Gegen „Dreck und Parasiten“: Kiew eskaliert Krieg
(02.07.2014/dpa)
Mit massiven Luftangriffen haben ukrainische Streitkräfte nach dem Ende der offiziellen Feuerpause Städte und Ortschaften im Osten des Landes attackiert. Bei der euphemistisch als „Anti-Terror-Operation“ bezeichneten Militäroffensive gegen die dortige Bevölkerung seien etwa 120 Stützpunkte der Aufständischen unter Feuer genommen worden, teilte die Armeeführung in Kiew am Mittwoch mit. Medien berichteten über große Schäden und zivile Opfer in den bombardierten Orten.
„Die Offensive endet erst, wenn der letzte russische Söldner ukrainischen Boden verlassen hat“, sagte Verteidigungsminister Michail Kowal. Beweise über die tatsächliche Anwesenheit russischer Söldner konnten Kiews Machthaber bislang jedoch nicht erbringen. Kowal hatte vor zwei Wochen während einer Kabinettssitzung die Einrichtung von „Filtrationslagern“ in der Südostukraine angekündigt, in der die gesamte erwachsene Bevölkerung, einschließlich Frauen, untergebracht und auf ihre politische Gesinnung überprüft werden soll. Sympathisanten der Aufständischen solle das aktive wie passive Wahlrecht entzogen werden. (1)
Mit seiner Weigerung, die Feuerpause in dauerhafte Friedensverhandlungen zu überführen, setzt Präsident Poroschenko auf eine Eskalation des Konflikts. Er versprach, das Land von „Dreck und Parasiten“ zu befreien. (2) Zuvor hatte bereits Premierminister Arsenij Jazenjuk die Gegner der von Faschisten durchsetzen Kiewer Regierung als „Untermenschen“ bezeichnet. (3)
In Berlin wollen am Mittwochnachmittag die Außenminister Deutschlands, Russlands, Frankreichs und der Ukraine erneut über eine Feuerpause und einen Friedensplan beraten. Der russische Vize-Außenminister Grigori Karassin sagte vor dem Treffen, die Teilnehmer sollten auch über den Einsatz von OSZE-Beobachtern sprechen. Moskau erhalte sein Angebot aufrecht, dass Teams der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) auf russischem Territorium die ukrainische Grenze kontrollieren könnten, betonte Karassin.
Vertreter der Aufständischen erklärten sich zu neuen Verhandlungen bereit. „Wir haben bereits auf einige Forderungen verzichtet und stehen für Gespräche über eine Waffenruhe zur Verfügung“, sagte Alexander Borodaj, Premierminister der „Donezker Volksrepublik“. Er berichtete von heftigen Angriffen auf die Ortschaften Gorlowka und Dserschinski. Dort habe es Tote und Verletzte gegeben. Allerdings hätten auch die Sicherheitskräfte bedeutende Verluste erlitten, so Borodaj.
Der ukrainische Parlamentschef Alexander Turtschinow sprach in Kiew von Erfolgen der „Anti-Terror-Operation“. Regierungstruppen und die aus rechtsextremen Kräften geformte Nationalgarde seien dabei, die von ihnen belagerten Ortschaften im Osten der Ukraine „effektiv von Terroristen zu säubern und von den Belagerern zu befreien“. Der Berater des ukrainischen Innenministeriums, Sorjan Schkirjak, sprach von etwa 1 000 getöteten „Separatisten“ allein am Dienstag – eine Zahl, die weit übertrieben sein dürfte.
Die Regierungsgegner wiesen diese Angaben als „Unsinn“ zurück. „Es gibt schwere Kämpfe, doch wir sind bisher nicht einen Meter zurückgewichen“, sagte der Anführer Waleri Bolotow in Lugansk. „Es wurde eine große Zahl an Militärtechnik und Personalbestand des Gegners vernichtet.“
Der Vizechef des russischen Sicherheitsrats, Jewgeni Lukjanow, warf den USA „gefährliche Zündelei“ in der Ukraine vor. Die prowestliche Führung in Kiew lasse sich ihre Politik von „US-Experten aus der Aufklärungsbranche und den Sicherheitsdiensten“ diktieren, sagte er der Staatsagentur Ria Nowosti. Die Lage sei wie in den 1990er Jahren in Russland, als CIA-Mitarbeiter „fatalen Einfluss“ nehmen wollten auf die Politik des Kreml, kritisierte Lukjanow in Moskau.
Anmerkungen
(1) http://www.youtube.com/watch?v=ZIohJfFrYSk
(2) http://in.reuters.com/article/2014/07/01/urkaine-crisis-idINKBN0F63EG20140701
(3) http://www.spiegel.de/politik/ausland/kiews-aussenminister-beschimpft-putin-a-975536.html