem Jahr warnte der Präsident der Europäischen Kommission Jose Manuel Barroso davor, dass sich Griechenland – aber auch Spanien oder Portugal – aufgrund der Verschuldung in eine Diktatur verwandeln könnten und die Demokratie „praktisch verschwindet“. (2) Alle drei Länder wurden erst in den 1970er Jahren demokratisch und haben eine Geschichte von Militärputschen hinter sich. Mit seiner Warnung wollte Barroso allerdings auch Stimmung machen für die drastischen Sparmaßnahmen. Würden diese nicht in die Wege geleitet, drohe das Ende der Demokratie.

Ein Putsch des Militärs könnte aber alles andere als nach dem Geschmack der EU-Technokraten verlaufen. In einer Stellungnahme vom 22. Juni drohte ANEAED, eine Vereinigung ehemaliger Armeeangehöriger, „keine Verletzung der Verfassung zu dulden, die nicht der Verteidigung unserer nationalen Hoheitsrechte dient. (…) Unser Volk hat das Gefühl ausverkauft zu werden.“ Verteidigungsminister Panos Beglitis zitierte aus dem Schriftverkehr der Vereinigung an im Dienst stehende Militärs: „Wir müssen bereit sein, diese Regierung abzuwehren“. (3)


Anmerkungen

(1) http://www.welt.de/debatte/article13462179/Die-Demokratie-ertrinkt-in-Schulden-und-Luegen.html
(2) http://www.dailymail.co.uk/news/article-1286480/EU-chief-warns-democracy-disappear-Greece-Spain-Portugal.html
(3) http://www.heise.de/tp/blogs/8/150044

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