Kriegsvorbereitung

Gewerkschaft geht gegen Gesetz zur Kooperation von Bundeswehr und Schulen vor

Schulen und Universitäten in Bayern zu Zusammenarbeit mit Militär verpflichtet / Kläger sehen mehrerer Verstöße gegen bayerische Verfassung / Gesetz 2024 von CSU, Freien Wählern und SPD verabschiedet / Friedensgesellschaft: Regierung strebt „Klima der Kriegsbegeisterung“ an

(Diese Meldung ist eine Übernahme von multipolar.)

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Bayern und die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) in Bayern haben zusammen mit 200 Mitklägern eine Popularklage gegen das bayerische „Gesetz zur Förderung der Bundeswehr“ eingereicht. Das Gesetz sei ein „populistischer Akt der Staatsregierung“, erklärte Martina Borgendale, Landesvorsitzende der GEW Bayern bei einer Pressekonferenz am 5. Februar in München. Mit dem Gesetz, das am 1. August 2024 in Kraft trat, änderte die Staatsregierung ihr Hochschulinnovationsgesetz sowie das Bayerische Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen. Bayern ist das erste Bundesland, das ein Gesetz zur Unterstützung der Bundeswehr bei der Landes- und Bündnisverteidigung initiierte.

Borgendale verwies darauf, dass es in Bayern von Anfang 2022 bis Mitte 2023 über 160 Werbeeinsätze in Bildungseinrichtungen gab. Nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung ist die Anzahl der minderjährigen Rekruten aus Bayern bei der Bundeswehr zuletzt deutlich gestiegen. Demnach kamen 2023 insgesamt 2484 neue Soldaten aus Bayern zur Bundeswehr. 344 seien zum Zeitpunkt ihrer Einstellung erst 17 Jahre alt gewesen. Die GEW in Bayern fordert ein Verbot der Rekrutierung Minderjähriger. Das Bundeswehrgesetz sei für den DFG-VK Bayern ein „rechtswidriges Zwangsinstrument“, erklärte Julian Mühlfellner bei der Pressekonferenz. Der bayerischen Staatsregierung warf er vor, auf ein „gesellschaftliches Klima der Kriegsbegeisterung“ hinzuarbeiten. Dabei wäre eine Hinwendung zur Friedensforschung wichtiger denn je.

Im Bundeswehrgesetz heißt es wörtlich: „Die Hochschulen sollen mit Einrichtungen der Bundeswehr zusammenarbeiten. Sie haben mit ihnen zusammenzuarbeiten, wenn und soweit das Staatsministerium auf Antrag der Bundeswehr feststellt, dass dies im Interesse der nationalen Sicherheit erforderlich ist.“ In Artikel 20 des Hochschulinnovationsgesetzes ist festgehalten: „Erzielte Forschungsergebnisse dürfen auch für militärische Zwecke der Bundesrepublik Deutschland oder der NATO-Bündnispartner genutzt werden. Eine Beschränkung der Forschung auf zivile Nutzungen (Zivilklausel) ist unzulässig.“ In Bezug auf Schulen im Freistaat gilt nun: „Die Schulen arbeiten mit den Jugendoffizierinnen und Jugendoffizieren der Bundeswehr im Rahmen der politischen Bildung zusammen.“ Karriereberater der Bundeswehr dürfen bei Schulveranstaltungen zur beruflichen Orientierung über Berufsmöglichkeiten bei der Armee informieren.

Erstellt wurde die Klageschrift von Rechtsanwältin Adelheid Rupp. Nach ihren Worten verstößt das Bundeswehrgesetz gegen die in der Präambel der bayerischen Verfassung festgeschriebenen Pflicht des Freistaats zur Friedenssicherung. Weiter greife es die Gewissensfreiheit von Schülern an, was einen Verstoß gegen Artikel 107 darstelle: „Dem Zwang zur Zusammenarbeit mit Jugendoffizieren können sich Schüler nicht entziehen.“ Die starke Einflussnahme des Staates greife schließlich die in Artikel 126 festgeschriebenen Elternrechte in der Erziehung an. Zudem werde das Recht auf freie, autonome Forschung unterlaufen.

Die bayerische Universitätenkonferenz lehnt das Gesetz hingegen nicht ab. Sie hatte sich mit einer Stellungnahme in den Gesetzgebungsprozess eingeklinkt. Ein Kooperationsgebot sei „zu begrüßen“, heißt es darin. Allerdings dürfe die Wissenschaftsfreiheit „nicht untergraben“ werden. Auch müssten Forschungskooperationen mit Partnern, die Zivilklauseln unterliegen, möglich bleiben. An Hochschulen mit Zivilklauseln müssen Forschungsergebnisse auf zivile Anwendungsfelder beschränkt bleiben und dürfen nicht militärisch verwendet werden.

Der Bayerischen Staatsregierung ist es ein ausdrückliches Anliegen, mehr Personal für die Bundeswehr zu gewinnen. „Insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte über die Wiedereinführung der Wehrpflicht, sind Möglichkeiten der Information über Einsatzmöglichkeiten unverzichtbarer Baustein für die Personalgewinnung“, hieß es in einem „Bericht aus der Kabinettssitzung“ vom Januar 2024. Es werde allerdings auch in Zukunft in Schulen keine „Vermischung aus politischer Bildung und Anwerbung für den Dienst in der Bundeswehr“ geben.

Das „Komitee für Grundrechte und Demokratie“ kritisiert das bayerische Gesetz ebenfalls. „Dass neben der Regierungskoalition aus CSU und Freien Wählern auch die SPD im bayerischen Landtag für das Gesetz stimmte, verdeutlicht den sich immer stärker formierenden politischen Konsens für eine Militarisierung“, heißt es in einer Stellungnahme vom November 2024. Die SPD begrüßte in der Debatte zum Gesetzentwurf „ausdrücklich“ das Bekenntnis des Freistaates zur Förderung der Bundeswehr, da, wie der SPD-Landtagsabgeordnete Markus Rinderspacher erklärte, die Streitkräfte „kaltstartfähig“ sein müssten.

Kurz, nachdem die bayerische Staatsregierung vor gut einem Jahr beschlossen hatte, das Bundeswehrgesetz auf den Weg zu bringen, wurde publik, dass auch die Bundesregierung militärische Forschung stärker fördern möchte. Das geht aus einem Antrag, der Linksfraktion im Bundestag vom Juli 2024 hervor. Dafür würden vom Bundeswirtschaftsministerium bis 2030 insgesamt 30 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Ein Gutachten der von der Bundesregierung eingerichteten „Expertenkommission Forschung und Innovation“ (EFI) unterstützt den Kurswechsel hin zur einer verstärkten Militärforschung. Auch die EFI fordert eine Auflösung der jahrzehntelangen strikten Trennung von ziviler und militärischer Forschung.

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