Gesetz als „Test“: Habeck in der Kritik
Vorwurf eines fragwürdigen Demokratieverständnisses des Wirtschaftsministers / Oppositionsparteien fordern Rücktritt und Rücknahme des Heizungsgesetzes / Habeck: Interpretation seiner Worte „missgünstig“
(Diese Meldung ist eine Übernahme von multipolar)
Eine Äußerung von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), das Gebäudeenergiegesetz sei ein „Test“ gewesen, ist auf überwiegend negative Reaktionen in Politik, Medien und sozialen Online-Netzwerken gestoßen. Auch Staatsrechtler und Energiefachleute äußerten sich ablehnend. Auf einer Veranstaltung zum 75-jährigen Bestehen des Grundgesetzes am 26. Mai in Berlin hatte Habeck gesagt: „Die Debatte um das Gebäudeenergiegesetz, also wie heizen wir in Zukunft, war ja auch ehrlicherweise ein Test, wie weit die Gesellschaft bereit ist, Klimaschutz, wenn er konkret wird, zu tragen – und ich bin zu weit gegangen.“
Die Tageszeitung „Welt“ wies darauf hin, dass die Debatte um das Gesetz die Bevölkerung enorm verunsichert hätte und dass die Wärmepumpe laut des Bundesverbandes der Deutschen Heizungsindustrie zum „Ladenhüter“ geworden sei. Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Heizungsindustrie (BDH), Markus Staudt bezeichnete Habecks „Test am offenen Herzen“ nicht als „empfehlenswerte Strategie für politisches Handeln“. Die Tageszeitung „Nordkurier“ fasste die Reaktionen in den sozialen Netzwerken mit der Aussage zusammen, der Vizekanzler hätte „einen unfreiwilligen Einblick in sein Denken gegeben und offenbart, wie er über Bürger und Mehrheitswillen denke“.
Das Online-Magazin „Nachdenkseiten“ kritisierte Habecks „politische Kälte“ und erinnerte an andere „brutal ehrliche“ Äußerungen von Politikern wie der früheren Bundeskanzlerin Angela Merkel oder dem ehemaligen Bundespräsidenten Horst Köhler. Habeck hätten bislang auch seine „harten Wahrheiten“ öffentlich kaum geschadet, da viele etablierte Medien solche Eingeständnisse nicht kritisch begleiteten oder sogar lobten, heißt es im Nachdenkseiten-Beitrag.
Das Onlinemedium „Nius“ stellte die Frage, ob die Deutschen „nur ein Versuchskaninchen für die Klima-Politik der Grünen Partei“ seien und zitierte den Staatsrechtler Volker Böhme-Neßler: „Die Politik testet das Volk? Je länger man über diese Aussage nachdenkt, desto schlimmer wird sie… Was für ein Demokratieverständnis…“.
Der stellvertretende Parteivorsitzende sowie klimaschutz- und energiepolitische Sprecher der CDU, Andreas Jung, bezeichnete in einem Interview mit der „Welt“ die Wortwahl Habecks als „despektierlich“ und forderte aufgrund des Fehlereingeständnisses des Ministers die Rücknahme des Heizungsgesetzes. Der baupolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Marc Bernhard, teilte Multipolar mit, ein Minister dürfe „kein spekulierender Pokerspieler“ sein, sondern habe „den verfassungsmäßigen Auftrag, Fürsorge und Verantwortung für das deutsche Volk zu übernehmen“, und forderte Habecks Rücktritt. Zudem machte Bernhard auf eine Analyse der FDP aufmerksam, nach der das Heizungsgesetz „mindestens 2.500 Mrd. Euro“ koste. Im besten Fall würde das Gesetze eine Kohlendioxid-Einsparung in der Größenordnung dessen bringen, was China in 32 Stunden an Kohlenstoffdioxid ausstößt, so Bernhard weiter.
Die Pressestelle des Bundeswirtschaftsministeriums teilte auf Anfrage von Multipolar mit, der Minister habe den Kritikern des Gesetzes zugehört und Kompromisse vorgeschlagen. „Genau das ist sein Politik- und Amtsverständnis: Zuhören, Kritik ernstnehmen, Kompromisse und Lösungen finden und sein politisches Handeln immer wieder aufs Neue und auch im öffentlichen Dialog zu überprüfen – das hat der Minister mit ‚Test‘ gemeint.“ Habeck selbst sagte nun in Berlin, seine Äußerungen seien „missgünstig“ interpretiert worden. Seine Aussage habe nicht bedeutet, „Wir probieren mal was aus. Und Menschen sind Labor-Ratten oder so etwas.“ Mit der Formulierung habe er die Erfahrungen aus der Klimadebatte gemeint.
Die im September 2023 mit den Stimmen der Ampelkoalition im Bundestag beschlossene Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) war bereits innerhalb der Regierungsfraktionen umstritten. Eine Umfrage des MDR am Tag der Abstimmung im Bundestag ergab, dass zumindest die große Mehrheit der Ostdeutschen gegen eine Einbaupflicht von klimafreundlichen Heizungen in Bestandsgebäude war. Eine Umfrage des Energiedienstleisters Techem vom April 2024 ergab, dass nur 38 Prozent der befragten privaten Vermietenden und 24 Prozent der Geschäftskunden das GEG positiv bewerteten.